„Gast-Stätte zum goldnen Hirschen“ steht groß an der Wand des uralten Steinhauses in der Bregenzer Innenstadt. Seit dem 14. Jahrhundert gibt es dieses Wirtshaus angeblich; es soll gefühlt schon immer der Dreh- und Angelpunkt des täglichen Lebens gewesen sein, erklärt die Website des mittlerweile anders geschriebenen Goldenen Hirschen.
Ein klassisches Wirtshaus also, das aber zusätzlich ein Gourmetrestaurant und eine Weinstube unter seinem Dach vereint. Und seit Mitte Januar 2020 eine Bierbar, die auch einfach nur so genannt wird: Bierbar.
„Es war wohl der ungünstigste Zeitpunkt überhaupt für die Eröffnung“, erzählt uns Dominik Ahmidou-Fend, der Biersommelier, der uns schon den ganzen Tag lang durch Bregenz begleitet, die bierige Historie der Stadt kennt und mit uns nun schon einige Biere verkostet hat. „Kaum hatten sich die Bregenzer mit der Bierbar vertraut gemacht“, fährt er fort, „schon kam Corona und der Lockdown, und die Türen schlossen sich für viele Wochen.“ Er schaut traurig, und wir haben schon Sorge, dass er uns im nächsten Satz erklären wird, dass das Projekt von den Betreibern des Goldenen Hirschen deswegen wieder beerdigt worden ist.
„Und da sind wir auch schon!“, nimmt die Geschichte zu unserer Erleichterung aber eine glückliche Wendung. „Es ist wieder offen, man kann hier wunderbar auf der Terrasse sitzen, und langsam wächst die Bierkarte auch auf. Die Auswahl ist schon richtig schön!“
Wir nehmen auf der Terrasse in der Spätnachmittagssonne Platz und sehen uns erstmal um. Neu sieht die Bierbar ganz gewiss nicht aus – das hölzerne Interieur wirkt historisch gewachsen. Auf Europaletten und Industrial Chic oder Ruin Style und quietschbunte Wandmalereien wurde hier verzichtet; es sieht stattdessen gediegen aus. „Früher war hier ein Wollmodengeschäft, das Tschirnich“, erfahren wir, „das hat Ende 2017 seine Pforten geschlossen. Aus diesem Geschäft stammen noch Teile der Einrichtung. Das Holz, die schönen Geländer, viele Kleinigkeiten.“
Ansprechend wirkt es, und auch die Theke mit ihren Zapfhähnen ist stilistisch prima integriert – das Einzige, was stört, sind die Corona-bedingten Plexiglasplatten auf der Theke, die Spuckschutzplatten. Wir ziehen es aber vor, auf der Terrasse zu bleiben – es ist warm, die Luft ist angenehm, und durch die schmale Gasse flanieren Einheimische wie Touristen gleichermaßen, so dass es immer etwas zu kucken gibt.
„Wir fangen einfach mal mit den hervorragend gepflegten Fassbieren der Mohrenbräu an, oder?“, schlägt Dominik vor. „Für den ersten Durst, und danach können wir immer noch Spezialitäten in homöopathischen Mengen verkosten.“
Gesagt, getan, und so machen das Mohren Spezial und das Mohren Pfeffersack den Auftakt. Das Spezial ist mit seinen 5,6% durchaus kräftig und aromatisch, dabei aber schön ausgewogen und weich, so dass es zu großen Schlucken verleitet. Das Pfeffersack ist mit 5,4% Alkohol kaum schwächer, wartet aber mit ganz dezent fruchtig-scharfen Aromen von frischem Kampot-Pfeffer auf, der diesem Bier hinzugegeben wurde. Ein ganz feines Bier, mit dem gewissen Etwas, das so dezent bleibt, dass es auch den wenig experimentierfreudigen Otto Normalbiertrinker nicht gleich für Jahrzehnte verschreckt, dennoch aber ganz einzigartig daherkommt.
„Hm, davon könnte ich durchaus mehrere trinken“, stelle ich fest. „Besondere Aromen und trotzdem hohe Durchtrinkbarkeit!“ Aber die Bierliste bietet noch so viele andere Spezialitäten, dass ich mich nicht festtrinken möchte.
