Über 1000 Bierkrüge, hunderte historische Bierflaschen, aber auch Plakate, Emailleschilder, ein komplettes historisches Sudwerk aus dem Jahr 1900, Briefe, Urkunden, alle Ausgaben der Zeitschrift Brauwelt seit 1861, Bierdeckel, ein Bierfass, in dem Georg Lechner schlafen kann, und fast 250.000 Etiketten – Georg Lechners Biermuseum in Oelde bei der Pott’s-Brauerei ist einfach nur beeindruckend. Und: Es ist nicht einfach nur ein auf über 300 m² zusammengetragenes Sammelsurium, sondern alles ist bestens aufbereitet, erschlossen, sortiert, gruppiert, erfasst …
der Eingang zum Georg Lechner Biermuseum
Neugierig frage ich Georg Lechner, ob er die Bieretiketten von meinem Brunnenbräu-Hausbier, die ich ihm vor Jahren mal spaßeshalber geschickt habe, tatsächlich auch seiner Sammlung einverleibt habe? Ein erstaunter, verwunderter Blick – hast Du etwa Zweifel?
„Und findest Du die denn auch wieder?“ Keine dreißig Sekunden später liegt der Aktenordner vor uns. Postleitzahl und Brauereiname haben genügt, ein zielgerichteter Griff, aufschlagen, und „Voila!“, hier sind sie, die selbst designten, selbst gedruckten Etiketten vom Brunnenbräu …
Mir bleibt die Spucke weg. Wie eine Viertelmillion Etiketten überhaupt archiviert werden kann, und dann noch mit einem System, das auch den Exoten innerhalb weniger Sekunden auffindbar macht – Respekt!
Georg Lechner und die Etiketten vom Brunnenbräu
Und so ist Georg Lechners Biermuseum mehr als nur eine Ausstellung – es ist auch eine Quelle historischen Wissens. Zu jeder existierenden deutschen Brauerei, und zu fast allen Brauereien, die seit dem neunzehnten Jahrhundert jemals in Deutschland existiert haben, erarbeitet sich Georg Lechner die Hintergrunddaten. Adressen, Biermarken, Besitzer … Ein unerschöpflicher Fundus, stetig wachsend.
„Null-Fünf oder Null-Drei?“, fragt er mich und drückt mir schließlich ein Null-Dreier-Bier in die Hand. „Hier! Prost! Und jetzt zeige ich Dir mal, was in den alten Brauwelt-Ausgaben alles für Informationsschätze schlummern!“ – „Schau, hier habe ich alles mit Jahrgang und Seitenzahl nach Brauereien sortiert aufbereitet. Sag‘ mir den Namen einer Brauerei oder eines Ortes, und ich kann Dir in kürzester Zeit alles zur Geschichte zusammentragen!“
Wobei rasch deutlich wird: Georg Lechner interessieren nur „richtige Brauereien“, keine Großindustrie, keine Fernsehbiere, keine Wasserfärber. In der Regionalität, in der Originalität und im ursprünglichen Geschmack liegt der Zauber des Bieres. Und nicht in der seelen- und geschmackslosen Einheitsbrühe aus den großen Bierfabriken. „Schade nur,“ sinniert er, „dass gerade hier in Westfalen die Menschen gar nicht zu schätzen wissen, wie gut die Biere ihrer kleinen, regionalen Brauereien sind. Da wird fürchterlich über die Brauerei des eigenen Ortes geschimpft, das billige Fernsehbier aus dem Sonderangebot gekauft, und hinterher wundert man sich, warum der örtliche Brauer pleite geht und zu macht. Gibt ja nur noch eine Handvoll regionale Brauereien hier. In Franken ist das anders, da zählt Heimat noch etwas. Da ist man stolz auf die eigene Brauerei im Dorf, und im Resultat finden wir da hunderte kleiner Brauereien, an jeder Ecke!“
das Museum erstreckt sich über mehrere Ebenen
Bevor sich Frust breitmacht, nehmen wir noch einen Schluck. Georgs frisch angetraute Ehefrau Lucja kommt hinzu, und wir fangen an, von der polnischen Bierszene zu schwärmen. Was da im Moment abgeht, wie schnell es sich entwickelt, wie dort die Brauereien allerorten aus dem Boden sprießen. Und ob sich eine solche Entwicklung in Deutschland jetzt auch andeutet? Experimentierfreudig und mutig? Wir kommen ins Philosophieren, reisen in Gedanken über die Bierfestivals der Welt, und hätte meine holde Ehefrau nicht auf die Uhr geschaut und mahnend den Zeigefinger gehoben, wühlten wir wahrscheinlich jetzt noch in alten Zeitschriften, Etiketten, Büchern und Erinnerungen …
Das Georg Lechner Biermuseum wurde 1997 in der ehemaligen Felsenkeller-Brauerei in Monschau erstmalig eingerichtet und befindet sich nach einer Zwischenstation in Ostfriesland beim Ostfriesenbräu in Bagband nun seit 2003 mitten drin in der Pott’s-Brauerei in Oelde. Es ist täglich von 11:00 bis 19:00 Uhr geöffnet; der Eintritt kostet pro Person einen Euro. Parken kann man problemlos und gebührenfrei vor dem Gebäude, und es empfiehlt sich, den Museumsbesuch auch mit einem Rundgang durch die Brauerei und vorher oder nachher einem deftigen Essen mit leckerem Pott’s-Bier im Brau- und Backhaus zu verbinden. Für Gruppen bietet Georg Lechner auch Führungen durch das Museum an.
Georg Lechner Biermuseum
In der Geist 120
59 302 Oelde
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
Das Phänomen, daß die örtliche Brauerei verschmäht wird, ist auch in Bayern zu finden, mit den überall metastasierenden Münchner Brauereien. Stichwort Augustiner, eins der am meisten überschätzten Biere.
Ja, da stimme ich Dir zu. Augustiner ist sicherlich kein schlechtes Bier, aber so gut, dass man einen solchen Kult veranstalten müsste, ist es nicht. Insbesondere das einfache Helle hat eine viel zu starke Schwefelnote.
Mit bestem Gruß,
VQ
Georg Lechner, der aus der ehemaligen Bierhochburg Baunach stammt, hat mit Lechners Liste den Bieretiketten der letzten Jahrzehnte ein würdiges Denkmal geschaffen.
Das Buch habe ich auch. Ein aufwändig gemachter Bildband.
Mit bestem Gruß,
VQ