Am 7. Dezember 1835 verkehrte der erste Eisenbahnzug in Deutschland auf der rund sechs Kilometer langen Strecke zwischen Nürnberg und Fürth. Bis heute hält sich das Gerücht, dass die erste Fracht, die diese Eisenbahn nur wenig später transportierte, zwei Fässer Bier umfasst habe.
Weder stimmt diese Geschichte mit der ersten Eisenbahnfracht, noch liegt Karlsruhe an der Strecke Nürnberg – Fürth, was aber die Betreiber des Erste Fracht Braugasthaus direkt gegenüber des Karlsruher Hauptbahnhofs nicht daran hindert, ihr gemütliches Bierrestaurant nach eben dieser fiktiven Begebenheit zu benennen.
Schon die Anreise kann man spannend gestalten, ist doch die Stadtbahn in Karlsruhe eine der wenigen, die aufgrund ihrer Spurweite und Stromversorgung in der Lage ist, auf ganz normalen Gleisen der Deutschen Bahn zu fahren, so dass man sich das Vergnügen gönnen kann, aus dem Umland bis in die Straßen und Gassen der Innenstadt zu fahren, ohne umsteigen zu müssen.
Einmal am Hauptbahnhof angekommen, steht man direkt vor der Außenterrasse, geht zwischen den Tischen hindurch und schon steht man mitten im Erste Fracht Braugasthaus.
Ende 2017 ist es eröffnet worden und hat sich zum Ziel gesetzt, regionale und klassische Küche mit spannenden Bierstilen zu kombinieren.
Die Einrichtung ist ansprechend, viel Holz wurde verbaut, graue und braune Farbtöne bringen eine gewisse elegante Schlichtheit, ohne dass es kühl oder gar ungemütlich wird. Die Themen Bier und Eisenbahn finden sich in der Dekoration wieder – an den Wänden und in den Regalen sind Holzfässer, Steinkrüge und Bierflaschen ausgestellt, die Treppe zur Toilette hinunter ziert ein Bild einer alten Dampflokomotive mit einem gewaltigen Kuhfänger.
Im hinteren Bereich finde ich einen Platz, der mir sowohl den Blick auf die Theke als auch durch die großen Fensterscheiben ermöglicht. Tagsüber kann man von hier aus direkt in den Karlsruher Zoo blicken, jetzt, an einem dunklen Winterabend, sieht man nur ein paar fahle Laternen, die das neblige Dunkel zu durchdringen versuchen.
Nun, so bin ich wenigstens nicht abgelenkt und kann stattdessen die Bierkarte studieren.
Obwohl der Name Braugasthaus anderes verheißt, wird hier nicht selbst gebraut – irgendwie ist das ja schon eine Irreführung des Konsumenten. Stattdessen werden ein paar Biere in der nahegelegenen Hoepfner-Brauerei speziell für das Erste Fracht Braugasthaus produziert, besondere Biere also, die angeblich ausschließlich hier erhältlich sind.
Ich entscheide mich für das Schwarzer Picher, ein untergäriges Schwarzbier mit 5,0% Alkohol, das laut Bierkarte ein fein-röstiges Malzaroma aufweist. Es wird in einem schönen Verkostungsglas serviert – Pluspunkt für das Haus. Aber Verkostungsglas hin oder her, über soliden Durchschnitt kommt das Bier nicht hinaus. Ein ausgewogenes Schwarzbier ohne Geschmacksfehler, aber irgendwie auch ohne Höhepunkte. Man kann es wunderbar vor sich hin trinken, hat aber am Ende nicht das Gefühl, sich genau dieses eine Bier unbedingt im Gedächtnis halten zu müssen.
Die Speisekarte bietet ein paar nette Kleinigkeiten – wer keinen großen Hunger hat, sondern nur etwas „für den hohlen Zahn“ braucht, damit das Bier nicht gar so trocken herunterrutscht, wird hier bestimmt fündig. Und auch diese Kleinigkeiten werden ansprechend dekoriert und serviert – das Auge isst mit. Hinzu kommt die Freundlichkeit der durchweg sehr jungen Kellner und Kellnerinnen. Das passt!
