Bier – Was Sie als nächstes trinken sollten – Ein Führer durch die Bierstile. Der Titel des Buchs von Michael Larson, das ich in seiner tschechischen Übersetzung (Pivo – Co si dát k pití příště – Průvodce pivními styly) vor mir liegen habe, klingt zunächst nicht sehr originell.
Wie viele Bierführer habe ich in meinem Leben schon gelesen? Viele Dutzend, und meistens waren es Bücher, in denen endlose Listen von Bieren aufgeführt waren. Bilder von Bieren, ihre Namen und „technischen Daten“, und entweder waren zahlreiche Biere enthalten, die es nur irgendwo am anderen Ende der Welt zu kaufen gibt, und dort meistens dann auch nicht mehr, weil es Eintagsfliegen, Saisonbiere oder Sondersude waren, oder es handelte sich um die großen Marken der Welt, die man dann zwar problemlos im gutsortierten Getränkehandel bekommen oder bestellen kann, die aber nichts Besonderes darstellten: Um mir ein Corona aus Mexiko oder ein Kingfisher aus Indien schmackhaft machen zu lassen, dazu brauche ich kein spezielles Buch, keinen Bierführer.
Michael Larson verfolgt aber einen etwas anderen, durchaus witzigen Ansatz. Er stellt die Bierstile der Welt vor, sortiert nach den Regionen, in denen sie entstanden sind oder sich erfolgreich durchgesetzt haben. Und er nutzt dazu eine standardisierte Darstellung im Stil des Bohrschen Atommodells.
Nehmen wir als Beispiel das Kölsch:
Wie alle anderen Stile hat es eine Doppelseite, und wir finden es im Abschnitt über kontinentaleuropäisches Ale. Auf der linken Seite haben wir ein kleines Kästchen mit den wichtigsten Parametern, also typisches Herkunftsland (Deutschland), Farbe (2,5 bis 5 SRM), Alkoholgehalt (4,4 bis 5,2%vol), Bittereinheiten (20 bis 30) und die empfohlene Glasform zum Servieren (hier natürlich die schmale Stange).
Unter dem Kästchen ist Platz für ein Foto, dass den jeweiligen Bierstil in seinem passenden Glas zeigt.
Ein kleiner Fließtext erzählt ein wenig rund um diesen Bierstil, beispielsweise, dass er aus Köln kommt, dass es sich um einen hybriden Stil handelt, der viele Eigenschaften eines Lagerbiers im obergärigen Bier widerspiegelt und dass es sich beim Kölsch um einen durchaus neuzeitlichen Bierstil handelt, der erst nach dem Ersten Weltkrieg genauer definiert und erfolgreich im Markt platziert wurde.
Wie bei allen anderen Stilbeschreibungen auch folgt eine Empfehlung, welche drei Biere verkostet werden sollten. Hier zeigt Larson eine gewisse Schwäche, denn mit Reissdorf, Sünner und Gaffel listet er drei eher im geschmacklichen Mainstream angeordnete Kölsch-Marken auf. Jeder Kenner der Szene würde zumindest Päffgen und Malzmühle unter die drei geschmacklich wichtigsten, wenn schon nicht wirtschaftlich bedeutendsten Kölsch-Marken einordnen, und erst die dritte Position könnte von einer der drei von Larson benannten Marken besetzt werden. Aber sei’s drum…
Spannender, weil origineller, wird die rechte Hälfte der Doppelseite. Hier finden wir eine Art Atommodell. Der Atomkern ist mit einem Kürzel markiert (hier Kol für Kölsch), und drei Schalen oder Orbits sind mit kleinen Elektronen gefüllt, von denen jedes ein paar zusätzliche Informationen liefert. Die innerste Schale enthält in unserem Beispiel fünf Elektronen (Bohr wäre allerdings mit dieser Anzahl nicht einverstanden gewesen…) und informiert uns über die Kölsch-Konvention, die Rolle des Köbes, die Tatsache, dass das Bier aus vorwiegend Pilsner Malz gebraut wird, dass es sich um das einzige richtige deutsche Pale Ale handelt, das ausschließlich aus Gerstenmalz gebraut wird, und schließlich, dass der Name Kölsch vom Namen der Stadt Köln abgeleitet worden ist.
Bei genauerem Hinsehen wird aber hier schon deutlich, dass Larson nicht sauber recherchiert hat. Natürlich lässt die Kölsch-Konvention auch Weizenmalz zu, auch wenn die großen, kommerziellen Marken diese Freiheit derzeit nicht nutzen. Und auch der Köbes ist nichts anderes als die lokale Bezeichnung für einen Kellner in einem Kölsch-Brauhaus, wohingegen Larson behauptet, Kölsch werde in einem Restaurant namens „Zum Köbes“ gezapft, dessen Kellner eine bestimmte Uniform trügen. Nun ja…
Die zweite Elektronenschale trägt sechs Elektronen, jedes weist auf eine Brauerei hin, die Kölsch produziert. Reissdorf, Sünner und Gaffel werden erwähnt, also die drei Kölsch-Marken, die auf der linken Seite schon empfohlen wurden, aber werden auch Goose Island, The Boston Beer Company und Metropolitan Brewing genannt, die ebenfalls „Kölsch“ genannte Biere eingebraut haben.
Die äußerste Schale schließlich trägt fünf Elektronen, von denen jedes für eine stiltypische Aromakomponente steht. In unserem Falle finden wir: Fruchtig, biskuitartig, sauber, ausgewogen und erfrischend.
Rechts unten folgt nun noch ein kleines Kästchen mit Empfehlungen, zu welchen Speisen der Bierstil am besten passt, in unserem Fall angeblich zu Salaten, zu leichten Gerichten mit Schweinefleisch und zu Eiern.
Die Art und Weise der Darstellung ist wirklich originell, die Begeisterung erlahmt allerdings nach einiger Zeit, weil die Informationen in den Elektronenschalen konzentriert erlesen werden müssen und nicht mit einem Blick zu erfassen sind. Und was ebenfalls missfällt, sind die kleinen Unrichtigkeiten, wie ich sie am Beispiel Kölsch bereits erwähnt habe. Oder Unstimmigkeiten, etwa wenn das Atommodell im Falle des Champagnerbiers (Bière Brut) davon spricht, dass man diesen Bierstil vorwiegend in Belgien und Frankreich vorfindet, dann aber nur belgische, dänische und US-amerikanische Brauereien nennt.
Auch bei Doppelbock leistet Larson sich ein paar kleiner Ungenauigkeiten. Die typische Endung von Doppelbockbieren, „-ator“, wird bei ihm zu „-tor“ verkürzt (warum auch immer), und die Behauptung, das die Paulaner Brauerei ihren Salvator im mit 23 m tiefsten Bierkeller der Welt reifen lässt, stimmt auch nicht, denn noch tiefere Bierkeller findet man beispielsweise bei der Vulkan-Brauerei in Mendig in der Eifel.
Sei’s drum, es ist trotzdem ein nettes Buch, und auch wenn die Darstellung als Atommodell beispielsweise beim glutenfreien Bier etwas eingeschränkt werden musste (da es sich hier nicht um einen echten Bierstil mit typischen Aromakomponenten handelt, wurde die äußere Elektronenschale einfach weggelassen), ist es doch eine originelle und ansprechende Idee.
Michael Larson
Pivo – Co si dát k pití příště – Průvodce pivními styly
Volvox Globator
Praha, 2015
ISBN 978-80-7511-191-3
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