Lommerzheim
Köln
DEU

Lommerzheim.   Mehr als nur eine Kneipe.

Wäre es nicht mittlerweile so abgegriffen, dann müsste man das Lommerzheim eine „Institution“ nennen.

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bereits ab viertel nach vier bildet sich hier eine Traube wartender Menschen

Warum sonst sollte sich jeden Nachmittag um viertel nach vier eine Menschentraube auf dem Bürgersteig der Siegesstraße bilden? Eine Menschentraube, die vor einem vergammelten alten Wirtshaus steht, das alles andere als einladend aussieht. Bei Wind und Wetter stehen die Menschen hier und warten geduldig, bis Punkt 16:30 Uhr, und keine Minute früher die Türen zum Schankraum öffnen. Um 16:31 Uhr ist die Kneipe bis auf den letzten Platz besetzt; wer zu spät kommt, muss stehen oder gar draußen warten.

Und was führte zu diesem „Kult“?

Über mehr als vierzig Jahre, genauer von 1959 bis 2004 betrieb Hans Lommerzheim, ein ehemaliger Köbes der Päffgen-Hausbrauerei, dieses Wirtshaus, und zwar mit einer sich gegen jede noch so kleine Änderung hartnäckig wehrenden Sturheit. Der Zeit entsprechend, sah das Haus in der Siegesstraße 18, als es eröffnet wurde, noch nicht prächtig aus, war nach dem Krieg notdürftig renoviert worden, man war froh, dass die Fenster dicht waren, und der Schankraum trocken.

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die Häuserfront sieht nach wie vor völlig verranzt aus, und Dortmunder Bier gibt es hier shon lange nicht mehr

Lommerzheim brachte in dieses Wirtshaus die – auch heute noch nur in Ausnahmefällen erteilte – Erlaubnis mit, das Bier der Päffgen-Hausbrauerei auszuschenken, und begann mit dem Betrieb eines einfachen, gutbürgerlichen Gasthauses. Lommerzheims Frau Annemie zapfte, Lommerzheim selbst bediente. Und nichts änderte sich im Laufe der Jahre. Das Mobiliar wurde bei Bedarf zwar repariert, hier und da musste mal etwas erneuert werden, und auch die Kücheneinrichtung musste modernen Hygieneforderungen angepasst werden. Aber sonst blieb alles beim Alten.

Und so wurde das Lommerzheim in den achtziger und neunziger Jahren zu einer Kultkneipe, zu einer Kneipe, in der man eine Zeitreise zwanzig, dreißig Jahre zurück machen konnte. Keine Musikanlage, kein Fernseher, keine Registrierkasse, keine Zapfanlage. Das Bier lief direkt aus dem Holzfass, wurde serviert, getrunken und durch ein frisches ersetzt.

Lommerzheims Marotten taten ihren Teil dazu. Bier konnte man nicht bestellen. Man wartete geduldig, bis Lommerzheim mit dem Kränzchen am Tisch vorbeikam und das Kölsch zuteilte. War man aufmüpfig und versuchte, auf sich aufmerksam zu machen, wurde man erst recht ignoriert. Wortkarg, aber nicht unfreundlich, drehte Lomerzheim seine Runden, servierte die legendären, gewaltigen, geradezu „doppelstöckigen“ Koteletts, und immer wieder das leckere und süffige Päffgen-Kölsch. Die Nachmittagspause war heilig. Der Andrang vor der Tür konnte noch so groß sein – vor 16:30 Uhr wurde nicht wieder geöffnet. Tischreservierungen gab es auch nicht – man musste entweder rechtzeitig kommen oder mit viel Geduld warten, bis etwas frei wurde.

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eines der legendären Koteletts

Den Unwillen zur Reservierung hielt Lommerzheim bis zur letzten Konsequenz durch, als er 1999 sogar dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton eine Reservierung verweigerte, mit der Begründung, durch die damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen müssten ja seine Stammgäste draußen bleiben, und das ginge nicht.

Päffgen, Koteletts, eine seit den fünfziger Jahren unveränderte Einrichtung (einschließlich des zugigen Toilettenhäuschens im Hof) und Lommerzheims ganz eigene Art entwickelten – wohl auch aufgrund der damit verbundenen Berechenbarkeit – eine Anziehungskraft, die es in Deutz kein zweites Mal gab.

Ende 2004 schloss Lommerzheim seine Wirtschaft aus gesundheitlichen Gründen, ein halbes Jahr später starb er in Alter von 74 Jahren. Eine Legende.

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Erinnerung an eine Legende

Die Päffgen-Brauerei ging – zum Glück für die Freunde des Wirtshauses – sehr behutsam vor. Nachdem sie das Wirtshaus von Annemie Lommerzheim gekauft hatte, wurde es dort renoviert, wo es unbedingt nötig war, und es wurde dort alles belassen, wo es irgend möglich war. Der Hinterhof wurde neu gestaltet, die schon lange nur noch mit einem zugedrückten Auge zugelassenen Toilettenanlagen wurden renoviert, die Küche steht nun modern und heutigen Hygieneanforderungen entsprechend da, und der Schankraum …

… im Schankraum hat sich nichts geändert. Die gleichen alten, mittlerweile dunkelbraunen Tapeten, die sich an den Ecken und Kanten manchmal etwas lösen, die alten Lampen, die etwas wunderliche Dekoration, unter anderem mit einer dicken Eishockeyhose unbekannten Alters, unbekannten Ursprungs.

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auch heute macht man hier eine solide Zeche, bevor man wieder geht

Seit März 2008 stehen die Menschentrauben wieder ab vier, viertel nach vier vor der Tür und warten geduldig auf Einlass, bis sich mit dem Glockenschlag erst die Türen öffnen. Nach wie vor fließt das Päffgen direkt aus dem Holzfass, nach wie vor gibt es die gewaltigen Koteletts, auf den Punkt gebraten. Die Speisekarte ist ein wenig erweitert worden, der Köbes ist nicht mehr ganz so wortkarg, und: Bei den Renovierungsarbeiten hat man unter dem Schankraum einen Gewölbekeller entdeckt, der nun zusätzliche Sitzplätze bietet.

Die Atmosphäre aber ist am 4. Januar 2014 unverändert. Gäste jeden Alters, aus allen gesellschaftlichen Schichten. Und die Päffgen-Brauerei tut gut daran, nichts, aber auch gar nichts zu ändern, was nicht unbedingt geändert werden muss.

Das Lommerzheim ist täglich – außer dienstags – über die Mittagszeit und dann wieder ab Punkt 16:30 Uhr geöffnet und von der Straßenbahnhaltestelle Deutzer Freiheit in drei Minuten zu Fuß zu erreichen. Man muss nicht lange suchen, man braucht keine Adresse, keinen Stadtplan. Man stellt sich einfach um kurz vor halb fünf an die von weitem sichtbare Menschenschlange an.

Nachtrag 4. April 2014: Bei einem erneuten (und wieder sehr ausführlichen…) Besuch habe ich die Bilddokumentation ein wenig vervollständigt.

Bilder

Lommerzheim
Siegesstraße 18
50 679 Köln
Nordrhein-Westfalen
Deutschland

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