Das Wirtshaus „Zum Wilden Mann“ gebe es in Dinkelsbühl gefühlt eigentlich schon immer, erzählt Florian Hauf, der junge Chef der Brauerei Hauf, der 2017 die Brauerei in der fünften Generation übernommen hat. Vor dem Wörnitztor der Stadt Dinkelsbühl stehe dieses Wirtshaus, also außerhalb der befestigten Altstadt, direkt vor der Stadtmauer. So war es denn in historischen Zeiten der Anlaufpunkt für alle, die nicht in die Stadt hineingelassen wurden – Verbrecher, Wegelagerer, übel beleumundete Reisende, fahrendes Volk. Wilde Männer also (und Frauen…), und daher auch der Name „Zum Wilden Mann“.
Hier ist das Stammhaus der Brauerei Hauf, die schon vor langer Zeit vor die Tore der Stadt gezogen ist, hier ist die Brauerei 1901 gegründet worden. Schon bald war das Wirtshaus zu klein geworden, die Produktion wurde verlagert, das Wirtshaus nur noch als Brauereigaststätte fortgeführt. Doch als reiner Bewirtschaftungs- und Herbergsbetrieb habe sich das große Gebäude nicht gerechnet, heißt es weiter, und so seien große Teile des Hauses verkauft worden. Nur noch das Erdgeschoss befände sich im Besitz der Familie, und gerade dort befänden wir uns nun, in einem klassischen, historischen Wirtshaus.
Florian Hauf hat sich die Zeit genommen, uns, eine Gruppe Bierbegeisterter, in die Geschichte der Brauerei Hauf einzuführen und mit uns zusammen die Biere, die heute dort produziert werden, zu verkosten. Wir haben im Nebensaal des Wirtshauses Platz genommen, und unter Leitung der Geschäftsführerin Denise Anders wuseln die Kellner und Kellnerinnen hin und her und versorgen uns mit Bier und gutem Essen.
Ein kleines Holzrondell stellt eine der Kellnerinnen vor mich hin – drei schlanke Gläser mit Bier lachen mich an. „Zur Einstimmung!“, lächelt die junge Dame. Ein Pils, ein Edel-Hell und ein Friedrich-Hauf-Dunkel stehen vor mir. Das Pils ist verhältnismäßig gering gehopft, sehr schlank und trocken und schön trinkbar, auch wenn es für meinen persönlichen Geschmack etwas bitterer sein dürfte. Das Edel-Hell ist etwas süßlicher, milder und runder, und das Friedrich Hauf 1901 Bayerisch Dunkel gefällt mit seinen weichen und malzigen Noten.
Friedrich Hauf, nach dem das dunkle Bier benannt ist, sei der Gründer der Brauerei gewesen. Zwei Söhne hatte die Brauerei Hauf in Dentlein am Forst vor 120 Jahren gehabt, beide hätten eine Ausbildung zum Brauer gemacht, aber nur einer habe den väterlichen Betrieb übernehmen können – natürlich der Erstgeborene. Friedrich als jüngerer Bruder musste sich woanders eine Arbeitsstelle suchen. Er ließ sich von seinem älteren Bruder auszahlen und kaufte sich in Dinkelsbühl in das Wirtshaus „Zum Wilden Mann“ ein, gründete hier die Brauerei Hauf und legte so den Grundstein für eine lange, erfolgreiche Familientradition.
Sein ältester Sohn Emil übernahm die Brauerei, und später wiederum dessen Sohn Eberhard – als Zweitgeborener allerdings, da sein älterer Bruder Günter, der Enkel Friedrich Haufs, kein Interesse an der Brauerei gezeigt hat. Jahrelang hatte es allerdings Spannungen zwischen den Brüdern gegeben, und erst 1973 konnte Eberhard den Betrieb komplett übernehmen.
1984 kam Eberhard Hauf bei einem tragischen Unfall während des Stadtfests der Kinderzeche zu Tode. Ein Tankanhänger der Brauerei musste umrangiert werden, kippte dabei um und begrub Eberhard Hauf unter sich. Er wurde nur 53 Jahre alt. Sein Sohn Bernd, ausgebildeter Brauer bereits, musste sein Studium der Betriebswirtschaftslehre abbrechen und den Betrieb sofort übernehmen – was er erfolgreich tat und im Jahr 2017 dann den Staffelstab an Florian Hauf übergab.
