Brouwerij Boon
Lembeek
BEL

Reklame?*

Ein Volksfest innerhalb eines Volksfestes. Ein rekursives Bierevent also, gewissermaßen.

Jedes zweite Jahr, wenn das Pajottenland, die Region südlich der belgischen Hauptstadt Brüssel, zur Toer de Geuze lädt, während der (fast) alle Geuze-Brauereien und -Stekereien innerhalb von zwei Tagen besucht werden können, machen sich tausende von Liebhabern der belgischen Lambik- und Geuze-Biere auf, um möglichst viele dieser wunderbaren Spezialitäten verkosten zu können.

Stand früher die eher seltene Gelegenheit, einmal durch alle Brauereien schlendern und deren geheime Fassläger erkunden zu können, im Vordergrund, so ist mittlerweile zusätzlich auch Party angesagt. Ein Dutzend Busse fährt nach festem und strengem Fahrplan zwischen den Brauereien im Kreis, so dass die Lambik-Liebhaber die Möglichkeit bekommen, mehr als nur ein oder zwei Brauereien pro Tag zu schaffen und gleichzeitig auch wirklich die angebotenen Biere verkosten können, ohne Gefahr zu laufen, ihr Auto benutzen zu müssen.

Kein Wunder, dass die Brauerei-Besitzer dann auch die Möglichkeit nutzen, dem Umsatz zuliebe ein kleines kulinarisches Beiprogramm auf die Beine zu stellen – Bier zu verkosten, macht schließlich hungrig. Und wenn für die Kinder noch eine Hüpfburg aufgestellt wird, dann ist rasch die ganze Familie zufrieden.

Die Toer de Geuze – ein Volksfest der Region.

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Brouwerij Boon

Was Frank Boon in seiner Brauerei in Lembeek allerdings auf die Beine stellt, ist schon ein eigenes Volksfest für sich. Man merkt es schon, wenn der Bus in den kleinen Ort hineinfährt. Alle Stellplätze rund um die Brouwereij Boon sind belegt, und es treibt selbst den erfahrenen Buslenkern den Schweiß auf die Stirn, sich durch die verbliebenen Lücken zu zirkeln.

Menschenmassen strömen dann durch das Tor zur Brauerei, und rasch teilen sich die Besucherströme auf. Die an der Technik und Historie Interessierten betreten das Brauereigebäude, während die eher kulinarisch Fixierten direkt auf den zentralen Platz und in das große Festzelt laufen.

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass das Zeitfenster eigentlich für beides reichen müsste, und so beginne ich mit der Brauerei.

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das Sudhaus ist eher schmucklos

Das eigentlich eher schmucklose, rein auf Zweckmäßigkeit getrimmte Edelstahlsudwerk befindet sich in einem verglasten Anbau, so dass man auch von außen von der Straße aus auf die Pfannen und Bottiche sehen kann, und in der Halle daneben sehen wir stählerne Tanks, Verrohrungen und Abfüllanlagen. Beeindruckende Technik, wie man sie auch in vielen klassischen Brauereien findet.

Im ersten Moment überraschend, lebt doch die Lambik-Kultur und insbesondere auch die Qualität dieser mit Spontangärung hergestellten Biere davon, dass nach traditioneller Methode in Holzfässern gereift und ausgebaut wird, gemischt, geblendet und gelagert wird.

Aber genau diesen historischen Teil der Brauerei sehe ich, als ich noch ein paar Schritte weiter gehe. Die Edelstahlanlagen dienen lediglich ganz zu Anfang des Herstellungsprozesses zur Würzeproduktion; die Tanks ganz am Ende zur Abfüllung. Aber alle Schritte dazwischen finden in der Tat in klassischen Holzfässern statt.

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endlose Reihen riesiger Fässer

Und in welchem Maßstab! Noch größere Fässer, noch höhere Hallen, noch längere Gänge als ich bisher gesehen habe. Ein gewaltiges Gewirr. Viele sehr neu aussehende Fässer, dazwischen aber auch immer wieder uralte, die sich schon ein wenig verformt haben und vielleicht sogar nicht mehr ganz dicht sind. Was aber machen, wenn ein leckendes Fass ganz unten unter zahlreichen anderen steht und vielleicht sogar schon zum Bestandteil der Statik dieses Fässergebirges geworden ist? Niemand kommt mehr dran, um es zu reparieren. Alles abzubauen und das defekte Fass hervorzuholen, ist viel zu aufwändig. In typisch belgischer Lässigkeit wird also nur mit Kreide drangeschrieben „niet vullen“, und die Sache hat damit ihr Bewenden, das Problem ist gelöst.

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niet vullen

Am Ende eines der langen Gänge zwischen den Fässern bekomme ich eine Probe des absolut stillen Lambiks, wie es in den Fässern seit vielen, vielen Monaten reift. Völlig ohne Kohlensäure, mit einer leichten Säure und absolut durchgegoren – völlig ohne Restzucker und knochentrocken. Ein komplexes und immer wieder faszinierendes Geschmackserlebnis, das sensorisch so überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was wir sonst als Bier kennen.

