Heidelberg zeigte sich nicht gerade von seiner einladendsten Seite: Nach einer wochenlangen Schönwetterperiode fing es ausgerechnet am 5. Mai 2009 abends an, zu regnen. Keine Chance also, vor dem Eingang des Alt Heidelberger Brauhauses in der Fußgängerzone der Altstadt zu sitzen und in der Sonne zu träumen.
Es regnet, und so sind alle Plätze draußen verwaist.
Dafür war es dann aber im Schankraum sehr gemütlich. Die wenigen Tische waren voll besetzt, man musste sich schon irgendwo dazwischenschieben. Das durchweg jugendliche und freundliche Personal hatte viel zu tun, sauste vor der Theke und an den beiden kupfern glänzenden Braukesseln entlang und kam mit dem Ausschank kaum nach.
Vier Biersorten waren im Angebot: Ein sehr aromatisches Helles, ein rundes und kräftig aromatisches Dunkelweizen, ein recht süßlicher, sehr süffiger Maibock und das legendäre, malzige und schwere Vetter 33. Dazu eine rustikale Brotzeit in Form eines halben Hähnchens, und es wäre beinahe alles in Ordnung gewesen. Wenn mich nur nicht das versprochene Treberbrot ein wenig enttäuscht hätte. Statt mit Treber gebacken zu sein, schien es nur ein wenig Treber auf der Kruste verteilt zu haben – zu wenig, um dem Erwartungsdruck standzuhalten. Das gibt es anderswo besser.
Aber, andererseits: Ich habe heute ja auch eine Brauerei besucht, und keine Bäckerei, also wollen wir die Ansprüche mal nicht zu hoch schrauben …
das kupferglänzende Sudwerk
Vetter’s Alt Heidelberger Brauhaus existiert seit Oktober 1987 – gegründet von Klaus Peter Vetter, und nach wie vor in Familienhand: Geschäftsführer ist Michael Vetter, der Sohn des Brauereigründers. Braumeister Eric Rosen braut auf einem 10-hl-Sudwerk der Firma Kaspar Schulz, und neben den drei oben erwähnten Standardbieren, dem Hellen, dem Dunkelweizen und dem Vetter 33, braut er jahreszeitlich wechselnd auch Saisonbiere wie Märzen, Weihnachtsbock oder Maibock.
Nachtrag 18. August 2020: Heute ist gutes Wetter, den ganzen Tag hat die Sonne geschienen, und so freue ich mich darauf, dieses Mal vor dem Vetter’s Brauhaus sitzen zu können und die trotz CoViD-19-Pandemie schon wieder recht quirlige Atmosphäre in der Heidelberger Altstadt zu genießen.
Ein paar Minuten nur mit der S-Bahn, dann ein paar weitere Minuten mit dem Stadtbus, und … pünktlich in dem Moment, in dem ich aus dem Bus aussteige, beginnt ein Gewitter, das sich gewaschen hat. Wahre Sturzbäche kommen vom Himmel, und in Windeseile ist die Fußgängerzone fast menschenleer. Nur noch einige wenige Touristen drängen sich in Häusereingänge oder unter Vordächer, und da der Wind den Regen auch unter die Schirme treibt, sind ruckzuck alle Freisitze und Gastgärten geräumt.
Die hübsche Wanddekoration wirkt viel sommerlicher als das Wetter draußen …
Genau so war es auch vor elf Jahren, denke ich missmutig, als ich beim Vetter’s vor der Tür stehe. Hier regnet es halt immer, rette ich mich achselzuckend in anekdotische Evidenz. „Ein Platz nur für eine Person? Ich bin heute allein unterwegs.“ Die junge Dame schaut mich mit ehrlichem Bedauern an: „Hier sind alle Plätze, die wir vergeben dürfen, bereits besetzt. Aber vielleicht versuchen Sie es nebenan in der BrauStube einmal?“
Direkt nebenan hat Vetter’s Brauhaus neuerdings eine Art Nebenzimmer, einen zweiten Schankraum mit eigener Theke, eigener Küche und eigenem Sanitärbereich. Das war wohl früher mal ein anderer gastronomischer Betrieb, der nun zum Vetter’s gehört. Hier finde ich in der Tat ein kleines Tischchen – Glück gehabt.
die BrauStube – stilistisch ganz anders als der alte Ausschank
Während draußen der Regen herunterprasselt, trinke ich zunächst einmal ein Helles gegen den ersten Durst. Ein bisschen süßlich ist es, mit mäßig stabilem Schaum, 4,5% Alkohol, nicht Besonderes. Ein unauffälliges Trinkbier zum Essen, das sich den Wildbratwürsten und dem Sauerkraut bereitwillig unterordnet.
Nicht viel anders der Maibock. Mit 6,0% Alkohol überraschend schwach auf der Brust, und genauso schwächelt der Schaum. Weich und malzig-rund, insofern durchaus angenehm, aber insgesamt sehr kraftlos.
Meine ganze Hoffnung ruht nun auf dem Flaggschiff-Bier des Hauses, dem Vetter’s 33. 10,5% Alkohol, 33° Stammwürze. Rubinrot und ohne Schaum sieht es in dem schlanken, kleinen Glas fast wie eine Cola aus. Der sehr runde und süßliche und zum Glück nicht spritige Geschmack, eine leichte alkoholische Wärme am Gaumen und ein weicher Charakter retten das Bier geradeso auf die Vier-Sterne-Ebene, aber es ist dennoch nichts, wovon es sich lohnen würde, dem Enkel an langen Winterabenden zu berichten. Es ist wohl mehr die Magie der Zahl 33, die dieses Bier so beliebt macht. Ein guter Schlummertrunk, immerhin, und bei anderen Gasthausbrauereien wäre ich froh, wenn sie neben Hellem, Dunklem und Weißbier so eine Spezialität hätten.
sieht aus wie Cola, schmeckt aber besser – das Vetter’s 33
Inmitten all der Touristenfallen und Weinlokale in der Heidelberger Altstadt ist das Vetter’s Brauhaus gleichwohl ein Lichtblick und die wohl erste Anlaufstelle für den Biergenießer. Zwar rechtfertigt es allein noch keine Reise nach Heidelberg, aber wenn man schon mal aus anderen Gründen hier in der Altstadt ist, sollte man es definitiv nicht verpassen.
Und wer weiß, vielleicht regnet es hier auch mal nicht?
Vetter’s Alt Heidelberger Brauhaus ist täglich ab 11:30 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Von der berühmten Alten Brücke aus sind es keine zwei Minuten bis hierher, und dort, an der Alten Brücke halte auch einige der Stadtbuslinien.
Vetter’s Alt Heidelberger Brauhaus GmbH
Steingasse 9
69 117 Heidelberg
Baden-Württemberg
Deutschland
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