Eine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate? Die Erwartungshaltung ist recht konkret: Für die Dauer der Reise muss ich dem Biervergnügen entsagen. Auch wenn die Emirate den muslimischen Glauben sehr tolerant auslegen, so gibt es doch zwei Dinge, die hier für Muslime strikt verboten sind: Alkohol und Schweinefleisch. Kein Bauchspeck zum Frühstücks-Rührei, also, und auch kein feines Feierabendbier, um einen langen und abwechslungsreichen Tag langsam ausklingen zu lassen.
Nun gut, wer es darauf anlegt, wird zwar in den Bars der großen Hotels überall für viel Geld ein Bier bekommen, aber die Auswahl ist beschränkt und wird dominiert von Heineken, Fosters, Stella, Budweiser und Tiger – Bieren, die sich außer im Design der Dosen kaum voneinander unterscheiden.
Nun gut, es ist, wie es ist, und ein paar abstinente Tage haben noch nie geschadet.
So ist es denn auch mehr die Langeweile während des Transfers vom Flughafen zum Hotel, die mich auf meinem schlauen Telefon die „Bierszene“ Dubai erkunden lässt. „Gutes Bier in Dubai“ gebe ich als Suchbegriff ein; mal sehen, was Onkel Google dazu zu sagen hat.
Deutlich mehr als erwartet, stelle ich überrascht fest. Zwar sind gefühlt 99% aller Suchergebnisse Hinweise auf Heineken in Dosen für umgerechnet 10,- EUR in irgendwelchen Hotelbars (da muss Google aber noch erheblich an seiner Künstlichen Intelligenz arbeiten – Heineken in der Dose mit gutem Bier in Zusammenhang zu bringen, ist genau die Antwort, derer es bedarf, um als Maschine beim Turing-Test krachend durchzufallen), aber das letzte eine Prozent erwähnt ein paar belgische Biercafés. Zwar ebenfalls als Hotelbars, aber immerhin.
Eines davon befindet sich sogar in verhältnismäßiger Nähe zu unserem Hotel – das Belgian Beer Café Grand Millennium, im Hotel Grand Millennium Dubai auf den Barsha Heights.
Im Hotel eingecheckt ist schnell, und während der Page das Gepäck auf das Zimmer bringt, winken wir schon einem Taxi, das gerade vor der Hoteleinfahrt vorbeirollt. Fünf Minuten später sind wir am Grand Millennium Hotel.
Von außen kein Hinweis auf das Café, lediglich im Inneren des Hotels, auf den kleinen Wegweisern, sehen wir dezente Hinweise auf das BBC, das Belgian Beer Café. Erst unmittelbar vor dem Eingang sehen wir ein richtiges Wirtshausschild – hier sind wir richtig.
Uns empfängt ein Schankraum, der tatsächlich an ein klassisches belgisches Biercafé erinnert. Dunkle Möbel, etwas verraucht (ja, hier darf man in der Tat noch rauchen – zwar nicht überall, aber der Tabakqualm zieht in alle Ecken…), die ganze Einrichtung ein wenig vom Art Nouveau inspiriert, dem Jugendstil. Als gewaltiger Stilbruch (und uns ein echter Dorn im Auge) hängen an allen Wänden riesige Flachbildschirme und zeigen Nachrichten und Sport. Zum Glück ohne Ton, aber auch so sind sie nervig mit ihrem grellbunten Geflacker.
Der Gipfel ist ja, dass von den Gästen kein einziger auf die Bildschirme schaut. Dass die Bildschirme vielleicht mal bei einem Champions-League-Spiel zum Einsatz kommen, kann ich ja noch verstehen, aber dass sie ständig vor sich hinflackern und die eigentlich schöne Atmosphäre völlig kaputt machen – das begreife ich nicht.
Wir haben gerade erst Platz genommen, als ein freundlicher Kellner schon auf uns zugeschossen kommt und die Bierkarte vor uns platziert. Sie enthält keine großen Überraschungen. Biere aus den großen, belgischen Industriebrauereien, die zum Teil zum ABInBev-Konzern gehören, vorneweg: Hoegaarden und Leffe. Von den Trappistenbieren ist das Chimay auf der Liste, und zwar mit allen drei Etikettenfarben: Weiß, rot und blau. Es folgen noch einige der üblichen Verdächtigen: Kwak, Duvel, La Chouffe, Delirium Tremens, Kasteel. Alles schon einmal getrunken, aber immerhin: Ein deutlicher Qualitätssprung gegenüber den überspundeten und geschmacksarmen Lagern aus den Bierdosen der Welt (obwohl es Stella Artois ebenfalls auf die Bierkarte geschafft hat).
