Wir stellen unser Auto hinter der Bushaltestelle ab und laufen auf das Gebäude der Barfüßer Hausbrauerei in Pfullendorf zu. Ein schmaler Asphaltstreifen, der schnurgerade in Richtung Biergarten weist, und ein prächtiges Gebäude. „Das sieht fast aus wie ein Bahnhof“, sage ich zu meiner holden Ehefrau, „und der Weg, auf dem wir gehen, sind die alten Gleise.“
Barfüßer die Hausbrauerei
Als wir die Brauerei erreichen und uns einmal umsehen, stelle ich fest, dass ich recht hatte: Die Barfüßer Hausbrauerei Pfullendorf ist in der Tat im ehemaligen Bahnhofsgebäude der Stadt eingerichtet worden. 1873 war der Bahnhof eröffnet worden, 91 Jahre später fuhr hier er letzte Schienenbus, und mittlerweile ist der Bahnbetrieb in diesem Gebäude Geschichte. Zwar gibt es nach wie vor eine Schienenverbindung in den Ort, aber der neue Haltepunkt liegt ein paar hundert Meter weiter ostwärts und ist, nun ja, nicht mehr so opulent ausgestattet. Nur noch ein einfacher Bahnsteig, kein Abfertigungsgebäude, und die sogenannte Räuberbahn fährt auch nur noch im Saisonbetrieb. Aber immerhin!
Aber die Nutzung eines alten Bauwerks als Brauerei ist als Alternativlösung ja auch nicht zu verachten – seit 2018 befindet sich hier die Pfullendorfer Filiale der Barfüßer Hausbrauerei.
Biergarten und Kinderspielplatz
Wir treten von hinten an das Gebäude heran, wo sich ein Spielplatz und ein großer, mit riesigen Schirmen überdachter Biergarten befinden. Wir können also trotz des Regens draußen sitzen– in CoViD-19-Zeiten sehr angenehm. Die Sofas sind mit Stroh ausgestopft – die Überzüge sind zum Teil transparent und geben den Blick auf das Innere frei. Heiliger Strohsack!
Wir haben gerade erst Platz genommen, als eine junge Bedienung zu uns an den Tisch kommt. Sie hat sichtlich Spaß an ihrem Job. Bestgelaunt, herzlich und ohne aufgesetzte Freundlichkeit erklärt sie uns erst die Corona-Regeln, dann die verschiedenen Biersorten, und schließlich weist sie mich auch noch darauf hin, dass ich zunächst eine kleine Bierprobe bestellen könnte, bevor ich mich für große Gläser entscheiden würde.
ein sterbenslangweiliges Standard-Triplett als Bierprobe
Gesagt, getan, und Augenblicke später steht die Bierprobe vor mir. Zwar „begeistert“ sie nur mit dem sterbenslangweiligen Standard-Triplett der deutschen Gasthausbrauereieinöde Hell – Dunkel – Weizen, aber dafür kann die Bedienung ja nichts.
Ich fange mal mit der 5,2%igen Weiße an. Verhältnismäßig klar ist sie, da hat sich die Hefe wohl schon im Fass oder Tank gut abgesetzt. Geschmacklich ist sie genauso langweilig, wie ich es befürchtet habe. Nur sparsame Fruchtaromen, wenig hefige Fülle im Mund und am Gaumen, und ein eher lauer Abgang. Dutzendware für den großen, beiläufigen Schluck zum Essen, wenn das Bier am besten nicht stören soll.
auf so einer schönen Anlage entstehen so langweilige Biere …
Nicht viel anders ergeht es mir mit dem 5,2%igen Schwarzbier, der Schwarze. Keine Geschmacksfehler, aber auch nur wenig Geschmack, in dem es eben diese Fehler geben könnte. Kaum Röstaromen, ein Hauch von Malz, wenig Hopfenbittere. Ein weichgespültes Bier für den Volumentrinker, der gerne mal etwas anderes im Glas hätte, das aber nicht anders schmecken darf.
Ob denn das Blonde, das wiederum 5,2%ige Helle, da noch etwas rausreißen kann? Leider nicht – ganz im Gegenteil. Im Gegensatz zu den ersten beiden Bieren, die einfach nur langweilig waren, weist dieses ein deutliches Diacetyl-Fehlaroma auf. Ich bin durchaus nicht unzufrieden, von diesen drei Sorten nur jeweils ein kleines Gläschen vor mir gehabt zu haben.
sehr schmackhafte schwäbische Lokalküche
Das Essen kommt, mit einem bezaubernden Lächeln serviert. Klassische, schwäbische Lokalküche: Spätzle, Linsen, Seitenwürstchen. Ein ganz einfaches Gericht, eigentlich fast ein Arme-Leute-Essen, aber ich mag es immer wieder gerne. Und hier und heute schmeckt es auch vorzüglich – man kann auch Alltagsküche auf den Punkt bringen. Sehr schön. Das versöhnt mich ein wenig mit den drei Bieren.
