Wirtshaus Hütt’n
Nürnberg
DEU

Während ich am 30. Mai 2015 durch unterschiedliche Lokalitäten in Nürnberg wanderte, um ein Praktikum auf dem Wege zum Rotbierexperten zu absolvieren, hielt ich es für angemessen, meine daran interessierten Mitmenschen – und gewissermaßen als Kollateralschaden auch zahlreiche andere, die es überhaupt nicht interessierte, aber die es in diesem Falle einfach aushalten mussten – über Facebook auf dem Laufenden zu halten – hatte ich doch mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass es neben Katzenbildern und kurzen Videos von Kleinkindern, die aus ihrem Bettchen fallen, aus der Schaukel plumpsen, über den Hund stolpern oder auf andere Art ihr noch kurzes Leben riskieren, vor allem Bilder von frisch gezapften Bieren sind, die in kürzester Zeit eine atemraubende Zahl von likes produzieren. Offensichtlich wirkt die soziale Komponente des Volksgetränks Bier auch im virtuellen Raum ungeschmälert.

Und wie ich so ein Rotbier nach dem anderen trank, fotografierte, postete, und diesen Reigen immer wieder von neuem begann, ereilten mich und meinen Facebook-Account zahlreiche Kommentare. Die Masse davon hob sich mangels nicht ausreichend breit angelegter Erfahrungswerte im Konsum der hiesigen Bierspezialität nicht sonderlich aus dem Einerlei des täglichen Biererlebens heraus und beschränkte sich auf das Niveau end- und zielloser Stammtischgespräche: „Legga!“ – „Isch will auch!“ – „Geile Schaumkrone!“ oder auch nur ein kurzes und knackiges „Rülps!“

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Außenansicht

Eine Bemerkung jedoch fiel aus dem Rahmen. Meine bisher nur virtuell getroffene, aber mir dennoch ob ihrer Fachkenntnisse rasch ans Herz gewachsene Bierfreundin Lana S. aus der fernen Ukraine hielt es für angebracht, als Dame etwas mehr Niveau in die eher männlich dominierte Diskussion zu bringen und vermerkte „…across the street is Hütt’n – they have decent selection of small Franconian breweries, sometimes really rare ones. But it’s really hard to find place to seat in the evening.”

Das ist die Art von Kommentaren, die ich an Facebook schätze, und die vielleicht auch die Macher dieses Netzwerks ursprünglich einmal im Sinn hatten, als sie es programmierten, die aber im dumpfen Rauschen einer Diskussionskultur, deren Beiträge meistens nicht mehr als ein oder zwei Worte umfassen, Gefahr laufen, unterzugehen. Wer bringt schon die Geduld auf, nach gefühlten 150 sinn- und wertfreien Kommentaren noch geduldig auf ein Goldkörnchen hoffend weiter zu scrollen und zu lesen?

Ich.

Aber nur manchmal. Heute zum Glück aber schon.

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ein netter Empfang

Und so kam es, dass ich, ohne überhaupt zu wissen, auf was ich mich einließe, meine Ausbildungskollegen, Rotbierstudium, drittes Semester, dazu drängte, der Abwechslung halber doch auch einmal die Weiß-, Braun- und Schwarzbier-Facetten tiefer auszuloten und dazu den Hörsaal zu wechseln. Aufkeimendes Gemurre wusste ich zu ersticken mit dem Hinweis: „Jemand, der sich hier auskennt, hat gesagt, genau gegenüber.“ Musste ja keiner wissen, dass die Dame, die sich auskennt, ihren guten Ratschlag aus über 2500 km Entfernung gemacht hat, was zwar nicht bei mir, aber bei meinen Kommilitonen zu Zweifeln an der Belastbarkeit dieser Empfehlung geführt hätte.

Das Wirtshaus Hütt’n also.

Ein schönes fränkisches Wirtshaus, offensichtlich aber nicht klassisch gewachsen, obwohl ich nicht ausschließen möchte, dass es hier schon immer eine Gaststätte gegeben haben kann, sondern ein wenig artifiziell so hergerichtet, wie der Nürnberger meint, dass ein zugereister Tourist erwartet, dass eine fränkische Wirtschaft auszusehen habe.

Ein wenig bäuerliche Dekoration hier, ein paar Bierdevotionalien dort, dazu rustikales Gestühl, freundliche Bedienungen und eine – und da hatte die Empfehlung aus der Ukraine Recht gehabt – angemessene Auswahl lokaler Biere. „Passt scho!“, hätte der Franke gesagt, wenn wir einen unter uns gehabt hätten, und wir rückten ein.