Mit dem Becher noch in der Hand lausche ich den Erläuterungen von Karel Boon, dem Juniorchef der Brouwerij Boon. Er erzählt vom aufwändigen Herstellungsprozess und von der Kapitalbindung, die es neuen Lambikbrauern so schwer macht, sich am Markt zu etablieren. Wenn die ersten Biere gebraut sind, dauert es mindestens drei Jahre, bis sie auf den Markt kommen können, und wer hat heutzutage noch den langen Atem, diese Durststrecke zu Anfang durchzustehen? Kein Wunder, dass die meisten Lambikbrauereien auf eine lange und langsam gewachsene Tradition zurückblicken.

Aber er erzählt auch von den Qualitätsansprüchen und davon, dass es ab und an tatsächlich nötig ist, ein Fass in die Kanalisation zu entleeren. Bei allen Möglichkeiten, die unterschiedlichen Fässer, in denen sich das Bier über die Jahre auch jeweils individuell entwickelt, zu mischen, also zu blenden, gibt es immer wieder auch Geschmackskomponenten, die sich nicht integrieren lassen, und die langjährigen Kunden und Fans, die gefühlt „schon immer“ nur ihre Boon-Biere tränken (und dann meistens auch immer dieselbe Sorte), würden sofort Rückkopplung geben, wenn sich mal etwas geändert habe. Nicht immer sei dies negative Kritik, oft auch durchaus wohlwollend und anerkennend, aber es würde halt sofort auffallen, wenn sich irgendetwas am Produkt geändert habe.

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stilles und knochentrockenes Lambik

Es sei aber genau diese Herausforderung, im Wechselspiel mit der Natur und ihren immer wieder neuen Überraschungen, vor die sie den Brauer und Geuze-Steker während der Gärung und Reifung stellen würde, das Produkt zu perfektionieren.

Er lacht und weist nun zum Ausgang der großen Halle. „Jetzt ist es aber doch an der Zeit, die verschiedenen Lambiks und Geuzes aus unserer Produktion zu verkosten, oder? Genug der Theorie!“

Im großen Festzelt gibt es für wenig Geld die Standardbiere von Boon zu verkosten. Mich zieht es aber an den Rand des Zelts, zur Proeversbar, der Bar des Connaisseurs. Hier werden unterschiedliche, teils schon sehr alte Jahrgänge der einzelnen Biere parallel angeboten, zum Querverkosten. Auch sorgfältig zusammengestellte, ganz besondere Cuvées finden sich hier – als Megablend nach Jahrgängen sortiert: 2011, 2013, 2015 und 2017 stehen zur Auswahl.

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farbenfrohe Verkostung

„Jetzt müsste man einen ganzen Nachmittag Zeit haben und sich durch dieses Spezialangebot trinken – ganz egal, was es kostet“, denke ich mir, beschränke mich aus Zeitgründen aber auf eine kleine Stichprobe. Das Gueuze Marriage Parfait aus dem Jahr 2011 begeistert mich, weil es über die Jahre hinweg eine ganz weiche Säure entwickelt hat, die fast schon kremig wirkt, wie bei einem Balsamico-Essig in eine wunderbar komplexe Geschmacksmatrix eingebettet. Faszinierend.

Aber auch der Vergleich zwischen einem Kriek Marriage Parfait von 2015 und einem vom 2017 offenbart, wie sich ein Bier in nur zwei Jahren weiter entwickeln kann, wie es seine Schärfe verliert, runder, weicher, gefälliger wird, ohne zu glatt und zu charakterlos zu werden. Spannend.

Draußen vor dem Festzelt wird für teils sehr skurrile Unterhaltung gesorgt. Neben kulinarischen Köstlichkeiten und handwerklich hergestelltem Speiseeis unterhält ein Musiktheater die Gäste. Wer möchte, darf mit hölzernen Figuren ein Tänzchen wagen oder sich mit den Schauspielern auf’s Parkett wagen und selbst Teil der skurrilen Darbietung werden. Sehr belgisch, und nicht immer erschließen sich mir die Gags in Gänze.

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skurriles Musiktheater

Man kann sich hier im Hof der Brouwerij Boon den ganzen Tag aufhalten, ohne sich auch nur eine Minute zu langweilen. Noch viel gäbe es zu entdecken und vor allem noch so viele Bierspezialitäten zu verkosten… Als eine der größten Lambik-Brauereien der Region bietet Boon im Rahmen der Toer de Geuze quasi ein Volksfest innerhalb eines Volksfestes. Eine große Besuchsempfehlung.

Die Brouwerij Boon kann nach Vorabsprache während des ganzen Jahres besucht werden, allerdings wird das große Festprogramm nur während der alle zwei Jahre stattfindenden Toer de Geuze angeboten. Zu erreichen ist die Brauerei am besten mit dem Zug; die Bahnen der Linie S2 halten nur etwa 250 m von der Brauerei entfernt an der Station Lembeek.

Bilder

Brouwerij Boon nv
Fonteinstraat 65
1502 Lembeek
Belgien

* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Berichte in meinem Blog als Reklame verstanden werden können. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag also entsprechend gekennzeichnet werden. Daher: Der Besuch in der Brouwerij Boon und die Führung durch den Junior Karel Boon wurden mir ermöglicht und gesponsort von #VisitFlanders, der Touristenorganisation für Flandern und Brüssel. Ich sage für diese einzigartige Gelegenheit herzlichen Dank.

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