Oud Beersel
Beersel
BEL

Reklame?*

„Im Jahr 2002 wurde die Brauerei geschlossen, und eine uralte Tradition des Bierbrauens ging zu Ende“, erzählt Gert Christiaens mit traurigem Blick. „Seit 1882 hat die Familie Vandervelden in drei Generation hier gebraut, erst Henri, dann sein Sohn Louis, und schließlich dessen Sohn Henri. 1991 übernahm dann der Neffe, Danny Draps, die Brauerei, musste aber 2002 aus finanziellen Gründen schließen. Aus und vorbei.“

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der Eingang zum alten Bierkeller

Wir stehen in der Brouwerij Oud Beersel im kleinen Dörfchen Beersel, ein Dutzend Kilometer südlich von Brüssel. Hier in der Region entstehen die wunderbaren Lambik und Geuze Biere, also Biere, bei denen die Bierwürze spontan vergoren wird. Keine Reinzuchthefe wird verwendet, keine sterilen Lagertanks, sondern die Würze wird der Umgebungsluft ausgesetzt und Mikroorganismen, die sich dort befinden, beginnen eine Spontangärung, die in Holzfässern monate- bis jahrelang fortgesetzt wird. Als Resultat erhält man ein vollkommen kohlensäurefreies, völlig ausgegorenes und daher knochentrockenes Bier namens Lambik, und wenn man dieses mit relativ jungem, noch nicht ausgegorenem Bier verschneidet und damit einen zweiten Gärungsprozess in Gang setzt, erhält man eine spritzige, leicht säuerliche Geuze.

Das Grundprinzip ist in allen Lambik-Brauereien der Region gleich, und doch schmeckt das entstandene Bier überall ein bisschen anders.

Während Gert davon erzählt, dass die Brauerei vor 17 Jahren geschlossen worden ist, schenkt neben ihm ein Helfer aus eine Glaskanne frisches Lambik ein. Wie Apfelsaft sieht es aus. Völlig schaumfrei und orangegolden leuchtend steht es im Becher.

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es sieht aus, wie Apfelsaft, ist aber Bier

Ist dieses Lambik nun 17 Jahre alt? „Nein, natürlich nicht“, lacht Gert. Anfang 2003 hatte Gert in einer Bar in Brüssel gesessen und vom Barmann gehört, dass das, was er gerade tränke, eine der letzten Flaschen von Oud Beersel sei, die Brauerei hätte die Produktion eingestellt. „Ich war aber schon als kleiner Junge mit dem Lambik aus dieser Brauerei aufgewachsen – da brach für mich fast eine Welt zusammen.“ Gert nahm Kontakt mit dem alten Eigentümer auf und erfuhr, dass nach vielen Jahrzehnten ohne Investitionen in das Sudwerk ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr machbar sei. Brauerei, Fässer, Flaschen – alles stand zum Verkauf.

Gerts Liebe zum Lambik aus Beersel war so groß, dass er sich entschloss, zusammen mit Roland de Bus die alte Brauerei zu übernehmen und die Bierproduktion neu zu starten. Im Fall von Oud Beersel war das aus zwei Gründen aber leichter gesagt als getan.

Zum einen erfordert die Herstellung sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Schnell ist es passiert, dass die Würze während des jahrelangen Herstellungsprozesses zu sehr mit Luft in Berührung kommt. Dann nisten sich aerobe Essigsäurebakterien ein und verleihen dem Bier eine scharfe Säure. Es wird nicht untrinkbar – viele der modernen Sauerbiere haben eine solch kräftige Säure – aber es entspräche nicht mehr dem alten, originalen Stil. Ein wirkliches Lambik wäre das nicht mehr. Mit viel Sorgfalt lässt sich dies zwar vermeiden, und wenn wirklich einmal ein einzelnes Fass „umkippen“ und viel zu sauer werden sollte, ließe es sich entsorgen – hier würde ein gutes Qualitätsmanagement sich sicherlich auswirken können.

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Sorgfalt und jahrelange Reifung sind das Geheimnis des guten Lambiks

Aber es war noch ein zweites Problem zu lösen, und das erwies sich zunächst als noch viel schwieriger: Würde Gert die Lambik-Produktion wieder aufnehmen, dann würde es ganze drei Jahre dauern, bis die ersten Biere aus dieser Produktion auf den Markt kommen könnten. Drei Jahre, in denen die Brauerei neben der Anschaffung auch hohe Betriebskosten verursacht, ohne dass auch nur ein einziger Cent wieder zurückfließt. Einen so langen Atem hat kein Investor, und Gerts eigenen finanziellen Mittel waren nicht ausreichend, eine so lange Anfangsphase zu überstehen.

Die Lösung lag in einer Anpassung des Produktportfolios, und so kam die alte Brouwerij Oud Beersel relativ rasch nach ihrer Übernahme und Wiederinbetriebnahme in 2005 mit einem Tripel auf den Markt, dem Bersalis. Mit über neun Prozent Alkohol ist auch dies kein Bier, das man heute braut und morgen auf den Markt bringt, aber es benötigt keine drei Jahre, bis es vermarktungsreif ist. Es erwies sich als so erfolgreich, dass die Verkäufe des Biers ausreichten, den Neustart der Brauerei wirtschaftlich zu gestalten, und einige Zeit später kamen die ersten Lambiks aus der neuen Produktion auf den Markt.

