Es ist ein Spontankauf. Eigentlich ist der Bierkeller mit seinen Kühlschränken gut gefüllt, aber der kleine Karton mit drei Bierflaschen und einem Verkostungsglas sticht mir sofort ins Auge.
Drei Flaschen Aged Bock vom Schwarzbräu aus Zusmarshausen, jede aus einem anderen Jahr.
ein Probierset mit Verkostungsglas
Der Schwarzbräu bietet seinen Aged Bock schon seit längerem an. Auf dem Etikett ist ein runder Stempel aufgedruckt: „Sudjahr 20xx“ steht drauf, ergänzt um wichtig aussehende fünf Sterne. Das Bier wird im Lagerkeller der Brauerei unter kontrollierten Bedingungen gelagert und derart vorgealtert auf den Markt gebracht. Eine gute Idee, die nur einen kleinen Makel hat: Entdeckt man einen älteren Jahrgang dieses Biers nämlich in irgendeinem x-beliebigen Getränkemarkt, so ist nicht klar, ob das Bier lange in der Brauerei und nur kurz im Regal gestanden hat (gut), oder nur begrenzt in der Brauerei und dann schon ewig im Regal des Händlers, wo es vielleicht Licht und Temperaturschwankungen ausgesetzt war (schlecht).
Bei diesem Karton ist es aber klar. Die Biere standen kontrolliert in der Brauerei.
Neugierig öffne ich den Karton und stelle die drei Flaschen vor mich hin. Eine schöne Verkostung mit meiner holden Ehefrau soll es werden, zunächst hat aber das Schicksal noch einen kurzen Wutanfall vorgesehen, als mir der schwere Flaschenöffner aus der Hand rutscht und das schöne Verkostungsglas zerdeppert. Sch …!
Aber Bier beruhigt. Offensichtlich schon, bevor man es getrunken hat …
so sollen die Biere angeblich schmecken
Der Karton klärt uns auf, welche Geschmacksrichtungen wir von den unterschiedlich lange gereiften Bieren aus den Jahren 2019, 2018 und 2017 zu erwarten haben.
Neugierig beginnen wir die Vertikalverkostung (so nennt man das, wenn man das gleiche Bier aus verschiedenen Jahren trinkt – der Begriff kommt ursprünglich von den Weinverkostungen) mit dem jüngsten Bier, dem Aged Bock 2019. Kräftig braun ist die Farbe des Biers, der Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend, bleibt aber lange stabil stehen. In der Nase identifizieren wir fruchtige Aromen, und auf der Zunge gibt sich der Bock weich und malzig. Von den auf dem Karton versprochenen Karamellnoten spüren wir wenig bis gar nichts, sind aber trotzdem außerordentlich zufrieden.
Jahrgang 2019
Der Jahrgang 2018 unterscheidet sich optisch nicht vom jüngeren Bruder, geschmacklich aber schon. Kräftige, brotige Aromen herrschen vor, von Fruchtigkeit spüren wir nicht viel. Auf der Zunge wirkt dieses Bier deutlich rauer, im direkten Vergleich fast schon ein bisschen kratzig, und es hinterlässt am Rachen eine zwar nur leichte, aber kantige Bittere. Obwohl auch kein schlechtes Bier, wirkt der Jahrgang deutlich unausgewogener und lässt insbesondere die auf dem Karton angepriesenen intensiven Fruchtnoten vermissen.
Jahrgang 2018
Das älteste der drei Biere aus dem Jahr 2017 schließlich hat einen feinen Bodensatz gebildet. Während der langen Lagerung sind Substanzen (vermutlich Eiweiße) ausgefallen. Vorsichtig gieße ich das Bier in die Probiergläser, und nach diesem Dekantieren unterscheidet es sich nicht von den beiden vorherigen Jahrgängen. Einzig die Haltbarkeit des Schaums ist deutlich kürzer. Schon kurz nach dem Foto fällt er zusammen. Der Nase schmeichelt dieser Jahrgang mit feinen Honigaromen – ein typisches Alterungsaroma, das sich aber harmonisch mit dem weichen und ebenfalls honigartigen Geschmack auf der Zunge verbindet. Runder, behäbiger, voller, aber auch harmonischer als der 2018er Jahrgang präsentiert sich dieses Bier. Deutlich gealtert, aber im positiven Sinne.
Jahrgang 2017
Eine spannende Verkostung, die zeigt, dass ein Bier nach zunächst guter Alterung (ein Jahr) durch ein gewisses Aromentief gehen kann (zwei Jahre), bis es dann doch wieder positiv reift und mit großer Geschmacksfülle bestechen kann (drei Jahre). Jetzt wäre es interessant, eine vergleichbare Verkostung mit den Jahrgängen 2020, 2019 und 2018 und ein Jahr drauf noch einmal mit 2021, 2020 und 2019 zu machen, um festzustellen, ob es wirklich ausschließlich die Reifung oder vielleicht auch eine von Jahr zu Jahr leicht schwankende Basis ist, die die unterschiedliche Aromatik verursacht. Bier ist schließlich ein Naturprodukt, und auch der beste Brauer kann die von Saison zu Saison wechselnde Rohstoffqualität nie zu 100% kompensieren.
Schwarzbräu Aged Bock (Verkostung)
Schwarzbräu GmbH
Marktplatz 6
86 441 Zusmarshausen
Bayern
Deutschland
Be the first to comment