Die Bierkarte teilte sich thematisch auf, wozu es ja immerhin schon mal einer gewissen Mindestanzahl von unterschiedlichen Bieren bedarf.

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Biere und andere Biere

Kategorie 1: „Für uns gebraut.“ Eine Rubrik, unter der in vergleichbaren Etablissements die unmöglichsten Geschichten erzählt werden, Geschichten von Rezepten, die bei der Renovierung des Hauses hinter den verklebten Tapeten gefunden wurden, die zurückreichen bis ins finstere Mittelalter, und nach denen eine befreundete Brauerei nun ein „historisches Original wieder belebt und exklusiv für uns herstellt“ und ähnliche Dinge, die aber, weil sie gar zu oft erzählt werden, den Eindruck erwecken, als wäre es das Normalste der Welt, beim Renovieren eines Gasthauses oder einer Brauerei über uralte Rezepte zu stolpern, die zum einen absolut einzigartig und originell und zum anderen aber auch leserlich, verständlich und nachbraubar sind. Schande über den, der beim Aufräumen des Bierkellers oder der Darre der Mälzerei kein solches Rezept entdeckt. Aber nein! Hier in der Hütt’n heißt es einfach nur „für uns gebraut“, ohne münchhausenesques Brimborium, und bei einem der drei Biere, dem „Das Pils“, der doppelte Artikel sei hier gestattet, ist nicht nur die sonst immer als „befreundete Brauerei“ bezeichnete Herstellungsstätte genannt, der Schorsch Rittmayer aus Hallerndorf nämlich, sondern auch noch die dezente Einschränkung hinzugefügt „in Nürnberg nur bei uns erhältlich“. Ein großes Lob für diese Ehrlichkeit und das Geständnis, dass es dem Bierreisenden wohl durchaus gelingen könnte, das gleiche Bier auch andernorts, dann aber außerhalb der Stadt, aufzutreiben und zu verkosten.

Kategorie 2: „Biere.“ Nicht ganz trennscharf, oder, wenn doch, dann auf eigenwillige Weise, da postulierend, dass die unter den anderen Rubriken aufgeführten Getränke gar keine Biere seien? Merkwürdig. Ein Sammelbecken für helle, braune, schwarze, leichte, trübe Biere. Bier aus der Region, das heißt, aus Franken, und Biere, die definitiv nicht beim in Nürnberg leider so oft dominierenden Tucher gebraut worden sind.

Kategorie 3: „Rauchbiere.“ Von leicht und dezent geraucht über kräftig rauchig bis zum nur für ausgewiesene Liebhaber von Extrem-Whiskys geeigneten Smokey George, der auf der Zunge einen Nachgeschmack hinterlässt, als habe man einen alten Gartengrill ausgeleckt. Aber wer’s mag…

Letzte und vierte Kategorie: „Weizen.“ Hell, Dunkel, Kristall, Leicht – auch hier für jeden Geschmack etwas dabei. Besserwisser mögen einen Weizenbock vermissen, die Gäste an diesem warmen Frühlingsabend nicht.

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es hätte auch seltene Bierspezialitäten gegeben

Ein schönes Angebot also, freundliche und schnelle Bedienungen, eine große Terrasse zum Draußen-Sitzen. Wer sämtliche Kleinbrauereien der Stadt bereits abgearbeitet hat – immerhin gibt es ihrer mittlerweile drei! – und, nachvollziehbar, keinen Appetit auf Tucher verspürt, ist hier gut aufgehoben.

Die Speisekarte umfasst Gerichte aus der Region, also Deftiges. Kräftige Brotzeiten, große Stücke Schweinefleisch, in erster Linie. Und für Interessierte wird eine kulinarische Verkostung organisiert, bei der ein Brauer den Gast in die Welt des Bieres entführt und verschiedene Biere vorstellt, sowie eine kräftige Brotzeit zum Bier serviert wird. Bierversuchung heißt dieses nette Ereignis. Es gibt zwar unnötigerweise auch eine Weinversuchung, aber das sehen wir dem Wirtshaus jetzt mal nach.

Das Wirtshaus Hütt’n ist täglich ab 11:00 Uhr bis nach Mitternacht durchgehend geöffnet, nur sonntags wird schon um 22.30 Uhr geschlossen. Es liegt nur wenige Schritte unterhalb der Burg und ist vom Hauptmarkt aus in strammem Fußmarsch in wenigen Minuten zu erreichen. Alternativ mit dem Stadtbus, der aber wegen der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit in der Altstadt definitiv nicht schneller ist.

Bilder

Wirtshaus Hütt’n
Bergstraße 20
90 403 Nürnberg
Bayern
Deutschland

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