Wie der Name es bereits deutlich ausdrückt: Bei der Urban Chestnut Brewing Company handelt es sich um eine alteingesessene Traditionsbrauerei in Oberbayern.
Hä?
Nein, natürlich nicht. Aber in gewisser Weise doch. Es wäre ja auch gar zu traurig, wenn hier, inmitten des Hopfenanbaugebiets Hallertau, in Steinwurfweite vom Deutschen Hopfenmuseum Wolnzach keine Brauerei stünde, die an die bayerische Brautradition anknüpfen würde. Und so ist es denn doch irgendwie so, dass die Urban Chestnut Brewing Company bayerische Brautradition fortführt.
Blick ins Sudhaus
Angefangen hat alles damit, dass Anfang der neunziger Jahre der „Alter Bräu“ verkauft und in Folge als Braustätte geschlossen worden war. Damit hatte Wolnzach, das Zentrum des Hopfenanbaus keine Brauerei mehr. Die alteingesessenen Wolnzacher kochten vor Zorn, und es entstand eine Bürgerinitiative im wahrsten Sinne des Wortes: Ein paar Bürger ergriffen die Initiative, der Bürgermeister unterstützte das Vorhaben und es entstand die Bürgerbräu Wolnzach, eine Aktienbrauerei, deren Anteilsscheine quer durch die Wolnzacher Bevölkerung verteilt waren. Und so war quasi jeder Wolnzacher fortan Brauerei-Eigner.
1999 erfolgte die formale Gründung, das erste Bier entstand 2000.
Aber ach, regionale Begeisterung und bürgerliches Engagement sind oftmals nicht ausreichend für den wirtschaftlichen Erfolg, und so musste die Bürgerbräu Wolnzach Ende 2014 Insolvenz anmelden.
die Installationen der neuen Brauerei
Und jetzt kommt Amerika ins Spiel: Florian Kuplent, ein Deutscher, oder vielmehr Bayer, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist, hatte 2011 in den USA die Urban Chestnut Brewing Company in St. Louis in Missouri eröffnet und diese Mikrobrauerei mit viel Erfolg betrieben. Offensichtlich schien er schon damit geliebäugelt zu haben, seine erfolgreichen Craft-Biere auch auf den deutschen Markt zu bringen, sie gegebenenfalls sogar hier vor Ort zu brauen, denn als offenbar wurde, dass die Bürgerbräu Wolnzach insolvent war und ein Käufer gesucht wurde, ging alles blitzschnell.
Ende 2014 war die Insolvenz, und im Januar 2015 war die Bürgerbräu bereits durch Kuplent übernommen und in Urban Chestnut Brewing Company Deutschland umbenannt worden. Und seit Frühjahr 2015 gibt es das Urban Chestnut Beer made in Germany, made in Bavaria.
Hallertauer Zwickel – geschmacklich eher konservativ, aber gut
Der Schwerpunkt liegt auf tendenziell eher traditionellen Bieren, soll heißen, auf Bieren, die den mit Craft-Bier noch nicht so richtig vertrauten Biertrinker nicht beim ersten Schluck schon auf Dauer verschrecken. Aber daneben gibt es eben auch schon etwas exotischer gehopftes Bier. Die Hallertauer Hopfenperle und das Hallertauer Zwickel kommen klassisch daher, während das Hallertauer Zuagroast eine Pale Ale Interpretation ist, mit spannenden, fruchtigen Hopfenaromen und niedriger Spundung, um eben diese Aromen besonders gut zur Geltung bringen zu können.
Ob das Konzept langfristig trägt? Es ist zu hoffen, denn erstens braucht Deutschland, braucht insbesondere Bayern auch ein paar neue, innovative Biere, und da ist jeder neue Ansatz zu begrüßen, und zweitens – und damit hatte bereits die Bürgerinitiative vor mehr als 20 Jahren recht – wo kämen wir denn da hin, wenn im Zentrum des Deutschen Hopfenanbaus, in Wolnzach, keine Brauerei stünde?
vom Biergarten des Bürgerbräu schauen wir direkt ins Sudhaus
Der Bürgerbräuwirt und die Urban Chestnut Brewing Company arbeiten nun Seit’ an Seit’ am Erfolg. Geht man, so wie ich am 23. November 2015, vom Parkplatz in Richtung Wirtschaft, so läuft man an den Fenstern vorbei, hinter denen sich das kleine Sudhaus befindet. In unwirklich gleißendem grünen Licht sind die Gär- und Lagertanks illuminiert, klassisch mit weißem Licht das kupferne Sudwerk angestrahlt. Man flaniert an den Fenstern vorbei, und setzt sich dann in den Biergarten oder die Wirtschaft. Wunderbar. Bayerische Brautradition, wie sie sein soll. Unter deutsch-amerikanischer Flagge!
Der Bürgerbräuwirt, in dem man die Biere der Urban Chestnut Brewing Company trinken, aber auch kaufen und mit heimnehmen kann, hat täglich ab 17:00 Uhr, freitags und sonntags bereits ab 10:00 Uhr geöffnet. Mittwochs ist Ruhetag. Zu erreichen sind Wirt und Brauerei in wenigen Minuten von der Autobahn, und direkt nebenan gibt es einen gebührenfreien Parkplatz. Bei gutem Wetter ist der Biergarten geöffnet, und für die Kinder gibt es viel Unterhaltung auf dem Gelände dahinter.
