České Budějovice, auf Deutsch Budweis. Jedem Biertrinker ist dieser Ort in Südböhmen geläufig. Sei es, weil er das Bier aus der berühmten Brauerei Budweiser Budvar kennt und schätzt, oder sei es, weil er vom Rechtsstreit zwischen dieser tschechischen Brauerei und dem Anheuser Busch Konzern gehört hat, in dem es darum geht, wer von beiden den Markennamen Budweiser für sein Bier beanspruchen darf – die Tschechen, weil sie in der Stadt Budweis brauen oder die US-Amerikaner, weil sie den Markennamen zeitlich eher verwendet haben.
Bei alledem gerät aber oft in Vergessenheit, dass die Stadt Budweis mehr als nur diese eine Brauerei beherbergt, und dass es sich für den Bierliebhaber lohnt, sich auch einmal jenseits der Fabrikmauern der Budweiser Budvar umzusehen. Dann entdeckt man zum Beispiel die kleine Minipivovar Krajinská 27.
Oder man macht einen kleinen Ausflug in eines der umliegenden Dörfchen, die mittlerweile alle eingemeindet sind. Dann kann es nämlich passieren, dass die Kombination České Budějovice und Pivovar, also Brauerei, kleine Perlen zutage fördert, die man so gar nicht erwartet.
Der winzige Weiler Nové Dvory bietet beispielsweise eine solche Überraschung an.
Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, dort, wo die Plattenbeton-Bauten schon lange im Rückspiegel verschwunden sind, findet man idyllische Natur. Fischteiche, winzige Sträßchen, die sich zwischen den Wasserflächen hindurchschlängeln und geradewegs ins Nirgendwo zu führen scheinen. Immer schmaler wird der Weg, kaum mehr als eine Wagenbreite nur noch, und sollte jetzt ein Auto entgegenkommen, werden wir uns ganz langsam aneinander vorbeiquetschen müssen.
Das kann doch nicht mehr Budweis sein, fragen wir uns, aber dann sehen wir vor uns ein kleines Ortsschild. České Budějovice. Wir befinden uns also immer noch im Stadtgebiet. Um uns herum nur Grün und Wasser. Vogelgezwitscher, das Rauschen des Winds in den Blättern der Bäume, und sonst absolute Stille. Unglaublich.
Noch unglaublicher, dass vor uns nun eine schneeweiß gestrichene Mauer auftaucht, dann eine Hofeinfahrt, und dahinter … eine Brauerei nebst großem Biergarten. Die I. Českobudějovický Minipivovar Kněžínek. Am äußersten Rand der Stadt, mitten in der Natur.
Vor sechs Jahren, 2012, ist in dem alten und sehr schön renovierten Gutshof Nové Dvory die kleine Brauerei eröffnet worden, und seitdem ist sie insbesondere im Sommer zu einem wunderschönen Ausflugsziel geworden. Heerscharen von Fahrradfahrern finden sich hier ein, genießen die Fahrt durch Wiesen und lichte Wälder und an den Fischteichen vorbei, rasten im Biergarten unter den Sonnenschirmen und genießen das frisch gebraute Bier.
Das kleine, kupferne Sudwerk steht zentral mitten in der gemütlichen und dörflich-rustikal eingerichteten Schankstube. Die kleine Theke daneben ist verwaist; heute, bei strahlendem Sonnenschein, spielt sich das ganze Leben draußen im Biergarten statt, niemand hat Lust, drinnen zu sitzen. Aber wir können uns immerhin vorstellen, wie schön es im Winter hier sein kann.
Auch wir suchen uns nun einen Platz draußen, und kaum haben wir uns auf eine der rustikalen Bänke gesetzt, eilt auch schon ein junger Kellner zu uns. Drei verschiedene Sorten Bier habe er anzubieten, erzählt er uns – ein Helles, ein Halbdunkles und ein Honigbier.
„Nun denn, bitteschön in dieser Reihenfolge, und für meine Frau ein Alkoholfreies“, bestelle ich, und er grinst.
