Nur ein paar Schritte nördlich des Marktplatzes direkt an der Hauptstraße befindet sich das Hinterhaus Erlangen, eine kleine und von außen ganz unauffällige Bierkneipe. Im Sommer erkennt man sie vielleicht noch daran, dass zwei, drei kleine Tische auf dem Bürgersteig stehen, wo man sitzen und unter freiem Himmel ein Bierchen genießen kann. Aber in der kalten Jahreszeit kann es schon passieren, dass man einfach daran vorbeiläuft und gar nicht merkt, dass man die kleine Wirtschaft bereits passiert hat.
Was man dann aber verpassen würde! Allein schon die Verheißung, die auf der kleinen Kreidetafel am Eingang angeschrieben steht: „50 verschiedene fränkische Biersorten“ heißt es hier, und das allein ist Grund genug, innezuhalten, sich einen Moment Zeit zu nehmen und einzukehren.
Allerdings, wie gesagt, wenn man es denn merkt, dass man vor dem Hinterhaus steht. Die Fassade ist schlicht und grau, der Eingang schmal und das Wirtshausschild unauffällig.
Wir hatten die Adresse natürlich vorher ausbaldowert, und so war es eine Sache des einfachen Abzählens der Hausnummern. Haus 62, wir müssen da sein. Ein Blick hoch, und in der Tat: Da hängt das Schild.
Es ist gerade erst 19:00 Uhr, was im Falle des Hinterhauses heißt, dass es gerade erst aufgemacht hat. Es ist eher eine Kneipe für Nachtschwärmer und bleibt bis 02:00 Uhr morgens geöffnet. Insofern sind wir auch noch die einzigen Gäste. Neugierig erkunden wir die Schankräume, die mit ihrem rustikalen und schon etwas abgewohnten Mobiliar auf den ersten Blick einladend wirken. Nichts Künstliches, sondern ein Interieur, das über die Jahre gewachsen aussieht.
Grobe Holzdielen, ebenso grobe Holztische, -bänke und -stühle, und mitten im Raum ein Ofen mit einer dicken Ofenplatte, bei dem man sich gut vorstellen kann, wie er an kalten Wintertagen bullert, bis die Herdplatte glüht, und eine wohlige Wärme durch den Raum strahlt. Und mehr als ein Gast wird sich hier auch schon die Finger verbrannt haben, denke ich mir und stelle mir vor, wie jemand leicht angetrunken um die Ecke biegt und sich auf der heißen Herdplatte abstützt.
Grinsend gehen wir weiter, an der Theke vorbei und durch einen kleinen Gang. Im Hinterhaus – aha, hierher kommt vermutlich der Name – befindet sich der zweite Teil der Gastwirtschaft. Noch älter, die Einrichtung noch rustikaler, die Atmosphäre noch urtümlicher.
Wir hören Schritte hinter uns – der junge Wirt ist uns gefolgt. „Ihr habt aber jetzt nicht vor, Euch hier ganz hinten hin zu setzen?“, fragt er. „Nee, nee, keine Sorge, bei dem herrlichen Wetter setzen wir uns draußen auf die Straße, aber wir wollten wenigstens mal kucken“, erwidern wir grinsend.
Gemeinsam laufen wir wieder nach vorn. „Später am Abend wird es hier richtig voll, dann ist auch bei gutem Wetter drinnen alles voll“, heißt es, als wir an einem der Tischchen auf dem Bürgersteig Platz nehmen. Das Wirtspärchen ist uns sympathisch, wir kommen problemlos mit ihnen ins Gespräch, fachsimpeln ein wenig über die Biere und Brauereien Frankens, aber irgendwann wird es dann kompliziert. Was wollen wir denn jetzt eigentlich bestellen? Die Bierkarte auf dem Tisch ist schon ganz interessant, aber es gibt deutlich mehr Biere, als dort aufgeführt sind. 50 verschiedene, wie die Kreidetafel erneut mahnt. Da fällt die Auswahl schwer.
Es entspannt sich eine fröhliche Diskussion, in die sich für einen Moment selbst ein junger Mann einmischt, der gerade vorbeispaziert, und als Resultat entscheiden wir uns für ein Pressecker Drachenseidla vom Schübel Bräu für mich und ein Hefeweizen vom Gutmann für meine Frau. Letzteres ist immer wieder eine gute Wahl – sicherlich eines der besten Hefeweißbiere überhaupt. Ein volles und rundes, bananiges Aroma, gerade richtig gespundet, um zu erfrischen, ohne den Magen zu sehr zu belasten, vollmundig – ein Weißbier, wie es im Buche steht.
Das Drachenseidla fällt demgegenüber ein wenig ab. Kein schlechtes Bier, das ganz gewiss nicht, aber nach dem Probierschluck aus dem Glas meiner holden Ehefrau kann mein eigenes Bier nicht mehr mithalten. Vollmundig und süffig auch das Drachenseidla, würzig und aromatisch, ja, auch das, aber trotzdem: Es ist ein Bier, das in einer anderen Liga spielt. Und, naja, es ist natürlich auch kein Weißbier, also eigentlich vergleichen wir gerade Äpfel mit Birnen. Merkwürdig, wie es manchmal so ist. Obwohl ich kein Weißbiertrinker bin, schaue ich heute neidisch auf das Glas meiner Frau.
Der guten Stimmung und der unkomplizierten Atmosphäre tut das allerdings keinen Abbruch. Wir sitzen an dem kleinen Holztisch, das Bier schmeckt, die tiefstehende Sonne wärmt ganz wunderbar, die Gespräche sind interessant, und wir fühlen uns wohl. So wohl, dass noch nicht einmal der gerade nur einen Meter von uns entfernt vorbeifließende Verkehr stört. Zumal dieser mit jeder verflossenen Viertelstunde auch weniger wird.
Langsam füllt sich die kleine Wirtschaft. Die Tische draußen sind alle besetzt, die ersten Gäste setzen sich nach drinnen. Die Wirtsleute haben keine Zeit mehr für einen Plausch am Tisch, jetzt muss gezapft werden, und auch die ersten Kleinigkeiten, die ersten Snacks werden bestellt. Es gibt nichts Großes, aber etwas Würziges zum Bier muss natürlich sein. Schmalzbrot, Suppe oder eine deftige Brotzeit. Sehr schön, so kann man es aushalten!
Das Hinterhaus Erlangen ist täglich von 19:00 bis 02:00 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Zu erreichen ist es in zwei Minuten zu Fuß vom Markplatz in Richtung Norden; fast alle Stadtbuslinien halten hier an der Haltestelle Altstadtmarkt. Vom Bahnhof Erlangen sind es etwa zehn Minuten Fußweg.
Hinterhaus Erlangen
Hauptstraße 62
91 054 Erlangen
Bayern
Deutschland
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