Während es im 17. Jahrhundert in Neuwied eine ganze Reihe von kleinen Brauereien gab, hat sich dies in der Neuzeit drastisch geändert. Nach und nach verschwanden die kleinen Braustätten von der Bierlandkarte, und als im Jahr 1922 die letzte Brauerei in Neuwied ihre Pforten schloss, war ein dicker, schwarzer Schlussstrich unter dieses Kapitel der Stadtgeschichte gezogen worden.
Bis im Juli 2010, nach fast 90 Jahren Brauerei-Abstinenz die Gasthausbrauerei Marktbräu eröffnete. Hinter einer schlichten, recht unauffälligen Fassade erspäht man durch die Fenster die schmucke, kupfern glänzende Kaspar-Schulz-Anlage, die spannenderweise nicht in einen Sockel integriert ist, sondern hinter schützenden Glasscheiben ihren technischen Unterbau samt aller Rohre und Ventile stolz herzeigt.
Fast wie in den Bamberger Brauereien betritt man zunächst einen ungeheizten Vorraum, in dem die Raucher ihrem Laster frönen können und die Stehgammler (die es in Neuwied aber – im Gegensatz zu Bamberg – nicht gibt) ihr Bier im Stehen trinken könnten, bevor man dann die modern eingerichtete, aber gemütliche Gaststube betritt. Während unseres Besuches am 15. Februar 2012 gab es insgesamt vier verschiedene Biere zu verkosten: Als Standard ein Pils (ziemlich klar, hopfenaromatisch mit blumigen Noten, frisch, herb), ein Weizen (nicht verkostet…), ein Roggen (sehr dunkles Braun, sämig, nahrhaft, mit leicht brotiger, aber sehr angenehmer Geschmacksnuance) und – man höre und staune im Lande des (R)Einheitsgebots – einen Weizen-Honig-Doppelbock. Süßlich, aromatisch, fruchtig und deutlich wärmend kam er daher – genau das richtige für diesen kalten Wintertag, der durch Regen und Hagel geprägt war. Lecker!
Zu diesen Bieren eine kleine Mittagskarte mit einigen Salaten und einfachen, aber leckeren Gerichten. Schön.
Insgesamt noch nahe genug am Mainstream, so dass für einen Grundumsatz durch eher konservativ eingestellte Norm-Biertrinker gesorgt sein dürfte, aber doch immerhin so experimentierfreudig, dass es mit dem Grüzing, wie das dunkle Roggenbier laut Karte heißt, und dem Weizen-Honig-Doppelbock auch zwei sehr ungewöhnliche Biere zu verkosten gab! Weiter so!
Das Marktbräu befindet sich in der Neuwieder Innenstadt nur wenige Schritte von der Fußgängerzone oder dem Rheinufer entfernt. Dienstags ist Ruhetag; ansonsten ist während der Woche über Mittag und ab 16:30 Uhr geöffnet, am Wochenende durchgehend ab 11:00 Uhr.
Nachtrag 7. Juli 2014: Nach aktuellen Informationen steht die Gasthausbrauerei in Neuwied derzeit zum Verkauf.
Schade – die kleine Gasthausbrauerei hat sich nicht gerechnet und musste bereits zum 15. September 2013 ihre Pforten schließen.
Marktbräu Neuwied
Kirchstraße 42
56 564 Neuwied
Rheinland Pfalz
Deutschland
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