Street Food? Ach, das war gestern. Street Tap ist stattdessen angesagt. Street Tap in der Smith Street, in Chinatown, mitten in Singapur.
Der Chinatown Complex, ein großer, halboffener Betonbau, ein Labyrinth von kleinen Gängen und Ecken, großen Hallen, langen Gängen, und überall kleine Büdchen mit Speisen aus aller Welt. Ein sogenanntes Hawker-Centre. Ursprünglich einmal dazu gedacht, den Wildwuchs an Straßenküchen ein wenig einzudämmen, ihnen ein gemeinsames Dach über dem Kopf zu bieten und so preiswerte Alltagsküche unter halbwegs kontrolliert-hygienischen Bedingungen zu ermöglichen.
Ob das alles immer im Sinne der Stadtplaner geklappt hat, mögen andere beurteilen, Fakt ist aber, dass das Hawker-Centre Chinatown Complex wirklich für jeden Geschmack etwas bietet. Auch für den Bierliebhaber.
ein winziger Stall für den Bierliebhaber
Auch für den Bierliebhaber?
In der Tat. Auch für den Bierliebhaber. In einem der unzähligen Stalls, es mögen mehrere hundert sein, haben zwei junge Männer, Daniel Goh und Meng Chao, die Smith Street Taps eröffnet. Auf einer Handvoll Quadratmetern nur bieten sie dem Besucher eine Bierreise rund um den Globus an, und zwar nicht von Budweiser über Heineken bis Kirin und Fosters, sondern es finden sich so illustre Namen wie Weihenstephan, De halve Maan, Baird Brewing, Magic Rock, Mikkeller, …
Ich kann es fast nicht glauben, ausgerechnet hier – zwischen endlosen Reihen von bunten Plastiktischen und -stühlen, auf denen sich nicht minder bunte Plastikteller und Tabletts stapeln, Reste der Mahlzeiten vor sich hin gammeln, dampfen, tropfen, Plastikbecher, noch halbgefüllt mit Heineken oder einer bonbonbunten Limonade, und mittendrin eine Craft-Beer-Oase.
chaotisch sieht es aus
Neugierig trete ich näher. Eigentlich ist das Chaos in der kleinen Bude genauso groß wie davor und drumherum. Zu viele Biersorten, zu wenig Platz. Aber sauberer ist es. Chaotisch durcheinander, aber sauber. Der junge Mann inmitten des Durcheinanders schaut mich fragend an und deutet, als er mein Zögern sieht, auf die kleinen Schiefertäfelchen mit dem Bierangebot, die etwas über Augenhöhe an bunten Kabelbinderketten baumeln. Ich überlege, und bestelle mir ein Pale Ale von der japanischen Mikrobrauerei Baird Beer, über die ich schon so viel Positives im Internet gelesen habe.
Schiefertafeln an Kabelbinderketten informieren über das Angebot
Der junge Mann überlegt kurz, schaut einmal über das unübersichtliche Sammelsurium von Zapfhähnen, steuert dann zielgenau den richtigen an und füllt mir ein Glas.
Zufrieden setze ich mich an einen der kleinen Plastiktische und mache mich über das Bier her.
Aber ach, so originell die Atmosphäre hier ist, so lustig bunt das Treiben rundherum, das Bier vermag mich nicht zu überzeugen. Schon die Farbe ist ein wenig abschreckend. Ein gelbliches Grau, statt eines appetitlichen Goldgelb, und etwas lustlos schwappt es im Glas. Der Geruch ist dumpf, und der Geschmack hat einen Hauch von Säure. Das war jetzt aber definitiv ein Griff ins Klo, denke ich mir, und überlege, wie spannend es gewesen wäre, genau in diesem chaotischen Umfeld ein erstklassiges Craftbier zu trinken und der Idee eines Street Taps richtig Gestalt zu verleihen.
Baird Pale Ale
Vielleicht ist es doch zu viel des Chaos in dem winzigen Büdchen? Vielleicht klappt es mit der Kühlung, dem Umsatz oder der Leitungsreinigung nicht so, wie es soll? Oder das Bier hat auf dem Transport schon einen Stich bekommen? Oder Baird Brewing ist gar nicht so gut, wie immer geschrieben wird?
Ach, der Möglichkeiten gibt es viele. Gerne würde ich die Probe auf’s Exempel machen und mir ein anderes Bier bestellen, prüfen, ob es ein einmaliger Ausrutscher war, oder ob es grundsätzliche Schwierigkeiten mit der Bierpflege gibt. Ich hoffe auf, ich glaube an einen einmaligen Ausrutscher, denn um mich herum trinken die Menschen fröhlich vor sich hin, bestellen sich ein weiteres Bier, und dann noch eins und noch eins …
Smith Street Taps
Aber ich kann für heute nicht mehr. Zu lang und erlebnisreich war der Tag, zu viele Biere habe ich heute im Laufe des Tages schon verkostet, zu sehr setzt mir die Hitze in dem natürlich nicht klimatisierten Hawker-Centre zu. Ich lasse es für heute gut sein.
Das eine Bier war jetzt mal nichts, aber verallgemeinern möchte ich das nicht. An der Originalität des Ortes und der Idee ändert das ja nichts. Street Taps statt Street Food, also.
Die Smith Street Taps sind nur abends von 18:30 bis 22:30 Uhr geöffnet; last orders um 22:15 Uhr. Der Chinatown Complex ist zwei Minuten von der U-Bahn-Station Chinatown entfernt; die Smith Street Taps befinden sich im zweiten Stock und haben die Nummer 062 – anhand der überall hängenden Lagepläne kann man sich dann zu der kleinen Bude, dem kleinen Stall durchkämpfen.
Smith Street Taps
335 Smith Street
#02-062
Chinatown Complex
050335 Singapur
Singapur
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