Eine spannende Erzählung, die wir hier aus erster Hand bekommen. Mittlerweile haben wir auch die fruchtige und würzige Dinkelsbühler Weisse und die malzig-vollmundige Haufs Dunkle Weisse verkostet. Alle fünf Biere sind klassische Stile, nichts Experimentelles, aber solide und fehlerfrei, gut trinkbar und süffig.
Das Essen dazu schmeckt fein, der Service ist flink und unauffällig, hält sich im Hintergrund jederzeit aufmerksam verfügbar.
„Mit modernen Bierstilen möchten wir nicht anfangen“, erzählt Florian Hauf weiter. Die Kundschaft in der Region, die Bierliebhaber hier am Rande Bayerns, seien neuen und exotischen Geschmäckern wenig aufgeschlossen, da lohne es sich nicht, Bierstile auf den Markt zu bringen, die deutlich von den traditionellen abwichen. Nur ab und an würde er einmal eines der bestehenden Biere behutsam weiterentwickeln oder ein altes Rezept aus den Anfangsjahren der Brauerei erneut einbrauen, fährt er fort. So habe er jetzt gerade das Helle Vollbier auf den Markt gebracht. Altes Rezept, ein Retro-Etikett, wie es früher üblich gewesen sei, und geschmacklich etwas voller, etwas robuster als das derzeit im Standardangebot befindliche Edel-Hell. Um den traditionellen Charakter zu unterstreichen und das Bier untrennbar mit dem Retro-Etikett in Verbindung zu bringen, gebe es das Helle Vollbier nur in der Flasche, erklärt Florian Hauf und drückt uns jedem eine Flasche zur Verkostung in die Hand.
„Natürlich gibt es in wenigen Tagen auch unseren Doppelbock, das Dinkelator, und unser Weihnachtsbier, ein Spezialbier für die dunkle Jahreszeit“, macht uns Hauf noch neugierig auf das, was bald kommen wird. Aber diese beiden Biere ruhen noch in der Lagertanks am Rand der Stadt und warten auf den besten Zeitpunkt zur Abfüllung.
Wir sind für heute trotzdem zufrieden. Eine zwar konservative, aber wohlschmeckende Palette von runden und gut trinkbaren Bieren, dazu eine bildhafte und detaillierte Darstellung der Brauerei. Und nicht zuletzt das Gefühl, dass mit dem jüngsten Hauf, immerhin schon dem fünften in der Familientradition, für die nächsten Jahrzehnte das Fortbestehen der Brauerei gesichert ist.
Auch wenn wir das Wirtshaus selbst heute kaum kennengelernt haben, sondern nur im mit Bildern aus der Geschichte der Brauerei geschmückten Nebenraum gesessen haben, trotzdem ein schönes und bieriges Erlebnis.
Die Brauerei Hauf, zu der die Brauereigaststätte „Zum Wilden Mann“ gehört, sehen wir erst am nächsten Morgen, und dann auch nur von außen. Eine Führung hat sich leider nicht in unseren Zeitplan einpassen lassen.
Man sieht ihr an, dass sie mittlerweile schon viele Jahre auf dem Buckel hat und dass der Kampf um die Marktanteile nicht einfach ist. Aber sie ist nicht ungepflegt, nicht verfallen, man kümmert sich und man braut. Gute Biere, wie wir gestern Abend festgestellt haben!
Die Brauereigaststätte „Zum Wilden Mann“ ist freitags bis montags ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet, dienstags ab 17:00 Uhr, mittwochs ist Ruhetag und donnerstags ist von 10:00 bis 14:00 Uhr und dann wieder ab 17:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist das urige Wirtshaus in wenigen Minuten zu Fuß – man verlässt die historische Altstadt Dinkelsbühl in Richtung Osten durch das Wörnitztor und steht nach fünfzig Metern bereits vor dem alten Gebäude.
Brauereigaststätte „Zum Wilden Mann“
Wörnitzstraße 1
91 550 Dinkelsbühl
Bayern
Deutschland
Brauerei Hauf
Feuchtwanger Straße 8
91 550 Dinkelsbühl
Bayern
Deutschland
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