Fünfzehn und vierzehn Jahre alt sind sie, die beiden Bände von Brauns Brauerei Atlas. Eine Zeit, in der sich viel geändert hat. Die eine oder andere ehrwürdige und traditionelle Brauerei gibt es nicht mehr. Manche winzige Dorfbrauerei ist sang- und klanglos verschwunden, von fast niemandem bemerkt außer von den Dörflern selbst, die es aber meistens sowieso haben kommen sehen. Andere gingen mit einem größeren Knall, so wie unlängst die Kitzmann Bräu in Erlangen, die im September 2018 am Freitag bekanntgegeben hat, dass sie am Sonntag, dem Monatsende, schließt. Rumms!
Aber nicht nur schlechte Nachrichten hat es seitdem gegeben. Überall im Frankenland sind auch neue, meist winzige Brauereien entstanden: Sei es die Mainseidla-Brauerei, also das Brauhaus Binkert, in Breitengüßbach, wo Jörg und Anja Binkert richtig viel Geld investiert und ein tolles Brauhaus auf die grüne Wiese gestellt haben, sei es die Braumanufaktur Hertl in Schlüsselfeld, wo David Hertl in der Scheune des elterlichen Hauses auf einer winzigen Anlage abenteuerlich spannende Biere braut und sie als echte Rampensau medienwirksam vermarktet.
Sind sie also mittlerweile wertlos, die beiden Bände? Nur noch dafür da, dekorativ im Regal zu stehen und die Sammlung von Bierbüchern eindrucksvoller zu gestalten? Im ungewöhnlichen Querformat fallen sie im Bücherregal jedenfalls sofort auf.
Nimmt man sie aber zur Hand, merkt man rasch, wie angenehm dieses Format zum Lesen ist. Leicht fallen die Bücher auf, und offen bleiben sie auf dem Tisch liegen, ohne dass man die Bindung vorher weit über ein gesundes Maß hinaus aufbiegen muss. Na, dann blättern wir doch einmal.
Was mir sofort auf- und gefällt: Die Bücher beginnen – nach dem Vorwort und den üblichen Danksagungen, natürlich – sofort mit ein paar Übersichtskarten. Das ist etwas, was ich in vielen Brauereiführern vermisse. Wie oft passiert es mir, dass ich auf Durchreise bin und gerne schnell mal wissen wollen würde, was es in der Nähe so an interessanten Bierzielen zu entdecken gibt. Und was hilft mir dann eine alphabetische Liste von Brauereien, wo Ammerndorf und Zirndorf, obwohl mit je einer Brauerei direkt nebeneinander liegend, möglicherweise hundertfünzig Seiten voneinander entfernt beschrieben werden? Oder eine nach Postleitzahlen sortierte Adressliste, die am Rand eines Postleitgebiets eine Brauerei jenseits der Zustellgrenze in einem ganz anderen Kapitel verortet, obwohl sie vielleicht nur anderthalb oder zwei Kilometer entfernt liegt?
Nein, Karten sind in diesem Fall das Beste. Sie brauchen ja nicht detailliert zu sein – die Suche vor Ort bleibt dem Bierreisenden am Ende doch nicht erspart, denn für die sonst erforderliche Detailtiefe bräuchte man einen Atlas von mehreren Kilogramm Gewicht. Klare und übersichtlich gestaltete, auf das Notwendigste reduzierte Karten also – Boris Braun, der Autor macht es genau richtig.
Wo bin ich? In Höchstadt? Da gibt es genau zwei Brauereien, nämlich die Nummern 58 und 59. Links neben der Karte ist die Liste und gibt mir die Namen dazu (Blauer Löwe und Brauhaus Höchstadt in diesem Fall), und unmittelbar nach den Übersichtskarten kommen die Brauereien nach ihren Nummern geordnet. Jede Brauerei mit einer Seite, auf dieser links oben deutlich und sofort mit einem Blick erfassbar ihre Nummer (und sicherheitshalber am unteren Rand jeweils außen auch noch einmal). Sehr leserfreundlich. Bis hierhin vorbildlich.
Und die Brauereiseiten selbst? Ebenfalls sehr übersichtlich und leserfreundlich. Oben der Name der Brauerei nebst Adresse, Telefon- und Faxnummern (je, es gibt Menschen, die selbst heute noch nicht nur Faxen machen, sondern auch faxen), eMail-Adresse und URL der Website (letzteres insofern bemerkenswert, als wir von den Jahren 2003 und 2004 sprechen, also einer Zeit, in der ISDN als das Maß aller Dinge galt und vom Internet noch nicht einmal als Neuland die Rede war…).
Darunter mittig ein Bild. Von außen, von oben, von innen. Je nachdem. Links daneben Informationen zum Bier: Welche Sorten werden gebraut, wieviel insgesamt, welches ist die Hauptsorte, in welcher Region gibt es das Bier, welche Feste richtet die Brauerei aus, wie kommt man hin? Rechts neben dem Bild die Gastronomie: Gibt es eine Brauereigaststätte? Oder wo bekommt man das Bier im Ausschank? Gibt’s da auch was zu essen, wann ist geöffnet und wie viele Plätze gibt es?
Reduktion auf das Wesentliche, auf die Informationen, die der Bierreisende benötigt, wenn er in Franken unterwegs ist und nicht verdursten möchte. Zusätzlich – und hier zeigt sich, dass der Autor wirklich im Sinne des Lesers gedacht und seine Seiten gestaltet hat – noch einmal rechts oben auf jeder Seite ein kleiner Ausschnitt der Übersichtskarte. Rundum stimmig und durchdacht.
Tja, und das war’s auch schon. Kein für einen solchen Atlas unnötiger Rückblick auf die Urgeschichte des Biers von Mesopotamien bis heute, die man sonst leider immer findet und die meistens den Eindruck erweckt, als habe der Autor es nötig, noch ein paar Seiten zu füllen. Auch keine längliche Diskussion über Sinn und Unsinn des sogenannten „Reinheitsgebots“. Einfach nur Infos zu den Brauereien. Das, was man braucht.
Sehr schön! Selbst die fünfzehn Jahre alten Bände helfen mir heute immer noch bei der Planung meiner Ausflüge – einzig, dass ich gelegentlich mal verifizieren muss, ob es die beschriebene Brauerei noch gibt. Wer mag, kann also gerne einmal in den Antiquariaten oder im Internet nach diesen beiden Büchern forschen – sie sollten gebraucht nicht mehr als fünf Euro kosten.
Mittlerweile gibt es übrigens auch eine App dazu: Brauns Brauerei Atlas, für Android und Apple.
Boris Braun
Brauns Brauerei Atlas
Band 1: Mitelfranken und südliches Oberfranken
Band 2: Unterfranken und nördliches Oberfranken
Fachverlag Hans Carl GmbH
Nürnberg, 2003 / 2004
ISBN 3-418-00395-8
ISBN 3-418-00399-0
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