„War das jetzt eine Brauerei, oder war das ein Brauereimuseum?“, frage ich mich unwillkürlich, als ich am 15. November 2009 schließlich wieder auf dem Walplein in der Altstadt von Brügge stehe. So viel habe ich in der letzten Stunde gesehen, ein Parforceritt durch das vergangene Jahrhundert, mit alten, seit Jahrzehnten nicht mehr benutzten, ja noch nicht einmal bewegten oder auch nur berührten Brauutensilien, unter dicken Staubschichten begrabenen Flaschen, Kisten und Fässern, Reklameschildern, Kupfergerätschaften, Säcken, Dosen, Gläsern, Keramikverschlüssen, Malzmühlen, Flaschenfüllern, Kompressoren, Verschneidböcken, und, und, und…
Von vielen, vielen Brauereien, die es noch vor hundert Jahren in der Altstadt von Brügge gegeben hat, ist nur noch eine übrig geblieben, der Halve Maan. Und hier versteht man sich als die natürlichen Bewahrer des städtischen Brauerei-Erbes. Wenn auch die Lage am Walplein, nur durch winzige Kopfsteingässchen erreichbar, einen kommerziellen Braubetrieb ungeheuer erschwert, wenn auch die Lagerung, Abfüllung und Konfektionierung aufgrund Platzmangels woanders stattfinden muss, und wenn auch jede noch so kleine bauliche Änderung mit dem Denkmalschutz abgestimmt werden muss, denkt man nicht darüber nach, den Braubetrieb in eine effizienter nutzbare Liegenschaft zu verlegen, sondern bekennt sich zu seiner historischen Verantwortung.
In einem mittelgroßen Sudwerk aus den sechziger Jahren wird hier gebraut – und sowohl Braukessel als auch Läuterbottich haben jeweils ein großes Sichtfenster an der Seite, das den Einblick in das Braugeschehen ermöglicht. Whirlpool und Plattenkühler stehen daneben, und außerhalb des Sudhauses stehen zwei zylindrokonische Fermenter für die Hauptgärung. Über eine mehr als sechzig Meter lange Rohrleitung wird der Treber bis an die Straße gepumpt, wo er von einem Landwirt der Region gerne als Tierfutter abgenommen wird.
Drei Biere werden hier regelmäßig gebraut: Brugse Zot blond und dubbel (beide nur in der Brauerei selber in der ungefilterten Version erhältlich) und das berühmte Brügger Bier Straffe Hendrik. Daneben gelegentlich ein Saisonbier – zur Zeit unseres Besuchs ein Bockbier: Brugse Bok.
Über, neben und hinter dem Sudhaus erstreckt sich ein Labyrinth von Treppen und Gängen, die zu kleinen und großen Räumen führen. Überall stehen Braugerätschaften, die von den aufgelassenen Brauereien der Region eingesammelt wurden und hier wie in einem Museum präsentiert werden. Die alte Malzdarre mit Lochboden ist genauso noch erhalten wie das kupferne Kühlschiff unter dem Dach, und wenn man bis oben auf die Plattform auf dem Sudhaus steigt, hat man nach all diesen Eindrücken auch noch einen fantastischen Blick über die Brügger Altstadt. Garniert wurde der Rundgang durch eine humorige und kurzweilige, gleichwohl sehr fachkompetente Führung in drei Sprachen, niederländisch, französisch und englisch, und abgerundet durch das obligatorische Verkostungsbier am Ende.
Letzteres gab es im Brauerei-Ausschank, einem urgemütlichen Lokal im gleichen Gebäudekomplex. Hier werden nicht nur die Biere des Halve Maan ausgeschenkt, sondern auch traditionelle und moderne belgische Gerichte serviert. Das Ganze in einem ansprechenden Ambiente, das ebenso wie das Sudhaus ein umfangreiches Sammelsurium an Breweriana präsentiert.
Ein Brauereibesuch, der sicherlich auch eine etwas weitere Anreise rechtfertigt.
Nachtrag 30. Juni 2013: … und eben eine solche weitere Anreise fand heute auch statt. An der Brauerei und dem Brauereiausschank hat sich – zum Glück – fast nichts geändert. Aber das Bierportfolio hat sich weiter entwickelt. Mittlerweile werden unter der Marke Straffe Hendrik sowohl ein sehr leckeres Tripel als auch ein – mich persönlich überwältigendes! – Quadrupel hergestellt. Aufgrund des hohen Alkoholgehaltes vielleicht nicht ganz das richtige Bier für einen heißen Sommertag in der Mittagszeit, aber dennoch geschmacklich ein Erlebnis. Insbesondere das Quadrupel so hervorragend, dass ich mir den Rucksack mit so vielen 0,75-l-Flaschen füllte, wie nur hineinpassten.
Die Huisbrouwerij De Halve Maan ist täglich mit Führungen in englisch, französisch und niederländisch von 10:00bis 16:00 Uhr geöffnet; durch die Lage mitten in der Altstadt empfiehlt es sich, ganz einfach zu Fuß zu kommen.
Huisbrouwerij De Halve Maan
Walplein 26
8000 Brugge
Belgien
Be the first to comment