Bei herrlichem Sonnenschein rollt unser Bus langsam auf den Hof der Rhanerbräu. Links neben uns sehen wir die in den Sonnenstrahlen gleißenden Stahltanks der Brauerei, rechts neben uns stehen Alois und Steffi Plößl und strahlen mit der Sonne um die Wette. Dabei hätten sie eigentlich gar keinen so großen Grund dafür, denn wir sind viel zu spät dran, und die beiden warten schon seit geraumer Zeit auf uns.
Bierreisen als Gruppenreisen – so schön es ist, manchmal ist es auch ein Kreuz. Nicht nur, dass mit der Terminabsprache irgendetwas zwischen Brauerei und Tourorganisation nicht geklappt hat und wir eine halbe Stunde später geplant haben als die Plößls, nein, es ist natürlich auch so, wie es auf Gruppenreisen ständig ist: Einer fehlt immer. Trödelt draußen herum, geht noch mal auf’s Klo oder macht noch irgendwelche Bilder und tut ganz überrascht, dass der Rest der Gruppe schon lang im Bus wartet.
Im Resultat sind wir fast eine Dreiviertelstunde zu spät dran…
Doch Alois und Steffi Plößl sind viel zu lieb, um sich etwas anmerken zu lassen, und als wir endlich dann alle aus dem Bus ausgestiegen sind, nimmt uns der Hausherr mit auf eine spannende Zeitreise. Viele Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit geht es, bis zu den Anfängen der Brauerei im Jahr 1283. Seit dieser Zeit blickt die Rhanerbräu auf eine ununterbrochene Brautradition zurück und gehört damit zu den ältesten fünf Brauereien der Welt. Ja, sie ist sogar die älteste säkulare Brauerei der Welt – die vier anderen gehören oder gehörten alle irgendwann der Kirche.
Eine Zeitmaschine hat Alois Plößl dabei – eine große Kiste, an der er die entsprechende Jahreszahl aus der Geschichte der Brauerei einstellt, und über eine App gesteuert ertönen aus der Kiste Anekdoten aus der reichen und langen Geschichte der Brauerei. Eine nette Idee, und mit jedem Hörstück, dem wir lauschen, wird uns die reiche Geschichte dieser Familienbrauerei plastischer.
Es beginnt mit Heinrich dem Preu im Jahr 1283, die die Brauereitradition begründete, aber wir werden auch akustische Zeugen von den Hussiten-Kämpfen, treffen den Dichter und Botschafter Chateaubriand, erfahren von der Entstehung des Reinheitsgebots und landen irgendwann auch in der Neuzeit, in der die jüngsten Nachfahren, Lilly und Maxi Plößl, die als 13. Generation die Familientradition fortsetzen werden, Namensgeber des Lilly-Bocks, eines fruchtigen Weizenbocks, und des Maxi-Bocks, eines dunklen, kräftigen Bockbiers, geworden sind.
Leider, aber das ist ganz allein unserer Verspätung geschuldet, müssen wir die Zeitreise in Lichtgeschwindigkeit absolvieren, und viel zu schnell sind wir in der Gegenwart anbelangt.
Steffi Plößl hat mittlerweile eine kleine Brotzeit hergerichtet: Ungefiltertes Kellerbier und frische Brezen. Mit dem Bierglas und der Breze in der Hand erfahren wir, dass die Rhanerbräu ein paar spezielle, kreative Biere aufgelegt hat, mit denen sie über die klassischen deutschen Stile hinweg auch am Craftbier-Markt teilhaben möchte. Benannt sind diese Biere nach bedeutenden Jahreszahlen aus der Geschichte der Brauerei.
So erinnert der Rhaner Oak Aged Bock ROB 1776 an die Begründung der Familientradition, als die Bruckmayers, die unmittelbaren Vorfahren der Plößls, die Brauerei für 4000 Gulden gekauft haben. Der Rhaner Barley Wine RBW 1833 erinnert an den Besuch Chateaubriands, der in Bruckmayers Hotel zur Post nächtigte. Das Rhaner Pale Märzen RPM 1904 wurde zum 110jährigen Jubiläum der Eröffnung des Rhaner Braustüberls im Jahr 1904 erstmals eingebraut, und 2016 erschien zum 500jährigen Jubiläum des sogenannten „Reinheitsgebots“ das Rhaner Comet Lager RCL 2016.
Nach dieser rasanten Reise durch mehr als sieben Jahrhunderte bleibt nur noch Zeit für einen kurzen Besuch im Lagerkeller, wo wir unter den Lagertanks stehen und noch ein paar Anekdoten hören, und schließlich treffen wir uns alle in der großen Lagerhalle, wo die Bierkisten auf den Verkauf warten.
Max Plößl, der Junior, hat seinen Spaß daran, uns Probierpakte sowohl mit den „normalen“ Rhaner Bieren als auch mit den vier Spezialitäten zu verkaufen, während seine Eltern sich geduldig den Fragen unserer Gruppe stellen. Hut ab vor deren eisernen Nerven, trotz der drängenden nächsten Termine stets freundlich und ruhig auch die dümmsten Fragen noch zu beantworten. Herzlichen Dank dafür, und besonders herzlichen Dank an Steffi Plößl, die mir im Nachhinein zur Vervollständigung noch einige Bilder zur Verfügung stellte.
Die Rhanerbräu bietet ihre Zeitreisen jeden Donnerstag um 14:00 Uhr an, und wer sich vorher telefonisch oder über die Fremdenverkehrsämter der Region angemeldet hat, braucht dann auch keinen Zeitdruck zu fürchten – vorausgesetzt, er oder sie kommt auch pünktlich… Zu erreichen ist die Brauerei eigentlich nur mit dem Auto – leider! Der direkt vor der Brauerei haltende Bus 410 kommt gefühlt nur zweimal am Tag…
Rhanerbräu GmbH & Co. KG
Rhan 9
93 488 Schönthal / Rhan
Bayern
Deutschland
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