Wissingers im Schlechterbräu
Lindau
DEU

Schlecht, schlechter, am schlechtesten?

Nein, mit einer qualitativen Wertung hat der Name Schlechterbräu ganz und gar nichts zu tun. Das kam ganz anders. Es war nämlich ein Johann Lorenz Schlechter, ein Heidelberger Brauer, der 1846 nach Lindau kam, hier zunächst in der Steigbrauerei arbeitete, aber schon wenige Jahre später seine eigene Brauerei erwarb, die damals noch Brauerei zum Adler hieß.

Offensichtlich betrieb er die Brauerei mit Erfolg, den Jahrzehnte später, 1889, konnte er sie an seinen Sohn Karl August übergeben, der sie dann auch in Schlechterbräu umbenannte. Es muss damals schon ein altes Gebäude gewesen sein, man sagt, dass die Mauern aus dem 14. Jahrhundert stammten. 30 Jahre lang wurde die Brauerei dann unter dem neuen Namen betrieben, in den letzten Jahren nicht mehr durch Karl August Schlechter, sondern durch dessen ältesten Bruder Fritz. 1919 wurde allerdings der Braubetrieb eingestellt.

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Wissingers im Schlechterbräu

Heute befindet sich in dem alten Brauereigebäude ein Restaurant, das Wissingers im Schlechterbräu, aber ein enger Bezug zum lokalen Bier besteht immer noch, es werden nämlich Biere der Marke Inselbrauerei ausgeschenkt. Auch die Inselbrauerei ist, wie das Schlechterbräu, eine stillgelegte Lindauer Brauerei; die Biere der Marke werden mittlerweile in der Braumanufaktur Simmerberg hergestellt.

Wir gehen unter dem schönen Ausleger mit dem Schriftzug Schlechter-Bräu und dem als Wappen dienenden hölzernen Maischebottich hindurch und betreten das Wissingers im Schlechterbräu zur Mittagszeit, blicken die langgestreckte, elegante Theke entlang und stellen überrascht fest, dass das Restaurant völlig leer ist. Aber der Groschen fällt sofort: Hinter dem Haus ist ein kleiner Biergarten, und heute ist es wunderbar sonnig und nicht zu heiß, so dass – natürlich! – alle Gäste im Biergarten sitzen.

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der Ausleger nimmt Bezug auf die Geschichte dieses Gebäudes

Die aufmerksame und sehr freundliche Bedienung kommt zu uns an den Tisch, und ich deute auf die schwarze Tafel an der Biergartenwand: „Das Bier-Degustations-Servierbrett hätte ich wohl gerne!“ Ohne mich zu versprechen, geht mir die etwas sperrige Bezeichnung für die Bierprobe über die Lippen. „Aber gerne: Ein Bier-Degustations-Servierbrett“, übt sich auch die Kellnerin in diesem Zungenbrecher.

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Zungenbrecher

Augenblicke später steht das Brettchen vor mir, und die nette Dame nimmt unsere Essensbestellungen auf. Die Speisekarte bietet einiges an regionaler und saisonaler Küche – keine exotischen Experimente, trotzdem aber feine Sachen, die über Schnitzel und Grillteller hinausgehen. Und während die Küche sich nun an die Zubereitung macht, verkoste ich die vier Biere vor mir auf dem Brettchen.

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das „Bier-Degustations-Servierbrett“

Das Lindauer Hell mit seinen 4,9% Alkohol erweist sich als gut-durchschnittliches Allerweltsbier. Vielleicht ein bisschen zu süßlich, um wirklich zu überzeugen, aber als unauffälliger Begleiter zum Essen und zu guten Gesprächen bleibt es angenehm im Hintergrund, fällt nicht auf und stört die Konversation nicht.

Die Lindauer Weisse (4,9%) ist ebenfalls unauffällig und glatt, vielleicht ein bisschen zu dünn. Für ein schönes, klassisches Weißbier fehlt ein bisschen die Vollmundigkeit, andererseits ist es so natürlich ein nettes Zischbier in der Sommerhitze.

Beide Lindauer Biere werden in Simmerberg hergestellt, aber unter der Marke Lindauer angeboten und angeblich auch „nach traditionellen Rezepten der (ehemaligen) Inselbrauerei Lindau“ gebraut. Das Dunkle Kellerbier hingegen wird unter der Marke Simmerberger serviert, macht also aus seiner Herkunft kein Hehl. 5,2% Alkohol hat es und schmeckt leicht malzig, vor allem aber rund und süffig. Aber auch hier: Irgendwie fehlt der Pfiff, fehlt irgendetwas, das das Bier von der Masse unterscheiden, es einzigartig machen würde.

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schwarz ist er allerdings nicht, der Insulaner Schwarze Bock

Zum Abschluss kommt der Insulaner Schwarze Bock. 6.8% Alkohol hat er, einen schönen und malzigen Geruch und einen kräftigen, runden, malzigen, aber nicht zu aufdringlich süßen Körper. Sehr schön süffig für einen Bock, und damit gefährlich: Viel zu groß sind die Schlucke, die man von diesem Bier nimmt! Deutlich sticht dieses Bier mit seiner Individualität und seinem sehr eigenen Charakter auf dem Testbrettchen hervor, und es gibt eigentlich nur eins zu bemängeln: Den Namen. Mit Schwarzem Bock hat die Farbe nämlich überhaupt nichts zu tun. Ganz im Gegenteil – das Bier ist noch nicht einmal dunkelbraun, sondern – ähnlich wie das Kellerbier – von leicht ins Kupfer tendierendem, mittleren Braun.

Zum klassischen Schweinsbraten passt es dennoch hervorragend, und so gönne ich mir den Luxus, bereits jetzt, obwohl gerade erst Mittagszeit, ein richtiges Glas vom Insulaner Schwarzen Bock zu trinken – ein schöner, die dicke Soße des Bratens hervorragend ergänzender Begleiter zum Essen.

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im Biergarten

Eine kleine Kastanie in der Mitte des Biergarten spendet Schatten und während eines kurzen Regenschauers auch Schutz vor der Nässe, aber die meisten Tische und Bänke sind unter einem Holzdach an der Seite des Biergartens platziert, so dass auch in großer Sommerhitze oder bei etwas länger andauerndem Regen nicht fluchtartig in das Innere des Restaurants ausgewichen werden muss.

In der Summe ein schönes Restaurant, das die bierige Historie des Gebäudes aufnimmt und gerne weiterführt. Wenn auch die Inselbiere nicht nur hier erhältlich sind, sondern mittlerweile in vielen Gastwirtschaften der Stadt Lindau angeboten werden, bekommt man doch das Gefühl vermittelt, als sei diese Marke hier zuhause.

Das Wissingers im Schlechterbräu ist täglich über die Mittagszeit von 11:30 bis 14:00 Uhr und dann wieder am Abend von 17:30 bis 22:00 Uhr geöffnet; dienstags ist Ruhetag. Es befindet sich am Nordrand der verkehrsberuhigten Altstadt auf der Insel Lindau und ist vom Bahnhof Lindau aus in weniger als fünf Minuten zu Fuß zu erreichen.

Bilder

Wissingers im Schlechterbräu
In der Grub 28
88 131 Lindau (Bodensee)
Bayern
Deutschland

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