Der Pfälzerwald – das größte zusammenhängende Waldgebiet in Deutschland. Angeblich. Je nachdem, wie man „zusammenhängend“ definiert. Spätestens seit die verhältnismäßig gut ausgebaute B10 ihn einmal quer in Ost-West-Richtung durchschneidet, hängt da ja eigentlich nichts mehr zusammen. Aber egal, lassen wir den Lokalpatrioten ihre Freude und nennen ihn so. Auf eben der B10 rolle ich heute Richtung Westen, also einmal mitten durch den Pfälzerwald, und so führt es mich schließlich nach Pirmasens.
Pirmasens? Muss man nicht unbedingt kennen, und die B10 führt aus gutem Grund in großem Bogen um die Stadt herum. Pirmasens war einst das Zentrum der Schuhindustrie, heute ist die Stadt eher eine lebende Bausünde, die mit allerlei sozialen und infrastrukturellen Problemen zu kämpfen hat. Die Versuchung ist groß, es links liegen zu lassen.
Aber, andererseits, jetzt bin ich schon mal hier, und dann kann ich auch eine kurze Pause machen und hier auf einen kleinen Imbiss in der lokalen Brauerei einkehren – im Kuchems Brauhaus.
„Am Fuße des weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Schlossbrunnens“ liegt diese Brauerei eigenen Angaben zufolge, und ich frage mich, warum dieser Brunnen so bekannt ist. Eine originelle Idee ist es ja, eine große Kaskade anzulegen, mit Treppen beiderseits und einem gewaltigen Ochsenkopf am oberen Ende, der die einzige Blickachse auf die Kirche versperrt. Aber originell heißt noch lange nicht schön, und klotzig thront dieser Brunnen nun über dem traurigen, weil kaum besuchten Weihnachtsmarkt.
Direkt daneben ein Einkaufszentrum, ein gewaltiger Betonklotz in architektonischer Verirrung der sechziger oder siebziger Jahre entstanden. Und in einem Glasanbau das Brauhaus. „Oberhalb des Pirmasenser Schlossplatzes, in der Schlossgalerie, finden Sie den schönsten Ort im Herzen der Stadt: Das Kuchems Brauhaus“, sagt die Website, und ich überlege, warum dies der schönste Ort der Stadt sein soll. Ach, ja, natürlich, weil man, wenn man im Brauhaus sitzt, den Klotz eben nicht sieht. Klar, die Logik ist unbestechlich.
Aber genug der Lästerei über das hässliche Pirmasens, denn im Brauhaus selbst ist es wirklich gemütlich. Bunt und kleinteilig; jetzt, in der regnerischen Vorweihnachtszeit gemütlich und warm, farbenfroh dekoriert, und mitten drin thront ein kupfernes Sudwerk. Das ist doch schon mal wirklich ansprechend.
2001 ist das Brauhaus eröffnet worden, und in seiner Gemütlichkeit und wegen der zentralen Lage hat es sich bis heute offensichtlich problemlos gehalten.
Ich suche mir einen Platz direkt vor den Kupferkesseln und blicke in den Schankraum. Es ist die ruhige Zeit zwischen Mittag und Kaffeezeit, unten, auf dem Schlossplatz, konkurriert der Weihnachtsmarkt mit seiner rustikal-kulinarischen Offensive, aber trotzdem sind viele Tische besetzt. Nicht schlecht.
Die in ihrer robusten Art (Pfälzer…) doch sehr freundliche Bedienung fragt nach meinen Wünschen, und zu meiner positiven Überraschung bietet sie mir nicht nur das klassische Gasthausbrauerei-Triplett Hell, Dunkel und Weizen an, sondern auch ein Kastanienbier, in dem Esskastanien als Stärkelieferant mit verbraut worden sind. Da brauche ich nicht lang zu überlegen – die Bestellung ist sonnenklar.
Dazu gibt es eine schön scharf gewürzte Gulaschsuppe, und fertig ist der treudeutsche Genusshimmel.
Das Kastanienbier macht sich im Glas schon schön. Kupferfarben leuchtet es, es ist klar, vielleicht sogar filtriert, hat eine schöne Schaumkrone. Ein leicht malziger Duft, ein voller und runder Geschmack. Malzbetont, recht wenig Hopfen, aber nicht zu süßlich. Ein schönes, süffiges Alltagsbier. Aber Moment mal! War da nicht die Rede von Kastanien? Ich rieche und schmecke, aber mir fällt an der Aromatik leider nichts Besonderes auf, was auf die Kastanien hinweisen würde. Sind nur recht wenige verbraut worden? Ich weiß es nicht, bin aber trotzdem nicht unzufrieden, denn ein schön ausgewogenes, kupferfarbenes Bier ohne Aroma- oder Geschmacksfehler ist doch auch was Feines und in der deutschen Gasthausbrauereiszene leider nicht immer selbstverständlich anzutreffen.
Leider muss ich noch fahren, und so bleibt mein Konsum auf dieses winzige, eher symbolische Glas beschränkt. Gerne hätte ich die anderen Sorten auch noch probiert und mir die Bestätigung geholt, dass auch die anderen Biere zwar konservativ, aber dafür ebenfalls fehlerfrei gebraut sind. Das Kastanienbier war es jedenfalls, und so hat sich der kleine Abstecher runter von der B10 im heutigen Falle denn auch gelohnt.
Und sollte ich einmal wieder nach Pirmasens kommen (es stellt sich nur die Frage, warum?), dann werde ich gerne noch einmal hier einkehren und die anderen Biere verkosten, erneut die bunt-wuselige, aber nicht ungemütliche Atmosphäre genießen und mich im (spieß)bürgerlichen Umfeld der Stadt für einen Moment mental fallen lassen.
Das 2001 gegründete Kuchems Brauhaus ist täglich von 11:00 bis 24:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Es befindet sich im gläsernen Anbau der Schlossgalerie oberhalb des Schlossplatzes. Von der Fußgängerzone aus geht es am Schlossplatz einfach nur die Treppen hoch; alternativ kann man es von oberhalb auch anfahren. Parkplätze sind ausgeschildert; der Linienbus hält direkt an der Schlossgalerie.
Kuchems Brauhaus GmbH
Schlossstraße 44
66 953 Pirmasens
Rheinland-Pfalz
Deutschland
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