Sie hätte noch ein Rotgold, also ein Kellerbier, und einen Bock, erklärt mir die junge Dame, der mein kritischer Blick auf die ersten drei Biere nicht entgangen ist. Ob ich die denn noch probieren wolle? Bierprobe ginge zwar nicht, aber jeweils ein 0,3er Gläschen ginge nach dem guten Essen doch gewiss?
mit Pils hat dieses Bier nicht so viel zu tun, auch wenn es so heißt: Kellerpils
Das Rotgold, Kellerpils genannt, reiht sich ein: Zu glatt, zu gefällig, zu charakterlos. Ein Hauch von Münchner Malz nur, der ihm ein bisschen Fülle verleiht, aber ansonsten täte es jedes Industriebier auch. Und was ein rotgoldenes Bier mit Pils zu tun hat, und was überhaupt ein Kellerpils sein soll, das erschließt sich mir auch nicht hundertprozentig. Da ist die Fantasie beim Benennen des Stils wohl mit der Brauereichefin oder dem Brauereichef durchgegangen. Aber: Kein Geschmacks- oder Aromafehler, insofern fällt es wenigstens nicht schwer, das Bier auszutrinken.
Soll ich jetzt wirklich noch das Bockbier …? Für einen Moment zögere ich, aber angesichts des Regens und des Bewusstseins, dass wir wegen des schlechten Wetters eh nichts anderes mehr vorhaben, probiere ich es dann doch.
sieht genauso aus, schmeckt aber viel besser: das Bockbier
Was für ein Glück! Als letztes der hier angebotenen fünf Biere vermag es mich endlich zu erfreuen. Ein schöner und runder Malzkörper, samtweich und trotzdem kräftig, begleitet von feinen Malzaromen in der Nase, ein runder und sanfter Schluck, und vor den Augen eine dunkelrotgoldene, fast schon leuchtende Farbe. Na bitte, der Brauer kann also doch was. Scheinbar sind die anderen Biere (vielleicht von der Diacetyl-Note im Blonden mal abgesehen) nur das Zugeständnis an ein wenig bieraffines Publikum, dem es doch eher um ein unauffälliges Begleitgetränk geht, mit dem man die großen Bissen schnell herunterspülen kann. Wer weiß …
Da ich sowieso jetzt mal aus guten Gründen durch den Schankraum laufen muss, schaue ich mir das Innere der Hausbrauerei auch mal etwas näher an. Die sorgfältig polierte kupferne Brauerei steht prominent in der Mitte des Saals, schön von Scheinwerfern illuminiert. Das alte Bahnhofsschild „Pfullendorf“ hängt gegenüber an der Wand und erinnert an vergangene Zeiten. Die Deko überall im Raum nimmt die Kupfertöne des Sudwerks auf, die Trennwände zwischen den Sitzgruppen sind mit Hopfenstangen, -drähten und -ranken verziert, die Deckenlampe besteht aus braunen Bierflaschen – der Innenarchitekt hat durchaus ein glückliches Händchen gehabt. Ohne Corona würden wir uns hier drinnen sehr wohl fühlen; mit Corona bevorzugen wir aber den Biergarten.
das ansprechende Ambiente greift ein paar alte Bahnhofselemente auf
Mit sehr gemischten Gefühlen machen wir uns schließlich wieder auf den Weg. Das Essen war fein, die Atmosphäre war sehr angenehm, die Bedienung (laut Kassenbon Michelle Brugger) war superfreundlich, herzlich und fröhlich, aber wegen der Biere braucht man definitiv nicht hierher zu kommen – ganz im Gegenteil.
Im ehemaligen Bahnhofsgebäude der Stadt untergebracht, hat Barfüßer die Hausbrauerei Pfullendorf täglich von 11:00 bis 24:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Durch die Lage unmittelbar neben dem ZOB Pfullendorf kommt man durchaus bequem mit dem Linienbus bis direkt an die Brauerei; alternativ gibt es Parkplätze direkt neben den Bushaltestellen.
Barfüßer die Hausbrauerei Pfullendorf
Franz-Xaver-Heilig-Straße 2
88 630 Pfullendorf
Baden-Württemberg
Deutschland
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