Nachtrag 11. September 2020: Im Nachgang zu einem sehr informativen Seminar, einem Schulungs- und Erlebnistag für Brauer und Influencer am Hopfenforschungszentrum Hüll, hatte ich heue die Gelegenheit, im Biergarten des Bürgerbräu einzukehren, die Biere der benachbarten Urban Chestnut Brewing Company zu trinken, deftig und preiswert zu essen und erneut durch die großen Glasscheiben ins Sudhaus zu spähen.
Die Sonne scheint, der Biergarten ist aber nicht ganz voll besetzt. Mein erstes Bier bekomme ich blitzeschnell und kann das 5,0%ige Zwickl in großen Schlucken genießen – der zwanzigminütige Spaziergang hierher hat mich durstig gemacht. Herrlich!
der Biergarten des Bürgerbräu
Nachdem die erste Gier gestillt ist, studiere ich die Speisekarte und bin ob der niedrigen Preise beeindruckt. Die Bauernpfanne „Holledau“ mit Bratkartoffeln, Schinken, Braten, Salami, Nudeln, Spiegelei und Zwiebeln, serviert in einer gusseisernen Pfanne, für nur 5,90 EUR? Kann das mit rechten Dingen zugehen?
Ich beschließe, es auszuprobieren, und winke der eilig vorbeiflitzenden jungen Dame zu. „Kann ich gleich, wenn Sie Zeit haben, was zu essen bestellen?“ – „Sorry, aber ich bin hier nur das Teller-Taxi“, lacht sie. „Ich darf nur abräumen.“
So übe ich mich denn ein bisschen in Geduld, denn die Dame, die berechtigt ist, Bestellungen aufzunehmen, scheint allein den ganzen Biergarten betreuen zu müssen. So schnell das erste Bier auch kam, so lange dauert es jetzt mit dem Essen.
Als es endlich kommt, bin ich aber sehr positiv überrascht. Nicht nur eine Riesenportion, sondern auch schmackhaft zubereitet und nicht einfach nur, wie andernorts manchmal, große Mengen billiger Zutaten lieblos auf den Teller geklatscht. Fein!
Bauernpfanne „Holledau“
Mit dieser Grundlage freue ich mich dann auch auf das nächste Bier, zumal inzwischen ein paar weitere Seminaristen eingetroffen sind und wir nun gemeinsam genießen können.
„Das Pale Ale, das Zuagroast, hätte ich wohl gerne“, bitte ich die Dame, als sie mal wieder bei uns am Tisch ist. Groß ist die Überraschung, dass ich dieses Bier in der Flasche serviert bekomme – das hätte ich lediglich fünfzehn Meter vom Sudwerk entfernt nicht erwartet, sondern habe eigentlich auf ein Fassbier gehofft.
Leicht orangefarben, mit stabilem und weißem Schaum steht es vor mir, feine, fruchtige Hopfenaromen spüre ich in der Nase, die zum Teil aber auch, jahreszeitlich bedingt, aus der Umgebungsluft kommen. Gerade jetzt, in der ersten Abendkühle, hängt hier in Wolnzach die Luft voller Hopfenaromen. Egal, woher der Wind weht, er kommt von den umliegenden Hopfenfeldern, und oft trägt er auch die Abluft der vielen Hopfendarren, die jetzt in Betrieb sind, mit sich. Ein quasi ganzheitliches Hopfenerlebnis.
Aber zurück zum Bier: Das 5,7%ige Pale Ale erweist sich als sehr angenehm zu trinken, nicht zu fordernd, ein Bier von hoher Durchtrinkbarkeit. Hätten wir heute im Laufe des Seminars dem Bier nicht schon recht reichlich zugesprochen, dann könnte ich jetzt hier schön sitzen bleiben, ein Pale Ale nach dem anderen genießen und den Tag ausklingen lassen.
Zuagroast
Das mit dem Ausklingenlassen mache ich ja eigentlich auch, nur dass es mit dem Bier recht langsam vorangeht. Ich bin heute tatsächlich mal „trinksatt“, oder „sitt“, wie die Dudenredaktion vor vielen Jahren mal den Zustand beschrieben hat, in dem man keinen Durst mehr hat.
Später, als es schon richtig dunkel ist, spaziere ich noch einmal an den Fenstern des Sudhauses vorbei. Wie vor fünf Jahren auch schon ist alles in giftig grünes Licht getaucht. Eine etwas unwirkliche, aber trotzdem faszinierende Atmosphäre, die die Gäste anlockt – ich bin nicht der einzige, der hier stehen bleibt und durch die Glasscheiben blickt. Schön!
Urban Chestnut Brewing Company Deutschland GmbH
Am Brunnen 2
85 283 Wolnzach
Bayern
Deutschland
Wir konnten gestern auf dem Wolnzacher Volksfest die Urban Chestnut Biere probieren. Allesamt sind diese sehr gelungen.