Wohl jeder kennt die wunderschöne Altstadt von Dinkelsbühl, in der der Besucher sich in einer Zeitreise zurück ins Mittelalter versetzt fühlt – herrlich renovierte Altbauten so ganz ohne die sonst leider allgegenwärtige, bunte und kitschige Reklame. Und so ist auch Weib’s Brauhaus nur dezent mit dem entsprechenden Schriftzug bemalt und fällt zunächst gar nicht auf.
Wir hatten am 9. Mai 2010 leider das Pech, nur an einem Nachmittag ein Stündchen Zeit zur Einkehr zu haben, und genau in diesem Zeitfenster war die Küche des Brauhauses geschlossen, die Schankstube gähnend leer. Wir setzten uns trotzdem für einen Moment hinein, verkosteten die beiden angebotenen Biere und machten ein wenig Pause.
Das Helle schmeckte sehr mild, fast schon süßlich, war aber angenehm und süffig. Das Weizen hingegen roch ein wenig käsig und schmeckte auch so – das war nicht mein Fall.
Wir schauten uns noch die mitten in der Gaststube stehende, kupfern glänzende Sudanlage an und erspähten hinter einem großen Glasfenster auch die Lagertanks und die offenen Gärbottiche aus Edelstahl. Schön präsentiert, und auch die Bedienungen waren nett und freundlich.
Nachtrag 5. Oktober 2019: Fast zehn Jahre mussten vergehen, bis es uns heute erneut gelingt, hier einzukehren – diesmal in den Abendstunden und zum Essen.
Wir öffnen die Tür und … stehen fast wie vor einer Wand. Der Schankraum ist rappelvoll. Gutes Wetter und das lange, an den 3. Oktober geknüpfte Wochenende haben Touristen in großer Zahl in die Stadt gespült. Gut, dass sich der Schankbereich über zwei Ebenen erstreckt, und so bekommen wir im Obergeschoss noch einen schönen Platz an einer großen Tafel. Hier ist es zwar auch voll, aber nicht so krass überfüllt wie unten.
Ein kurzer Blick in die Karte verrät uns: Am Bierangebot hat sich nichts geändert. Nach wie vor werden genau zwei verschiedene Biere angeboten: Ein Helles und ein Weizen. Dazu gibt es rustikale, etwas altmodische Speisen. Wann habe ich das letzte Mal in einer Karte ein Toast Hawaii angepriesen gesehen? Wann einen Strammen Max? Wir fühlen uns Jahrzehnte in die Vergangenheit versetzt und lassen uns auf das Spiel mit unseren Jugenderinnerungen ein.
Beginnen wir also mit dem Hellen und dem Toast Hawaii. Ersteres ist würzig und rund, recht vollmundig und gut trinkbar, könnte aber ein bisschen mehr Herbe vertragen und würde dann deutlich frischer wirken. So, wie heute angeboten wird, wirkt es ein wenig schlaff und müde, um nicht zu sagen dumpf, wenn dieses Wort nicht gleich so einen negativen Beigeschmack hätte…
Das Toast Hawaii ist nicht nur ein aus der Zeit gefallenes Gericht, sondern erinnert in seiner Zubereitung auch an längst vergangene Zeiten, als das Essen einfach nur auf den Teller gepackt und auf Pfiffigkeit und originelle Präsentation wenig Wert gelegt wurde. Die Ananasringe liegen schief und asymmetrisch auf den beiden Toastscheiben, der Käse, mit dem alles überbacken wurde, ist bis zur Unkenntlichkeit verlaufen und schlägt stellenweise Blasen, und in der Mitte jeder Toastscheibe liegt unlustig eine dunkel verfärbte Kirsche, die aus einer Konservendose mit Kirschkompott geangelt worden zu sein scheint. Lediglich ein paar Salatblättchen bringen einen bunten Farbtupfer neben die Toastscheiben.
Verdrießlich schaut man Nebenmann auf seinen Teller. „Optisch gar nicht mal so ansprechend“, lästert er noch ein wenig und probiert den ersten Bissen. „Und ein wenig laff.“
„Hätten Sie vielleicht etwas Worcestersauce für mich zum Nachwürzen?“, wendet er sich an den freundlichen Kellner, sorgfältig auf die korrekte Aussprache der Würze achtend: [ˈwʊstə-].
Der Kellner starrt ihn verständnislos an. Man sieht, wie er nachdenkt und zu erraten versucht, was der wunderliche Gast wohl von ihm möchte.
„Worcestersauce“, versucht er es nochmal, resignierend seinen Wunsch an die verbreitete, aber falsche Aussprache anpassend: [wʊrˈtʃɛstə].
Er erzielt erneut kein Verständnis.
„Zum Toast Hawaii würde diese leicht säuerliche Würzsoße passen, die man doch bestimmt auch bei Euch in der Küche findet!“, versucht er es noch einmal geduldig.
„Maggi?“ Der Kellner freut sich, endlich verstanden zu haben, um was es geht.
„Äh, nein, eher nicht. Maggi ist ja nicht säuerlich, oder?“
„Ich frag mal in der Küche“, findet der Kellner die Lösung seines Problems und kommt Augenblicke später freudestrahlend mit einem kleinen Schälchen Würzflüssigkeit zurück, stellt es lächelnd auf den Tisch und verschwindet. Es entpuppt sich als Balsamico.
„Immerhin. Besser als nichts“, freut sich der Gast, träufelt ein paar Tropfen auf sein inzwischen kaltes Toast Hawaii und isst nun mit sichtlichem Appetit.
