Trotz aller Horrorgeschichten klappt das Bahnfahren doch meistens ganz gut. Man lässt sich beim Buchen Züge reservieren, die genügend Zeit zum Umsteigen lassen, so dass auch mal eine kleine Verspätung von wenigen Minuten abgepuffert werden kann, und schon geht das eigentlich meistens reibungslos.
Manchmal aber eben auch nicht. Ich komme mit dem Fernzug aus Prag in München an und lese an der Anzeigetafel unter dem Anschlusszug: „Zug fällt aus“. Im Reisezentrum bekomme ich die zusätzliche Auskunft, dass der nächste Zug mindestens eine Stunde Verspätung hat, weil in einem der vor mir liegenden Bahnhöfe nach einem Unfall mit Personenschaden ein großer Polizeieinsatz stattfindet. Das ist dann allerdings ärgerlich – wenn auch nicht der Bahn vorzuwerfen. Die kann es sicherlich nicht verhindern, wenn sich Menschen absichtlich oder unabsichtlich vor einen Zug werfen.
Was tun mit der Zeit? Die in fußläufiger Entfernung zum Bahnhof liegende Brauerei Schiller Bräu ist leider sonntags geschlossen, bleibt also eigentlich nur, ein klassisches bayerisches Wirtshaus aufzusuchen und zu hoffen, dass es dort gutes Bier gibt.
Für gutes Bier ist die Brauerei Aying eigentlich immer ein guter Garant, und so gehe ich gerade einmal auf die andere Straßenseite der Arnulfstraße, die parallel zu den Geleisen am Bahnhof entlangläuft und stehe vor dem Wirtshaus Rechthaler Hof, das die Ayinger Biere im Angebot hat. Von außen noch ein wenig unauffällig (an einer Straße wie der Arnulfstraße muss man schon mit riesigen Leuchtreklamen auf sich aufmerksam machen, um nicht übersehen zu werden), entpuppt es sich im Inneren als Hort krachlederner Gemütlichkeit.
Der junge Kellner kommt sofort auf mich zu, drückt mir die Karte in die Hand und entschuldigt sich kurz, er müsse noch eben schnell am vollbesetzten Nachbartisch abkassieren, die Herrschaften hätten es eilig und müssten zum Zug.
Dann geht aber alles rasch und problemlos. Wenige Augenblicke nach meiner Bestellung steht das Ayinger Kellerbier vor mir. Leicht orangefarben, gleichmäßig trüb und mit einem feinen, kremigen Schaum sieht es im klassischen Glaskrug sehr appetitlich aus. Mild und leicht süßlich, mit nur einem Hauch Hopfenherbe ist es sehr süffig, und viel zu schnell ist der Krug bereits alle – noch bevor meine Brotzeitplatte kommt.
Das Schöne am Bahnfahren ist, dass ich nicht auf irgendwelche Promillegrenzen achten muss, und so gönne ich mir zur deftigen Brotzeit, die mit Käse, Wurst und Braten reichlich daherkommt, ein Ayinger Altbairisch Dunkel. Eine kräftige, dunkelbraune Farbe, klar gefiltert, der Schaum vielleicht ein bisschen grobporig. Aber es schmeckt vorzüglich. Dezente Röstaromen, viel Malz, wenig Bittere. Passt ganz vorzüglich zu Fleisch und Wurst und dem würzigen Brot.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist noch reichlich Zeit, und die Bahn-App bestätigt es mir: Die Strecke ist noch nicht wieder freigegeben. Es ist also noch Zeit für ein Bier als Nachtisch. Ein Ayinger Weißbier. 5,1%. Eine schöne, gelbe Farbe, eine gleichmäßige Trübung, reichlich kremiger Schaum. Wunderbar gezapft. Ein fruchtiges Aroma und ein vollmundiger Trunk machen dieses Weißbier schon zu etwas Leckerem, das muss selbst ich zugeben, der ich diesen Bierstil ja eigentlich nicht so sehr gerne mag.
Bevor ich wieder zurück zum Bahnhof laufe, sehe ich mich noch einmal um. Die Einrichtung ist gemütlich, recht rustikal und im klassischen oberbayerischen Stil. Eigentlich genau das, was man sich als Tourist, der gerade erst angekommen ist, wünschen würde, um sich auf die Region einzustimmen. Der Service ist freundlich, ohne sich anzubiedern, sehr aufmerksam und recht schnell. Das Essen heute ist ganz vorzüglich gewesen, und alle drei Biere, die ich gerade getrunken habe, haben nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil.
Eine durchaus empfehlenswerte Adresse also, um gut gepflegtes Bier in passender Atmosphäre zu trinken und ein wenig Wartezeit zu überbrücken. Nichts für den Liebhaber von Kreativbieren, aber eine sehr solide Empfehlung für den, der die klassisch-bayerischen Bierstile goutiert.
Das Wirtshaus Rechthaler Hof ist täglich von 10:30 Uhr bis Mitternacht durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Die Lage ist für Bahnreisende ideal – man nimmt den Nordausgang des Bahnhofs und überquert lediglich die breite Straße am Fußgängerüberweg.
Wirtshaus Rechthaler Hof
Arnulfstraße 10
80 335 München
Bayern
Deutschland
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