Digitales Biertrinken
Dominik, Frank & Volker
AUT / DEU

Mehr als nur eine Notlösung …

Seit Monaten schon hatten wir geplant, uns zu treffen. Mal kamen andere Termine dazwischen, meistens aber Corona und die gelegentlich etwas überraschend-erratischen Kontaktbeschränkungen der Politik, die in Zeiten niedriger Infektionsraten oft übermäßig streng, in Zeiten hoher Infektionsraten aber meistens zu spät, zu milde und zu kurz waren und sind.

Volker, Dominik & Frank

Die Digitalisierung ist die Lösung fast aller Probleme, wir treffen uns also per Videokonferenz, und am Ende eines viel längeren Abends als geplant stellen wir fest: Das war mehr als nur eine Notlösung, das war wunderbares, gemeinsames Biertrinken und Fachsimpeln vom Feinsten. Auch ohne persönlichen Kontakt zwischen Dominik Ahmidou-Fend, Frank Di Marco und mir.

An allen drei Enden der Datenleitung verkosten wir spannende Biere.

Crossroads Ales & Lagers – New Age Lager

Den Auftakt soll das New Age Lager von Crossroads Ales & Lagers aus Peiting machen, allerdings findet da die Verkostung ein recht schnelles Ende. Das 5,3%ige hellgelbe, leicht trübe Bier mit ziemlich hoher Spundung und viel großblasigem Schaum erweist sich nämlich als umgekippt. Eine deutliche und unangenehme Säure macht den Genuss unmöglich und das Bier untrinkbar, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum eine gute Qualität bis zum 14. März des kommenden Jahres verspricht. Schade.

BRŁO – Blurry Vision Hazy India Pale Ale

Also schnell was anderes aus dem Kühlschrank geholt – und zwar das Blurry Vision, ein Hazy India Pale Ale der Berliner Brauerei BRŁO. 6,5% Alkohol hat es, füllt das Glas mit einer leuchtenden, fast schon orangenen Farbe, gekrönt von reichlich, vielleicht fast schon ein bisschen zu viel Schaum. Die gleichmäßige Trübe, die intensive Farbe und der ebenso intensive Geruch nach Maracuja lassen an ein Glas Fruchtsaft denken, und auch der erste fruchtige, süße Eindruck auf der Zunge geht in diese Richtung. Dann breitet sich überraschend sanft eine doch recht intensive Bittere an Zungenrücken und Gaumen aus, die auch nach dem Schluck ein bisschen haften bleibt und mit den retronasalen Fruchtaromen einen interessanten Kontrast formt. Aber bei allem Kontrast: Die Übergänge zwischen süß und bitter sind sanft und fließend und nicht so hammermäßig wie bei vielen anderen New England oder Hazy IPAs. Sehr gelungen.

orca brau / Heidenpeters – Zitrone Vanille

Als drittes genieße ich kein Bier. Das ist nämlich die Auflage, die Felix vom Endt mit seiner orca brau in Nürnberg von den Wächtern des Reinheitsgebots, also den zuständigen Behörden bekommen hat: Es darf nicht Bier draufstehen, wenn er gegen das Surrogatverbot durch Zugabe von aus bayerischer Sicht merkwürdige Zutaten verstößt. Ich trinke also einen alkoholischen Malztrunk namens Zitrone Vanille, der neben Gersten- und Weizenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser auch Zitronenschalen und Vanilleschoten enthält und den Felix zusammen mit Johannes Heidenpeter von Heidenpeters Brauerei gebraut hat. Eine dunkelgelbe Farbe, reichlich Schaum, 4,7% Alkohol und eine frische, zitrusartige und leicht saure Aromawolke über dem Glas. Der Antrunk ist erfrischend zitronig, man spürt die Zitronenschalen auch mit der Herbe der Zesten sehr deutlich, von der Vanille spüre ich aber leider nichts – weder im Geruch, noch auf der Zunge, noch retronasal. Vielleicht rundet sie durch ihre Existenz einfach nur das Gesamtgeschmackserlebnis ein wenig ab, ohne sich selbst als Zutat zu offenbaren – das ist ja das Geheimnis guten Würzens. Ein interessantes Bier, das insbesondere als herrliche Erfrischung im Sommer seine Bestimmung finden könnte. Obwohl: Auch heute haben wir am Nachmittag im T-Shirt auf der Terrasse gesessen. Auf 1000 m Höhe am 19. Dezember …

