„Früher war Rötz der größte Viehmarkt in der ganzen Region. Jeden Mittwoch wurden hier rund 1000 Stück Vieh verkauft“, erzählt Sepp Graßl. „Und Ihr könnt Euch vorstellen: Jeder erfolgreiche Handel musste natürlich kräftig begossen werden, und Viehhändler können schon ein paar Halbe vertragen. So sind entlang der Straße fünfundzwanzig Wirtschaften entstanden, in denen die Viehhändler ihren Durst stillen konnten. Da war vielleicht immer was los!“
Früher, also in der Zeit, von der Sepp gerade so plastisch erzählt, hat auch noch jedes Wirtshaus selbst gebraut. Das war damals so. Irgendwann wurde das aber zu umständlich, die Wirtshäuser taten sich stattdessen zusammen und gründeten 1812 eine gemeinsame Brauerei – die Genossenschaftsbrauerei Rötz. Hier wurde zentral gebraut, und die Wirte, die das Bier dann nur noch abzuholen brauchten, konnten sich besser ums Essen und um ihre Gäste kümmern.
Die Anzahl der Wirtshäuser in Rötz ist seit damals deutlich zurückgegangen, aber nach wie vor hat die Brauerei fünfundzwanzig Genossen, die sich einmal pro Jahr in der Genossenschaftsversammlung treffen und über die Geschicke der Brauerei entscheiden. Meistens geht’s dabei ums Geld, wenn wieder einmal ein Teil in der Brauerei kaputt ist und ersetzt oder wenigstens hergerichtet werden muss. Sepp Graßl, der Brauer und Leiter der Brauerei, ist es dann, der den Genossen erklären muss, dass es zwar schön ist, wenn die Genossenschaft ein wenig Geld abwirft, wenn der Bierverkauf läuft und das Bier schmeckt, aber dass man halt schon ab und zu auch ein wenig investieren muss, soll es mit dem Vergnügen des eigenen Biers nicht irgendwann einmal ein Ende haben.
Er hat sich in Form geredet, der Sepp, aber jetzt drückt er uns jedem erstmal eine Bügelflasche mit Rötzer Vollbier in die Hand, als Wegzehrung gewissermaßen, denn nun gehen wir ein paar Schritte durch das Sudhaus.
Dem Innenhof, in dem wir eben noch gestanden haben, sieht man an, wie alt er ist, und auch die Gebäude rundherum blicken auf eine ewig lange Geschichte zurück. Um so überraschender ist dann der Blick auf das stählerne, recht neue Sudwerk. Blitzblank poliert steht es vor uns, und der Blick in den Läuterbottich zeigt, dass wir es hier mit neuester Technik zu tun haben. Das Hackwerk, das den Treberkuchen während des Läuterprozesses auflockert, weckt unser Interesse, aber auch die Steuerung. 7000 Hektoliter Bier entstünden hier pro Jahr, berichtet Sepp stolz.
Wir klettern die Treppe wieder hinunter und gehen in den Nachbarflügel des alten Gebäudes. Es könnte gegensätzlicher nicht sein: Während das neue Sudhaus mit jüngster Technik glänzt, ist im Gärkeller die Zeit irgendwann einmal stehen geblieben. In großen Wannen gärt das Jungbier offen vor sich hin. Dicke Kräusendecken blubbern, und je nach Reifezustand sehen sie aus wie frisch geschlagene Sahne, Eiweiß-Baisers oder, wenn die Hopfenharze schon ausgetrieben worden sind, wie ein mit dunklem Honig und Mandeln überzogener Bienenstich. Dieser Anblick ist immer wieder schön: Betrachtet man die sich sachte bewegenden Kräusendecken, so wird man daran erinnert, das Bier ein höchst lebendiges, biologisches Produkt ist.
Auch im Lagerkeller stoßen Neuzeit und Vergangenheit aufeinander. Zahlreiche und ziemlich alte liegende Lagertanks, die schon nostalgische Gefühle wecken, werden ergänzt von einer Handvoll nagelneuer und stählern glänzender stehender Tanks.
Der Plattenfilter und der Flaschenfüller schließlich schließen die Lücke zwischen neu und alt. Schon recht lange in Gebrauch, aber noch nicht so alt, als dass wir uns in ein Museum zurückversetzt fühlen würden.
Ein kurzer Blick noch in Steuerlager, wo Fässer und Kisten sich bis zur Decke türmen, und anschließend stehen wir mit dem Bier in der Hand im Hof und hören noch ein wenig zu aktuellen Situation der Brauerei: Es gibt nur noch eine Handvoll Wirtschaften in Rötz, aber sie werden nach wie vor von der Genossenschaftsbrauerei beliefert. Der Wirt ruft an oder schickt eine eMail, und die Kisten und Fässer werden ihm ins Haus geliefert. Einige andere Gasthäuser, wie beispielsweise die Museumsschänke Salzfriedl am nahen Handwerksmuseum schenken das Rötzer Bier ebenfalls aus, aber es bleibt immer in der Region – mehr wäre mit den zwei eigenen kleinen Lastwagen, mit denen das Bier ausgeliefert wird, gar nicht zu schaffen.
Um wirtschaftlich stabil zu bleiben, betreibt die Brauerei auch einen kleinen Rampenverkauf und bietet neben dem Rötzer Bier andere Marken und alkoholfreie Getränke an – anders ist das Überleben des Betriebs auf Dauer wohl nicht zu sichern. Aus der eigenen Produktion gibt es neben dem Rötzer Vollbier saisonal auch einen Bock und ein Festbier im Märzen-Stil.
Die Genossenschaftsbrauerei Rötz ist von montags bis freitags von 07:00 bis 12:00 Uhr und von 13:00 bis 16:30 Uhr geöffnet; sonnabends von 09:00 bis 11:00 Uhr – bei größerem Bedarf wie zum Beispiel großen Veranstaltungen auch nach Absprache. Zu erreichen ist die Brauerei sinnvoll nur mit dem Auto; der öffentliche Nahverkehr in der Oberpfalz ist mit Bussen, die gefühlt nur zwei Mal am Tag fahren, leider eine Katastrophe.
Genossenschaftsbrauerei Rötz eG
Hussenstraße 17
92 444 Rötz
Bayern
Deutschland
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