Wir ordern ein Hoegaarden Wit gegen den ersten Durst – ungeachtet seiner industriellen Herkunft ist es ein durchaus beachtenswertes, erfrischendes und mit seinen leichten Koriander- und Orangenschalennoten auch interessantes Weizenbier.
Die Speisekarte bietet typisch belgische Küche. Dicke, ganz grob geschnittene Fritten, gerne mit Käse überbacken oder mit einem Riesenklecks dicker Mayonnaise. Aber auch Muscheln, Spargel, gefüllte Käsekroketten oder, jetzt weniger belgisch, sondern eher international, dicke Burger. Alles aber immer mit Fritten. Dicken Fritten. Viel Fritten. Fettigen Fritten.
Solche Gerichte gehen nur mit gutem Bier, Hand in Hand müssen sich Essen und Bier ergänzen, und so setzen wir mit einem Leffe Bruin fort, das war ein wenig zuckrig schmeckt, aber durchaus noch ausbalanciert, und schließen den Abend mit einem Chimay Bleue ab, dem dunkelbraunen, 9,0% starken Trappistenbier, dessen Flaschen, egal ob als 0,33er Stubbi mit Kronkorken oder als Luxusversion Grand Réserve in der 0,75er Flasche mit Naturkorken und Drahtkorb, immer sorgfältig mit dem Herstellungsjahr beschriftet sind. Wert auf längere Lagerung dieser Spezialität wird in diesem Biercafé nicht gelegt, insofern bekommen wir das Chimay Bleue frisch, also den Jahrgang 2018. Dem Genuss tut das keinen Abbruch – dieses Bier ist auch frisch abgefüllt immer schon ein herrliches Geschmackserlebnis.
Der freundliche Kellner erweist sich den ganzen Abend lang als außerordentlich aufmerksam. Ein kleiner Wink genügt, sofort ist er da und nimmt unsere Wünsche auf. Die Biere sind durchweg gut gepflegt, wenn auch die Auswahl nicht wirklich originell ist. Einzig das Essen könnte ein bisschen weniger fett sein – heute Abend war es manchmal zu viel des Guten. Der klassische Ansatz, mit fettem Essen eine hervorragende Grundlage für einen gewaltigen Bierkonsum zu legen, geht hier in Dubai schließlich ins Leere – mehr als ein paar kleine Biere sollte man in einem muslimisch geprägten Land nicht trinken. Und zwar nicht nur wegen der exorbitant hohen Preise, sondern einfach deswegen, weil es sich nicht gehört, in einer abstinenten Gesellschaft alkoholisiert aufzufallen.
In der Summe erweist sich das Belgian Beer Café Grand Millennium als eine gute Adresse, um gute und geschmackvolle Biere zu genießen. Das aus aller Herren Länder stammende Publikum ist bunt über alle Altersgruppen und beide Geschlechter hinweg gemischt; bei der einen oder anderen Dame im Raum bleibt allerdings die Frage offen, ob sie wirklich wegen des Biers und der belgischen Küche hier ist, oder doch nicht eher, um sich an einem notgeilen Geschäftsmann etwas hinzuzuverdienen.
Überraschend: Trotz Alkohollizenz sind Kinder hier kein Tabu; im Gegenteil, es gibt sogar extra Kindersitze. Da scheint man sich doch fast als Familienrestaurant zu verstehen.
Das Belgian Beer Café Grand Millennium befindet sich im Erdgeschoss des Hotel Grand Millennium Dubai auf den Barsha Heights. Zu erreichen ist es typischerweise mit dem Taxi (Taxifahren in Dubai ist spottbillig), gerne aber auch mit der Metro, rote Linie, Haltestelle Dubai Internet City. Von dort aus sind es etwa fünf bis sieben Minuten bis zum Hoteleingang.
Belgian Beer Café Grand Millennium
Sheikh Zayed Road Exit 36
Al Barsha South
Dubai 212422
Vereinigte Arabische Emirate
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