Augenblicke später steht das Helle, das Světlé 11°, vor mir. Eine kräftig gelbe Farbe und gleichmäßige Trübung, feiner, weißer und kremiger Schaum, ein Hauch von Diacetyl. Der erste Schluck überrascht, und zwar positiv: Das Bier ist ausgezeichnet. Kräftig und aromatisch gehopft, die Bittere prägnant, aber nicht zu dominierend. Der Körper ist schlank, aber feine Malzaromen sind trotzdem zu schmecken. Alles ist in herrlicher Balance. Wie so oft in den kleinen tschechischen Dorfbrauereien: Das einfache Helle ist meistens schon so nahe am Biertrinkerhimmel, dass man gar keine exotischen Spezialitäten vermisst.
Zum zweiten Bier, dem Polotmavé 11°, kommt das deftige Essen – Schweinesteak und Bratkartoffeln. Beides, das Bier wie das Essen, sind tschechische Klassiker. Würde man irgendwo einfach blind „Ein Bier und irgendwas Kräftiges zum Essen“ bestellen, bekäme man vermutlich meistens genau diese Kombination. Die runden, eher süßlichen Malzaromen passen prima zum Essen; das süffige Halbdunkle übernimmt gerne die Rolle einer leckeren Bratensoße.
Um uns herum herrscht lebhaftes Treiben. Die Radler (in diesem Fall tatsächlich die Fahrradfahrer, nicht das Biermischgetränk) kommen und gehen. Ganze Familien, über drei Generationen hinweg, rollen in den Hof, suchen sich ein schattiges Plätzchen, genießen ein oder zwei Biere und fahren dann weiter über die schmalen Feldwege. Der eine oder andere setzt sich auch fest. Gar zu lecker schmeckt schon das erste Bier, um wieviel besser dann das zweite, ganz zu schweigen vom dritten. Der Kopf rötet sich, der Schweiß rinnt, und die Frage, ob das denn gleich mit dem Heimradeln noch funktionieren wird, wird vorübergehend nebensächlich. Sie stellt sich später, dann zwar um so nachdrücklicher, aber vorerst wird sie ignoriert.
Auch ich bin mittlerweile beim dritten (kleinen!) Bier angelangt, dem Honigbier Medové 14°. Nur eine geringe Restsüße, der Honig ist gut vergoren. Was geblieben ist, ist sein Aroma. Fein und dezent im Hintergrund rundet er das Bier ab, macht es noch süffiger. Ein Softeis dazu, und die Kombination passt.
Bevor es uns so geht wie dem Radfahrer mit dem hochroten Kopf, der mittlerweile wohl nicht nur nicht mehr weiß, wie er die Heimfahrt schaffen soll, sondern schon rechte Schwierigkeiten damit hat, sich nur zum Toilettengang zu erheben (ach, irgendwo muss der Mythos von den Tschechen als Weltmeister im Biertrinken ja herkommen…), bitten wir um die Rechnung und machen uns langsam wieder auf dem Weg.
Vielleicht, ganz vielleicht kommen wir diesen Sommer ja noch einmal wieder. Dann mieten wir uns eines der kleinen Zimmer im Nebentrakt und nutzen den Besuch nicht nur für ein paar Bierchen, sondern auch für eine ausgiebige Wanderung durch die herrliche Natur. An den Fischteichen entlang oder durch die kleinen Wäldchen. Eine leckere und kühle Wegzehrung dafür werden wir uns abfüllen lassen und dann unser Kněžínek-Bier irgendwo im Grünen genießen.
Ach, das Leben kann schön sein!
Die I. Českobudějovický Minipivovar Kněžínek ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Obwohl sie nicht weit von der Stadt entfernt ist, liegt sie doch idyllisch inmitten der Fischteiche. Dadurch ist sie aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar – entweder nimmt man das Auto und parkt im Hinterhof, oder aber man kommt mit dem Fahrrad.
I. Českobudějovický Minipivovar Kněžínek
Nové Dvory 2235
370 05 České Budějovice
Tschechien
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