Im Wettbewerb um die kleinste kommerzielle Braustätte Deutschlands dürfte Thomas Schrenk mit seiner Nanobrauerei Brauschlumber gute Chancen auf einen der Medaillenplätze haben.
Noch…
Mitten im Wohngebiet in Seligenstadt ist im Keller seines Wohnhauses in den letzten drei Jahren aus einem einfachen Hobby eine Fast-schon-Besessenheit entstanden. Wo zunächst 20 l Würze in einem kleinen Braukesselchen vor sich hin köchelten und anschließend gemütlich vergoren, findet sich mittlerweile ein Sammelsurium von Behältern, Fässern, Flaschen, Töpfen, Schläuchen, das den ganzen Keller einzunehmen scheint und hinter dem so unnötige Dinge wie Waschmaschine, Tiefkühltruhe oder Wäschetrockner fast verschwinden. Ich stehe mittendrin in diesem herrlichen Durcheinander und kratze mich nachdenklich am Kopf. Was zum Teufel entsteht hier gerade?
Doch der Reihe nach.
Mich erreicht per eMail die unschuldige Frage, ob denn die Nanobrauerei Brauschlumber in Seligenstadt auch auf meine Übersichtskarte, den Bier-Layer, aufgenommen werden könnte, und wie immer lautet meine Antwort: Klar, natürlich, aber erst dann, wenn ich vor Ort gewesen sei, denn dieser Bier-Layer enthielte bis auf wenige, handverlesene und gut begründete Ausnahmen, ausschließlich Verweise auf bierige Orte, die ich selber schon einmal besucht habe – nicht ohne Grund hieße dieses Projekt schließlich Bier vor Ort. „Tja, dann komm‘ halt mal vorbei“, lautet Thomas‘ lapidare Antwort.
Nun liegt Seligenstadt allerdings weit abseits meines derzeitigen Wohnorts in Tschechien und ist auch sonst nicht gerade bevorzugtes Ziel meiner Wochenendausflüge, aber es ist einer dieser faszinierenden kleinen Zufälle, für die die englische Sprache das schöne Wort Serendipity erfunden hat – das unerwartete Zusammentreffen von Ereignissen, von denen man nie geglaubt hat, dass sie so eintreffen würden. Ist es eben diese Serendipity, wessentwegen ich am Tag nach der Anfrage zufällig beruflich auf Reisen bin und vom norddeutschen Raum ins Badische fahren muss? Seligenstadt liegt da nur wenige Kilometer querab, und so sind es weniger als 24 Stunden nach unserem ersten Kontakt, dass ich im Wohngebiet Griesgrund stehe, an Thomas‘ Haustür klingele und neugierig bin, was mich denn hier so erwarten wird.
Ein völlig unauffälliges Wohnhaus in einer genauso unauffälligen Wohnsiedlung. Nach kommerzieller Brauerei sieht es hier nicht aus, einzig der kleine Pkw-Anhänger mit einer integrierten Zapfanlage an Bord im Vorgarten, die Party-Maus, gibt vielleicht einen kleinen, dezenten Hinweis, was sich hier verbergen könnte.
Die Tür geht auf, Thomas heißt mich willkommen, und wir gehen direkt runter in den Keller. „Hier habe ich vor drei Jahren mit dem Brauen angefangen“, erzählt er und zeigt mir den ersten Raum, in dem eine kleine Malzmühle und ein paar Malzvorräte stehen. „Erst nur im 20-l-Maßstab, dann habe ich aber ziemlich schnell auf eine Kapazität von 70 Litern vergrößert, und wenn ich Doppelsude fahre, aber dann wird der Brautag ganz schön lang, dann kann ich locker ein paar Fässer und ein paar Kisten mit meinem Bier füllen.“
Vieles von der Ausrüstung, die Thomas mir nun zeigt und die nahezu den ganzen Keller in Beschlag nimmt, ist selbstgebastelt oder zumindest mit viel handwerklichem Geschick an seine individuellen Bedürfnisse angepasst. Die kleine Malzmühle ist mit einer Bohrmaschine angetrieben, das Spülbecken mit zusätzlichen Wasserhähnen und Schläuchen so erweitert, dass es nicht nur den lebensmittelrechtlichen Vorschriften für die kommerzielle Bierherstellung genügt, sondern sogar auch noch ungemein praktisch für die ständig anfallenden kleinen Reinigungsarbeiten ist, der Läuterboden ist perfekt in den Bottich eingepasst, und für alle möglichen Ausschankformate, also Fässer, KEGs und Flaschen, stehen immer auch die passenden Gerätschaften herum. Eine alte Kühltruhe dient als Kühllager für das Jungbier, aber natürlich auch als Lager für den Hopfen.
In weniger als einer halben Stunde zeigt mir Thomas so ziemlich alle Dinge, die er in den vergangenen drei Jahren angeschafft oder gebastelt hat. „Hier, ein alter Speidel-Braumeister, noch mit der simplen Steuerung, wo man ‘zig Mal drücken muss, um die richtige Temperatur einzustellen“, erzählt er und zeigt mir sein Lieblingsspielzeug, das ich in identischer Ausführung auch daheim in der Garage stehen habe. „Und hier, ein Torpedo-KEG. Bier aus dem Fass in Minimenge. Da ist der Griff des Fasses schon fast größer als der Rest“, lacht er. „Hier sind meine Hendi-Induktionskochplatten, hier die Stahltöpfe dazu, und hier, hier habe ich alles mit Tri-Clamp-Armaturen versehen. Professionelle Anschlüsse, wie sie auch in großen Brauereien verwendet werden.“
Wir flitzen von einem Regal zum anderen, von einem Topf zum anderen. „Hier, meine Gärtanks, aus Kunststoff, und hier der Temperatur-Controller.“ Man merkt, dass Thomas aus dem IT-Bereich kommt. Vieles ist automatisiert und computergesteuert, aber gerade nur so viel, dass es der Arbeitsentlastung dient und nicht den Spaß am Selbermachen verdirbt.