Mit dem Essen kommt der Durst natürlich rasch zurück, und ich bestelle mir das Helle Hausbier mit 5,2% Alkohol. Auch hier: Kein Ausreißer, weder nach oben, noch nach unten. Ein Ungefiltertes, wie man es eigentlich in jeder Gasthausbrauerei deutschlandweit bekommen kann. Obwohl … Angesichts der zweifelhaften Qualität der oft muffig schmeckenden, einen deutlichen „Hausgeschmack“ aufweisenden Biere in eben diesen Kleinbrauereien ist ein fehlerfreies ungefiltertes Helles eigentlich doch schon ein Ausreißer nach oben. Ich will also nicht zu streng sein. Ein bisschen süßlich schmeckt es, mild, nur ganz dezent gehopft, und ebenso wie das Schwarzbier rauscht es ohne Aufheben zu machen, die Kehle hinunter. Da ändert auch das elegante Verkostungsglas nichts dran.
Zweimal solides Mittelmaß also. Ich schaue auf die Uhr. Bis der Zug geht, habe ich noch ein bisschen Zeit, da ist doch noch ein drittes Bier drin. Das Dunkle Hausbier mit nun immerhin schon 5,5% Alkohol erweist sich schließlich als kleiner Ausreißer nach oben. So richtig dunkel ist es gar nicht, eher hellbernsteinfarben, gerade mal ein paar Farbstufen kräftiger als das Helle. Aber es schmeckt rund und kräftig, fast schon wie ein fränkisches Lager. Ein solider Malzkörper, aber auch schöne Hopfennoten, die die Malzsüße mit ihrer kernigen Bittere wieder ausgleichen – das gefällt, und ich bin froh, dass ich mich zu einem dritten und letzten Bier habe durchringen können.
In der Summe ein durchaus angenehmer Gasthausbesuch. Verkehrsgünstig gelegen, eine wirklich ansprechende Atmosphäre, sehr freundliches Personal, solide Biere, und das vollmundige Versprechen, ein Braugasthaus zu sein, obwohl man gar nicht braut, das ignorieren wir am besten mal. Diese irreführende Etikettierung kennen wir von den Kölner Brauhäusern genauso wie von den französischen Brasserien.
Das Erste Fracht Braugasthaus ist täglich von 07:00 Uhr bis spät in den Abend hinein durchgehend geöffnet; kein Ruhetag – insofern auch eine hervorragende Adresse für ein Frühstück. Zu erreichen ist es durch die Lage direkt gegenüber des Eingangs zum Hauptbahnhof mit den Öffis aus allen Richtungen ohne Probleme.
Erste Fracht Braugasthaus
Bahnhofplatz 6
76 137 Karlsruhe
Baden-Württemberg
Deutschland
Angezogen von der Bezeichnung „Braugasthaus“, in der Nähe des Hauptbahnhofs, haben wir uns auf ein besonderes Bier gefreut. Schnell merkten wir jedoch, dass da kein Bier gebraut wurde. Wo auch? Also, ein Bier kann man da schon trinken, man sollte jedoch keine besonderen Erwartungen haben. Richtige Hausbrauereien gibt es in Karlsruhe einige, jedoch nicht gegenüber vom Hauptbahnhof.
Hallo, Helmut,
Deinen Unmut kann ich gut nachvollziehen – mir ging es ja ähnlich: „Obwohl der Name Braugasthaus anderes verheißt, wird hier nicht selbst gebraut – irgendwie ist das ja schon eine Irreführung des Konsumenten.“
Die Biere sind vom Hoepfner, schmecken gut, und das Ambiente ist trotzdem schön. Schade, dass man mit der Bezeichnung eine falsche Erwartungshaltung weckt.
Mit bestem Gruß,
VQ