Langenargen am Bodensee hat ja so ein bisschen ein verschnarchtes Image. Urlaubsort für ältere Witwen, Ball der einsamen Herzen, biederes Erholungsörtchen. Stimmt zwar alles nicht, wird aber von Mund zu Mund trotzdem so weitererzählt. Gut, dass es dann ab und an Veranstaltungen und Erlebnisse gibt, die das Gegenteil beweisen. Wie beispielsweise jeden ersten Freitag im Monat. Da verwandelt sich der feine und gut sortierte Bottle Shop KommproBier in eine Arena für ein wunderbares Verkostungsfest – dann ist „Tag der offenen Flasche“, und Langenargen gibt sich plötzlich gar nicht mehr so bieder.
Helmut und Uli Heine, die KommproBier seit rund vier Jahren betreiben, laden zu ihrem Tag der offenen Flasche einen Brauer oder eine Kleinbrauerei ein, die fünf Zapfhähne im Nebenraum des Biergeschäfts zu übernehmen und sein oder ihre Biere dort zu präsentieren. Tap Takover heißt so etwas in den meisten Craftbier-Bars, und die Brauer machen das gerne, um Reklame für sich zu machen, während die Gäste das als tolle Gelegenheit empfinden, sich einmal durch das Portfolio einer sonst nicht so oft anzutreffenden Brauerei durchzutrinken.
Aber mit den fünf Fassbieren allein ist es nicht getan. Zusätzlich öffnen sich im KommproBier alle Türen, insbesondere und gerade auch die der Kühlschränke und zu den Kühlräumen, und alle Gäste dürfen sich nach Herzenslust an Flaschen und Dosen bedienen. Egal was, egal wieviel. Die einzige Bedingung ist: Man nehme sich bitte einen kleinen Holzträger (oder bei großem Durst eine große Kiste) und sammle das Leergut. Wenn man dann irgendwann genug verkostet hat und der Abend ein frühes oder spätes Ende findet, dann stellt man sich geduldig an der Kasse an, bezahlt für all die Spezialitäten, die man getrunken hat, und wankt und schwankt gemütlich und glücklich nachhause oder ins Hotel.
Das Ganze funktioniert natürlich nur auf Vertrauensbasis. Vertrauen in die Gäste, dass sie auch wirklich hinterher mit ihren leeren Flaschen zur Kasse kommen und sich nicht einfach heimlich verpissen und die Zeche prellen. Letzteres wäre aber gar nicht so einfach. Im Nu entwickelt sich nämlich am Tag der offenen Flasche eine wunderbare Community. Niemand bleibt lange allein sitzen oder stehen, ist ruckzuck ins Gespräch mit den anderen eingebunden, fachsimpelt, klönt, lacht, flirtet und trinkt – und wer da betrügen würde, fiele sofort auf.
Nein, wer hierherkommt, der ist nicht auf den Gratis-Rausch aus…
Am 5. Juli 2019 war die kleine Brauerei BrewAge aus Wien zu Gast, und Tom, den die Brauerei auf ihrer Homepage mit dem Spruch „Brauchst du Bier kommt er zu dir“ typisiert, machte eben dieses, wofür er bekannt ist: Mit ein paar Fässer „unter dem Arm“ kam er nach Langenargen und zapfte. Und das nicht zu knapp. Mit dem Session IPA (3,7%), das in Kollaboration mit den Superfreunden aus eigentlich Berlin, mittlerweile aber schon auf dem Sprung nach Hamburg, entstanden ist, dem Wiener Lager „Malzstraße“ (5,0%), dem New England IPA „Alphatier“ (5,6%), dem Sour Ale mit Himbeeren „Fructosaurus“ (3,5%) und dem Imperial IPA „Affenkönig“ (8,2%) hatte er für jeden Geschmack und für jede gewünschte Trinkstärke etwas dabei. Ordentliche Durstlöscher für den großen Schluck genauso wie Genussbiere zum vorsichtigen Nippen. Und wer wollte, konnte sich auch einen Tasting-Flight zapfen lassen, bei dem allerdings die vorbereitete Beschriftung und das, was sich tatsächlich am Hahn wiederfand, etwas divergierten. Statt des extremen „Nussknackers“, eines Barley Wines mit 10% gab es der Jahreszeit angemessen den „Fructosaurus“.
Viele Gäste blieben dann begeistert bei den BrewAge-Bieren hängen, bestellten sich nach dem Tasting-Flight dieselben Sorten noch einmal in groß, während andere, so wie Euer Chronist auch, sich auf die Pirsch durch die Regale begaben.
Eine nette Entdeckung in einem der Kühlräume waren die Biere der schwedischen Brauerei Poppels aus Jonsered. Auch hier ging das Angebot vom Session IPA (4,2%) über ein Belgisk Wit (4,7%), ein Passion Pale Ale (5,2%) und ein American Pale Ale (5,4%) bis zum West Coast IPA (6,5%) durch unterschiedliche Alkoholstärken und Stilrichtungen.
Noch hunderte andere Biere hätte es gegeben – aber gegen Mitternacht war es dann doch genug. Die große Halle im hinteren Bereich und die rückwärtige Terrasse mit Tischen, Sonnenschirmen, Klappstühlen und sogar einem kleinen aufblasbaren Pool waren allerdings noch gut besetzt, und die Gäste machten nicht den Eindruck, in den nächsten wenigen Minuten bereits aufbrechen zu wollen.
Tag der offenen Flasche – das ist also mehr als nur der Besuch in einem Getränkemarkt. Es ist ein Bierfest mit riesiger Auswahl, einer tiefenentspannten Atmosphäre und einer bunten Mischung netter Gäste. Und wem Bierflaschen mit der Aufschrift „Wurstsalat“ merkwürdig vorgekommen sein mögen …
… dem sei erklärt: Zu essen gibt’s nix außer selbstgemachtem Wurstsalat. Und auch dieser wird erst am Ende bezahlt. Als Platzhalter für die offene Rechnung kommt eine besondere leere Flasche in die Kiste mit Leergut. Originell und zweckmäßig.
Der Tag der offenen Flasche im KommproBier wird immer erst kurzfristig in den Social Media angekündigt, fest steht aber immer schon lange vorher: Es ist der erste Freitag im Monat, es ist immer ein interessanter Brauer oder eine interessante Brauerin, und da es immer eine gigantische Bierauswahl zum Verkosten gibt, ist der Laden auch immer voll.
Tag der offenen Flasche – 5. Juli 2019
KommproBier
Mühlstraße 28
88 085 Langenargen
Baden-Württemberg
Deutschland
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