Wir lauschen Gerts Erzählungen gespannt und verkosten das Lambik in winzigen Schlucken. Es schmeckt vorzüglich, und wie bei allen Lambiks steht im Vordergrund, dass es über keinerlei Restsüße mehr verfügt. Knochentrocken ist es, und wäre seine Säure nicht so mild und weich, könnte es rasch untrinkbar werden. So aber ist es ein sauber balancierter, sehr ausgeglichener Genuss.

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Erinnerungen an längst vergangene Zeiten

Wir erklimmen ein paar Stufen, kommen an zahlreichen schon historischen Gerätschaften, verstaubten Flaschen, alten Plattenfiltern und dergleichen Dingen mehr vorbei. Alte und neue Tanks stehen herum, in denen die Inhalte der verschiedenen Holzfässer gemischt, geblendet werden, um ein möglichst ausgewogenes Endprodukt zu erhalten. Schließlich stehen wir unter dem Dach, zwischen endlosen Reihen von Holzfässern. Teilweise sind sie uralt, und wir haben das Gefühl, dass die rostigen alten Bänder die Dauben nur noch mit Mühe zusammenhalten können. Dazwischen stehen aber immer wieder auch ganz neue Fässer – ein Zeichen dafür, dass die Produktion erfolgreich läuft und Schritt für Schritt erweitert werden kann.

„Wir achten darauf, dass unsere Fässer nach Möglichkeit vorher mit anderen Getränken vorbelegt waren“, erzählt Gert, während er uns aus einem riesigen Fass vorsichtig eine kleine Probe des Bersalis Tripel zieht – auf dem Fass steht Oak Aged Batch IV. „Dadurch weist das Holz bereits eine Belegung mit Mikroorganismen auf, die unseren Bieren gut tun. Die Holzaromen sind nicht mehr so prägnant, sondern bilden sich eher dezent ab, es bleibt mehr Raum für die Komplexität des Biers.“

Wir testen den winzigen Schluck und sind begeistert. Rund zehn Prozent Alkohol dürfte das Bier haben, und im Zuge des Reifungsprozess kommt vielleicht noch ein wenig mehr dazu.

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Bersalis Tripel Oak Aged Batch IV

Belgische Lambik-Brauer denken nicht in Jahren oder Jahrzehnten, sondern in Generationen. Wie zum Beweis dafür führt uns Gert hinter das Gebäude in den Kirschgarten, die Kriekerij. Hier hat er unlängst ‘zig Sauerkirschbäume, Krieken, anpflanzen lassen und plant, mit diesen Früchten dann auch ein Kriek mit komplett eigenen Zutaten herzustellen. Bis die Bäume das erste Mal genügend Früchte tragen, um dies zu ermöglichen, wird es noch Jahre dauern, aber die Freude auf diesen Moment ist Gert anzumerken.

Nach einem kleinen Spaziergang kommen wir um das Gebäude herum und stehen wieder vor dem Eingang. Die an diesem Wochenende stattfindende Tour de Geuze hat mittlerweile viele Besucher in die Brauerei geführt. Eine lange Schlange wartet am Eingang, um ebenfalls einmal zwischen den vielen Fässern umherwandeln zu können, und noch viel mehr Gäste tummeln sich am Ausschank und vor dem Grill, auf dem sich riesige Schinken im Feuer drehen.

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Lapsang Souchon infused Lambik

Vierzehn Jahre ist es her, dass Gert die Brauerei übernommen und damit gerettet hat. Mittlerweile hat sie sich am Markt fest etabliert. Ihre Lambiks und Geuze sind bekannt für die milde Säure, und ein bisschen auch dafür, dass Gert immer mal wieder mit neuen Geschmacksrichtungen experimentiert. Ein mit dem chinesischem Tee Lapsang Souchon versetztes Lambik, oder auch eines mit Haegbutte, Rose Hips. Uralte Braukunst trifft neuzeitliche Experimentierfreude, und heraus kommen spannende, ausgewogene Biere, die deutlich ansprechender sind, als es mancher eingefleischte Pilstrinker zugeben möchte. Zugegeben, die leichte Säure und der trockene Charakter sind gewöhnungsbedürftig, aber wer sich auf diese Aromen- und Geschmackserlebnisse vorurteilsfrei einlässt, dem eröffnen sich völlig neue Genussdimensionen.

Die Brouwerij Oud Beersel öffnet ihre Tore auch jenseits der Tour de Geuze für Besucher. Nach vorheriger Anmeldung – am besten über den Verein der Freunde dieser Brauerei VZW De Geuzen van Oud Beersel – oder zu den auf der Website angegebenen Zeiten können Führungen in Deutsch, Englisch, Französisch oder Niederländisch organisiert werden. Darüber hinaus plant Gert Christiaens, in Kürze direkt neben der Brauerei einen Ausschank zu eröffnen, der dann auch regelmäßige Öffnungszeiten aufweist. Zu erreichen ist die Brauerei mit den Zügen der Linien S5 und S7 von Brüssel, Haltestelle Beersel, und von dort noch etwa zehn Minuten zu Fuß.

Bilder

Oud Beersel
Laarheidestraat 230-232
1650 Beersel
Belgien

* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Berichte in meinem Blog als Reklame verstanden werden können. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag also entsprechend gekennzeichnet werden. Daher: Der Besuch in der Brouwerij Oud Beersel und die Führung durch den Eigentümer Gert Christiaens wurden mir ermöglicht und gesponsort von #VisitFlanders, der Touristenorganisation für Flandern und Brüssel. Ich sage für diese einzigartige Gelegenheit herzlichen Dank.

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