Lahnsteiner – Schnee-Bock [2013 – 7 Jahre alt]

Mittlerweile ist es spät geworden. Die Zeit ist ob der guten und intensiven Gespräche verflogen, und nun ist der Moment für ein letztes, ein besonderes Bier gekommen. Ich öffne eine Flasche Schnee-Bock aus der Lahnsteiner Brauerei, und zwar eine aus dem Jahr 2013. Sieben Jahre ist das Bier nun alt. Satt und dunkelbraun fließt es ins Glas, die Spundung ist auch nach sieben Jahren noch angemessen – ein dicker, dunkler Bock sollte sowieso nicht zu viel Kohlensäure haben. Es bildet sich eine schöne, beigefarbene Schaumschicht, feinporig, kremig und recht lange haltbar. In der Nase machen sich dicke und süße Malzaromen breit, eine Wahrnehmung, die die Zunge beim ersten Schluck sofort bestätigt. Viel Süße, viel Malz, ein paar kräuterige Aromen, die an Schweizer Blockmalz denken lassen, aber auch eine dezente, jedoch deutlich spürbare Note von herbem Waldhonig. Der Abgang bleibt weich und satt, fast schon klebrig. Ein dicker und im positiven Sinne mastiger dunkler Bock, der perfekt gereift ist. Das Mindesthaltbarkeitsdatum schwafelt irgendwas von Februar 2015, aber die Realität beweist sechseinhalb Jahre später, dass es sich in der Tat um ein MINDESThaltbarkeitsdatum handelt. Was für eine spannende Trinkerfahrung.

Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit wegen eines Toilettengangs, und als ich wiederkomme, ist ganz basisdemokratisch die Entscheidung für ein nächstes, ein allerletztes Bier gefallen: „Wir haben uns doch noch eins aufgemacht …“, tönt es aus dem Rechner.

True Brew – Do A Kickflip New England India Pale Ale

Nun denn, also noch ein allerletztes Bier, aber keine so ausgefallene Spezialität mehr, sondern eher ein Mainstream-Bier – zumindest, wenn wir uns innerhalb unserer Filterblase bewegen. Das Bier stammt von True Brew aus München, heißt Do A Kickflip und ist ein New England India Pale Ale. Der Alkoholgehalt beträgt 6,66%. Kräftig gelb ist es, nicht so trüb, wie ein NEIPA eigentlich sein sollte, und ein bisschen überspundet. Dafür passt aber die Aromatik. Schöne Fruchtnoten, ein bisschen harzige Aromen im Hintergrund. Ein weicher und runder Antrunk, auf der Zunge eine deftige Bittere, die aber noch mit den Fruchtaromen harmoniert, und im Abgang eine feste Herbe am Gaumen, die nicht kratzt, aber doch so präsent ist, dass sie direkt Lust auf den nächsten Schluck macht. Ein richtig gutes Bier eines Stils, den ich doch sonst so gar nicht leiden kann.

fünf Stunden, fünf Biere

Mittlerweile ist es Mitternacht. Seit fünf Stunden haben wir getrunken und diskutiert und – vor allem – sämtliche Probleme der Bierwelt der Vergangenheit, der Gegenwart und natürlich auch der Zukunft gelöst. So perfekt, wie man es nur bei mindestens einer Handvoll Bieren machen kann.

Wenn man sich schon nicht mehr persönlich treffen kann, so ist ein gepflegtes gemeinsames Betrinken per MS Teams doch immerhin die zweitbeste Lösung!

Bilder

2 Kommentare

  1. Danke, lieber Volker Quante für diesen federleichten Bericht über Euer Biertasting. Heute früh beim ersten Kaffee des Tages gelesen und ich gehe vergnügt in den vorletzten Arbeitstag vor Weihnachten.
    Niedrige Grüße, Martin

    • Hallo, Martin,

      ein federleichter Bericht? Das ist ja mal eine nette Umschreibung. Hab Dank dafür und genieße die letzten Arbeitsstunden vor Weihnachten.

      Frohes Fest, ein GESUNDES neues Jahr 2021, und lass Dich nirgends anstecken.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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