Kommerziell sei sein Hobby geworden, erzählt Thomas, als Nachbarn, Freunde und Vereine gemerkt haben, wie lecker seine Biere seien und immer mehr davon probieren wollten. Jetzt habe er Pläne, von 70 Litern Braukapazität auf 190 Liter aufzurüsten. Dann sei er wohl zwar nicht mehr eine der kleinsten kommerziellen Brauereien Deutschlands, aber dafür hätten dann die endlos langen Brautage mit den Doppelsuden endlich ein Ende. Eine Familienfeier oder ein Vereinsfest mit ausreichend viel Bier zu versorgen, sei halt doch immer viel Arbeit. Andererseits aber auch schön, wenn er dann mit dem mobilen Ausschank, der Party-Maus, vorfahren und sein selbstgebrautes Bier ausschenken würde.
„Und was sagt Deine Frau zu Deiner Brau-Besessenheit?“, frage ich ganz unverblümt. Thomas grinst. „Ich habe ja nicht den ganzen Keller in Beschlag genommen, da ist schon noch Platz für den Rest der Familie“, sagt er. „Und solange ich auch Biere produziere, die die Familie gerne trinkt, dann ist das schon alles in Ordnung.“
Spricht’s und serviert mir ein selbstgebrautes Malzbier. Weniger als 0,5% Alkohol, insofern auch für die Kinder geeignet. „Die haben es probiert und wollten sofort mehr!“ Ich probiere einen kräftigen Schluck. Sehr schön. Nicht so überzuckert wie manche Malzbiere aus dem Supermarkt, und vor allem auch leicht gehopft. „‚Malz natur‘ heißt dieser Sud“, erzählt Thomas und öffnet eine andere Flasche. „Und das hier ist ein Malzbier für Erwachsene – ich habe es ‚Hopbanger Malzbier‘ genannt.“
Ein stark gehopftes und hopfengestopftes Malzbier. Die Malzsüße der nahezu unvergorenen Würze paart sich bestens mit den Hopfenaromen und einer kernigen Bittere. „Hätte ich nicht gedacht, dass die Süße und die Bittere doch so gut harmonieren“, stelle ich fest und bitte um einen zweiten Schluck. Das ist doch mal etwas für den Autofahrer!
Ganz ohne Probeschluck eines „richtigen“ Biers lässt mich Thomas aber nicht gehen und köpft eine dritte Flasche. „It’s Bio, Baby!“ nennt sich dieses Bio-Pils. Ein trockenes Pils ohne Schnickschnack, verspricht das Etikett, und genau so schmeckt es auch. Schlank und trocken, kaum Restsüße, eine feste, aber nicht übertriebene Bittere, feine, klassische Hopfenaromen. Ein Bier, das Lust macht auf große Schlucke.
Mir schwirrt mittlerweile der Kopf von all den Geschichten und Informationen, die ich bekommen habe. Die Zeit drängt ein wenig, ich habe heute Abend noch einen beruflichen Termin – viel zu schnell muss ich wieder los. Aber es war ein spannendes Biererlebnis. Ich bin neugierig, wie sich die kleine Nanobrauerei Brauschlumber entwickeln wird. Noch gilt: Nomen est omen, aber nach einer Vergrößerung der Kapazität wird das prädikat Nanobrauerei sicherlich nicht mehr zutreffen.
Warten wir’s ab. Vielleicht sehen wir die Brauschlumber-Biere ja irgendwann einmal nicht nur in den Fässern an Bord der Party-Maus, sondern auch flaschenweise im lokalen Getränkemarkt. Thomas‘ Ambitionen sind jedenfalls groß genug, wovon unter anderem die Mitgliedschaft bei den Deutschen Kreativbrauern e.V. zeugt.
Die Nanobrauerei Brauschlumber ist zwar eine kommerzielle Brauerei, aber dennoch – noch… – eher im Hobbybereich zu verorten. Es gibt daher weder einen Ausschank noch feste Öffnungszeiten, und die Biere sind nur unregelmäßig auf Vereinsfesten oder Veranstaltungen erhältlich. Wer aber mal ein Brauschlumber-Bier probieren und kaufen möchte, ist nach vorheriger Absprache (Kontaktdaten auf der Website der Brauerei) herzlich eingeladen. Die Biersorten wechseln zwar, aber ein paar KEGs und abgefüllte Flaschen sind praktisch immer vorrätig. Zu erreichen ist die kleine Brauerei in drei Minuten von der Autobahn A3, Abfahrt Seligenstadt, oder mit der Eisenbahn – die VIAS Rail (früher Odenwaldbahn) hält fünf Gehminuten entfernt am Bahnhof Seligenstadt.
Nanobrauerei Brauschlumber
Thomas Schrenk
Griesgrund 6
63 500 Seligenstadt
Hessen
Deutschland
super schöner Bericht über den netten Thomas. Ein sehr sympathischer Mensch, sein Malzbier hat mich auch sehr positiv angemacht.
Ist auch schon wieder drei Jahre her, dass ich dort zu Besuch war – wie die Zeit verfliegt! – Ihr kennt Euch über die Kreativbrauer, oder?