Weiter geht es also mit dem Hanfbier der Hirter Brauerei (4,8% Alkohol und ein dezent-süßliches Hanfaroma im ansonsten recht neutralen Bier) und dem Pale Ale der Mohrenbräu (5,5% und sehr schöne Hopfenaromen, die ins Frische und Fruchtige changieren).
Draußen bricht die Dämmerung an, und die Terrasse der Bierbar füllt sich. Wie gut, dass wir schon seit dem Nachmittag hier sitzen. Wir setzen unsere Bierprobe fort und bewegen uns weg von Österreich, weit in den hohen Norden Deutschlands. Von der Rügener Insel Brauerei lassen wir uns erst das Baltic Ale servieren (7,5%, goldgelb, mit trockenem, geradezu weinartigem Aroma), dann das Insel Herb (5,6%, ebenfalls goldgelb, ebenfalls recht trocken und kräftig herb – der Name kommt ja nicht von ungefähr), und schließlich das Strandgut Wood Pale Ale (5,6%, rötlich-kupferfarben, ziemlich trüb, mit deutlichen holzigen Noten, die nicht von Fasslagerung stammen, sondern daher, dass das Bier mit Holzchips gebraut wird, die von alten Portwein- und Whiskyfässern stammen).
Drei spannende Biere, und da zwei davon in großen 0,75-l-Flaschen serviert wurden, sind wir froh, dass wir sie uns zu dritt teilen konnten.
„Zurück nach Österreich?“, fragt Dominik, und wir bestellen uns als nächstes das Nivard, ein Trappistenbier aus der Brauerei Stift Engelszell, einer der jüngsten Trappistenbrauereien. Mit 5,5% ist es für ein Trappistenbier gar nicht so alkoholstark, aber es überzeugt trotzdem mit fruchtigen Noten, einer feinen Herbe und einem durchaus spritzigen Abgang. Fein!
Der stets aufmerksame und freundliche junge Kellner hat sichtlich Gefallen daran, uns immer wieder neue Biere zu kredenzen. Unaufgefordert bringt er auch zu den kleinen Flaschen gleich drei Probiergläser, achtet sorgfältig darauf, wie wir einschenken und weist dezent bei dem einen oder anderen Bier darauf hin, dass wir den Bodensatz in der Flasche lassen sollten. So soll es eigentlich in jeder guten Bierbar sein, aber leider haben wir anderswo schon ganz schlechte Erfahrungen gemacht.
Hier und heute stimmt aber alles, und so lassen wir den wunderbaren Abend mit einer ganz besonderen letzten Flasche ausklingen, dem Samichlaus Barrique der Brauerei Schloss Eggenberg. Gewaltige 14,0% Alkohol hat dieses Bier und ist in Chardonnay- und Whiskyfässern gelagert und ausgebaut worden. Samtig weich fließt es über Zunge und Gaumen, die Aromen aus den Fässern paaren sich wunderbar mit dem Alkohol und dem unendlich reichen Malzkörper dieses Biers. Ein vorzüglicher Abschluss unserer Verkostung hier in der Bierbar in Bregenz. Es ist mittlerweile dunkel geworden, Zeit, ein Ende zu finden und zum Hotel zurückzugehen. Dominik hat noch ein paar Kilometer nachhause und muss aufpassen, wann der letzte Zug geht.
Beschwingt gehen wir durch die Stadt, lassen die wunderbaren Biere und den ausgezeichneten Service gedanklich noch einmal Revue passieren und denken noch einmal an die vorzüglichen Marillenknödel, die wir irgendwann zwischen zwei Bieren auch mit großem Genuss verzehrt haben. Definitiv eine Adresse, die wir empfehlen können!
Die Bierbar des Wirtshaus Goldener Hirschen in Bregenz ist montags bis sonnabends von 12:00 bis 23:00 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag, feiertags ist geöffnet. Von der Kaiserstraße, der großen Einkaufsstraße im Zentrum der Stadt, aus sind es bis hierher nur zwei Minuten die Kirchstraße entlang in Richtung Süden.
Bierbar Bregenz
Kirchstraße 6
6900 Bregenz
Österreich
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