Oouuh, Pforzheim! So wunderschön gelegen im Tal der Enz, zwischen idyllischen grünen Hügeln, und dann im raschen Wiederaufbau nach der fast völligen Zerstörung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs total verhunzt. Warum es ausgerechnet Pforzheim war, das in einem der opferreichsten Bomberangriffe 1945 dem Erdboden gleichgemacht wurde, weiß ich nicht. Dass man anschließend im Wiederaufbau keine Zeit und kein Geld für schöne Häuser hatte, verstehe ich aber. Und trotzdem: Kalte Schauer laufen mir als Besucher über den Rücken, wenn ich die grässliche Architektur der 50er Jahre sehe, und ich denke nur noch: Nix wie weg!
Aber für eine Mittagspause und ein vor Ort gebrautes Bier muss es reichen, oder?
So stellen wir den Wagen in der Nähe des Sedanplatzes ab und laufen ein paar Schritte bis zum Platzhirsch Pforzheim. Seit wenigen Monaten gibt es dieses Lokal erst, und doch wird hier schon seit Jahrzehnten Bier gebraut.
Bereits 1988 wurde nämlich am Sedanplatz erstmalig eine Gasthausbrauerei eröffnet, der Hopfenschlingel, und unter diesem Namen von verschiedenen Besitzern bis zum August 2016 betrieben. Dann war erstmal Schluss, bis im November 2019 die neuen Betreiber nach einem ziemlich umfassenden Umbau den Platzhirsch eröffneten. Angeblich, so berichten die lokalen Medien, ist bis auf das kleine kupferne Sudwerk im Erdgeschoss nichts so geblieben, wie es beim Hopfenschlingel war.
Neugierig gehe ich also erst einmal durch das Lokal. Das geräumige Obergeschoss ist heute, bei bestem Biergartenwetter, natürlich leer. Warme und einladende Holz- und Ledertöne, unverputzte Ziegelsteine und ein großes Regal mit Bierflaschen aus aller Welt verleihen dem Gastraum ein ansprechendes Ambiente. Neugierig betrachte ich die Flaschensammlung und entdecke viele mir bekannte Biere, aber auch die eine oder andere völlig unbekannte Spezialität. Polnisches Craft- und Industriebier, belgische Trappistenbiere, aber auch deutsche Zischbiere aus unterschiedlichen Regionen – es ist eine schöne Vielfalt, in der auch das Ultrastarkbier vom Schorschbräu in trauter Eintracht neben dem Lang-Erotikbier steht.
Eine Wendeltreppe führt mich zurück in das Erdgeschoss, wo der Schankraum deutlich kleiner ist. Direkt neben der Treppe stehen ein paar Holzfässer und ein uraltes NSU-Moped zur Deko, und hinten an der Stirnwand neben der Theke sehe ich das kleine, schmucke Sudwerk – eine kupferne Anlage der Firma Salm.
Vor dem Eingang erstreckt sich ein kleines Biergärtchen über den Sedanplatz, und kaum haben wir dort Platz genommen, kommt auch schon die freundliche und aufmerksame junge Kellnerin. Nach einem kurzen Blick in die Bierkarte frage ich, was es denn derzeit als Bier des Monats gebe. „Puh“, rutscht es ihr lachend heraus. „Das bringe ich beim Erklären immer durcheinander. Warte mal einen Moment!“ Sie saust davon und kommt nach wenigen Augenblicken mit der Abdeckkapsel des Fasses zurück, auf der ich alle wichtigen Informationen über das Monatsbier finde: Brauhaus Pforzheim GmbH, Citra Hell, 4,9% Alkohol.
Aha, es ist also nicht hier vor Ort gebraut, gleichwohl scheint es aber ein interessantes Bier zu sein. „Davon hätte ich gerne ein Kleines“, bestelle ich, und auch für eine Kleinigkeit zu essen haben wir uns bereits entschieden.
Es dauert erneut nur einen kleinen Moment, und die junge Dame bringt mit einen 0,25-l-Steinkrug mit dem Citra Hell. Aber, ach!, es ist fast lauwarm. War der Krug vorher heiß ausgespült, kam er vielleicht gar direkt aus der Spülmaschine? Oder ist der Durchlaufkühler kaputt? Vielleicht gerade erst angeschaltet worden? Ich verkoste das Bier, als säße ich in einer Jury, in der es darum geht, im bewusst warm servierten Bier irgendwelche Fehlgeschmäcker zu entdecken. Ich finde zwar keine, bin aber trotzdem nicht ganz glücklich.
Allerdings: Durch die bewusste Verkostung habe ich den kleinen Krug jetzt ausgetrunken – zum Reklamieren ist es daher zu spät. „Hm, selbst schuld!“, denke ich mir und bestelle nun das Hausbier. Das ist wohl wirklich hier auf der kleinen Salm-Anlage entstanden. Wie das Citra Hell wird es im kleinen Steinkrug serviert, 5,0% Alkohol hat es, es ist kalt (!), und es schmeckt wie ein Allerwelts-Helles einer klassischen, deutschen Gasthausbrauerei. Keine Experimente. Leicht süßlich, nur dezent gehopft, süffig und unauffällig. Ein netter Begleiter zum Falafel mit großem Salat. Es paart sich in seiner Zurückhaltung gut zum Essen.
Ein Blick auf die Uhr mahnt uns: Die maximale Parkdauer von einer Stunde, die hier rund um den Sedanplatz gilt, ist bald abgelaufen. Auch wenn wir jetzt gerne noch sitzen würden, müssen wir aufbrechen. Oder zumindest einen neuen Parkschein ziehen.
Das Kassieren geht genauso fix wie die Aufnahme der Bestellung und das Servieren – alle Bedienkräfte, die wir sehen, sind freundlich, aufmerksam und schnell. Aber …
… die Corona-Schutzmaßnahmen haben sie nicht wirklich verinnerlicht. Immer wieder kommen sie mit herunterhängender Maske an unseren Tisch, mal schaut die Nase raus, mal hängt die Maske unterm Kinn, und immer wieder nesteln sie an der Maske herum, schieben sie hoch, runter, und wieder zurück. Wenn es hier an der frischen Luft im Biergarten auch vom Infektionsrisiko her nicht sehr ins Gewicht fällt, so gibt es doch ein schlechtes Beispiel, und ich kann leider auch beobachten, dass es drinnen, im kleinen Schankraum, nicht besser ist.
Einen Besuch bei schlechtem Wetter, wo wir drinnen sitzen müssten, würde ich mir also zweimal überlegen oder ihn auf eine Zeit nach einer Corona-Schutzimpfung verschieben – wann immer das sein wird.
Der Platzhirsch Pforzheim ist montags bis freitags ab 11:30 Uhr durchgehend geöffnet; sonnabends und sonntags bereits ab 09:00 Uhr für das Frühstück. Kein Ruhetag. Vom Bahnhof Pforzheim aus geht man rund fünf bis sieben Minuten zu Fuß in Richtung Süden, überquert die Enz und ist schon am Sedanplatz.
Platzhirsch Pforzheim
Weiherstraße 13
75 173 Pforzheim
Baden-Württemberg
Deutschland
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