Das Schauspiel ist vorbei, ich schaue wieder auf meinen eigenen Teller. Am Strammen Max kann man nicht viel falsch machen (Obwohl … das hatten wir bis gerade eben vom Toast Hawaii auch gedacht…), und dazu lasse ich mir ein Weizen schmecken. Jedenfalls habe ich die Absicht.
Der Stramme Max ist auch okay, obzwar mit nur einem Ei etwas sparsam ausgeführt. Aber er schmeckt. Das Weizen dazu allerdings nicht. Muffig und dumpf ist es, dumpf diesmal tatsächlich im negativeren Sinn des Worts. Schade. Ich krame in meinen Verkostungsnotizen und stelle fest, dass mich das Weizen auch seinerzeit schon nicht so begeistert hatte. Als etwas käsig hatte ich es damals, vor fast zehn Jahren, empfunden…
Die ganz große Begeisterung stellt sich heute Abend also nicht ein. Die wirklich freundlichen und sehr bemühten Kellner, das angenehme Ambiente, die recht niedrigen Preise, die schön im Eingangsbereich präsentierte Brauerei und der durch eine Glasscheibe gut einsehbare Gär- und Lagerkeller vermögen die Mängel am Essen und leider auch am Bier nicht ganz auszugleichen – schließlich sind Essen und Bier doch die wichtigsten Faktoren in einer Gasthausbrauerei.
Wir lassen uns den Abend trotzdem nicht verderben, trinken noch ein weiteres Helles und lassen den Tag gemütlich ausklingen.
Weib’s Brauhaus ist täglich von 11:00 bis 01:00 Uhr geöffnet, mittwochs erst ab 18:00 Uhr. Dienstags ist Ruhetag. Bei gutem Wetter gibt es auch einen Biergartenbetrieb. Durch seine Lage mitten in der Altstadt Dinkelsbühls ist es problemlos zu finden, und wer mag, kann sich hier nach ausgiebigem Biergenuss auch ein Zimmer zum Übernachten mieten.
Weib’s Brauhaus
Untere Schmiedgasse 13
91 550 Dinkelsbühl
Bayern
Deutschland
Ich bin da etwas anderer Meinung. Wenn ich, oft bei gemischten Brotzeiten lese „reichhaltig garniert“ weiß ich daß jede Menge Salatblätter etc schön drapiert ankommen, die Wurst und der Käse aber von der Qualität und der Menge zu wünschen übrig läßt. Da ist mir die Art der Bauernwirtschaften lieber, wo nur die nötigste Deko, dafür aber sonst was Gescheites auf den Tisch kommt.
Du hast sicherlich recht, Gernot, dass die Deko nicht zum eigentlichen Zweck einer Mahlzeit werden darf – es kommt zunächst immer auf die Qualität des eigentlichen Gerichts an.
Aber zum einen war die Qualität des Toast Hawaii auch ohne Betrachtung der Deko schon schlecht. Wenn der Käse Blasen wirft und schon weit vom Toast heruntergelaufen ist und sich auf dem Teller verbreitet hat, ist es einfach zu heiß oder zu ungleichmäßig gebacken worden. Die Kirschen sind keine Deko, sondern gehören zum Toast Hawaii dazu, waren aber einfach nur zuckrige und matschige Kirschen. Und dass man ein Gericht mit etwas Sorgfalt zubereitet und die Ananasscheiben nicht, wie auf dem Foto zu sehen, einfach nur irgendwie auf die Toastscheiben knallt, sollte auch selbstverständlich sein.
Zum anderen ist es schön, wenn ein Essen zum Genuss für alle Sinne wird, wenn ich also zu Geschmacks- und Geruchserlebnissen auch etwas für die Optik tue („das Auge isst mit“) und für die Haptik (so dass die Konsistenz, die Textur einer Speise schön ist, sich also im Mund gut anfühlt – was bei den Kirschen nicht der Fall war). Naja, die Akustik als fünfter Sinn wird wohl allerdings – vom Gläserklingen vielleicht abgesehen – beim Esssen immer zu kurz kommen müssen…
Mit bestem Gruß,
VQ
Hallo Volker,
ich lese deine Berichte immer sehr gerne und hab auch schon des Öfteren Lokale und Brauereinen aufgrund deiner Berichte besucht.
Neulich eben auch im Weib’s Brauhaus gewesen und das „köstliche Helle“ getrunken. Da merkt man doch, wie unterschieden die Geschmäcker sind. Es war eines meiner besten Hellen, die ich je getrunken habe. (hab deinen Bericht erst nach meinen Besuch gelesen)
Weizen hab ich nicht probiert, da ich kein Weizentrinker bin.
Beim Essen geb ich dir jedoch recht, unseres war zwar sehr schön angemacht, jedoch hat Beides (Lendchen und Zwiebelrostbraten) sehr fade geschmeckt.
Gruß
Stefan
Hallo, Stefan,
hab‘ herzlichen Dank für Deinen Kommentar und Deine netten Worte zu meinem Blog.
Ja, die Geschmäcker sind unterschiedlich, und so kann man immer verschiedener Meinung sein, ob ein Bier jetzt wirklich fein oder doch eher recht mäßig ist. Gerade bei kleineren Gasthausbrauereien kommt aber auch hinzu, dass die Qualität von Sud zu Sud ein wenig schwankt und dass sich das Bier natürlich auch im Ausschanktank oder den selbst abgefüllten Fässern noch weiter entwickelt. Letzteres mal in positiver, mal in negativer Richtung – das kommt ganz auf den Biertyp und die konkreten Umstände an.
Vielleicht hast Du ja auch einfach mehr Glück gehabt als ich.
Mit bestem Gruß, einen schönen Sonntag, und Cheers!
VQ