Schönbuch-Bräu
Böblingen
DEU

Nachtrag 11. September 2023: Ich schaue auf die Uhr: 12:30! Eigentlich wollten wir um diese Zeit schon zuhause sein, aber die Autobahnen im Südwesten waren mal wieder zugestaut. Blinker rechts, runter von der Autobahn und eine Viertelstunde später geht’s rein in die Brauerei. In diesem Fall in die Schönbuch Braumanufaktur in Böblingen. Seit dreizehn Jahren bin ich nicht mehr hier gewesen.

Die Sonne brennt, es ist deutlich über 30°C heiß, und so ist der Biergarten menschenleer. Stattdessen rücken die Gäste auf der Terrasse unter dem großen Sonnendach enger zusammen. Hier ist Schatten und es weht ein kleines Lüftchen, hier kann man es aushalten.

Auch wenn der Kupferkessel nicht mehr in Betrieb ist – er sieht gut aus!

Die Karte bewirbt ein neues Bier – das Jubiläums Kellerbier Karl Gottfried. Eingebraut zum 200jährigen Bestehen der Braurei. 1823 hat Karl Gottfried den Grundstein gelegt, und da er vorher elf Jahre lang in Nürnberg gelernt und gearbeitet hatte, hatte er auch die typische untergärige Brauweise von dort mitgebracht. Insofern ist es nur konsequent, dass das Karl-Gottfried-Bier dem untergärigen Nürnberger Rotbier nachempfunden worden ist.

Serviert wird es nur in Flaschen, und ich bestaune das quietschbunte, neuzeitliche Etikett mit dem vierfachen Porträt des alten Brauers. „Was für ein seltsamer Haarschnitt“, denke ich, aber dann fällt mir ein Zeitungsartikel von vorgestern wieder ein. Das, was vor zweihundert Jahren getragen wurde, scheint heute in nur geringfügiger Abwandlung als „Edgar“ der allerneueste Schrei zu sein …

Das Bier schmeckt schön rund, malzig und trotzdem gut trinkbar. Deutlich weniger sättigend als die meisten Nürnberger Rotbiere, und eher in die Richtung Wiener Lager tendierend. Gefällt mir gut, lediglich die Schaumstabilität lässt zu wünschen übrig.

Meine holde Ehefrau genießt das alkoholfreie Weizen, und in diesem Fall darf man wirklich von Genuss sprechen. Intensive Bananenaromen, ein voller, runder Körper, und die unvermeidliche Restsüße eine Alkoholfreien so dezent, dass sie gar nicht stört. Sehr gelungen!

Eine junge Dame und ein junger Herr sind für unseren Tisch verantwortlich, und beide sind sie herzlich, aufmerksam, gut gelaunt und blitzschnell. Sie strahlen Freude am Service aus, so dass wir uns absolut wohl und gut aufgehoben fühlen.

Auch das Essen passt. Die Tagessuppe, das Rotbarschfilet, der Salat mit gebratenem Hühnchenfleisch, der Apfelstrudel oder der do-it-yourself Affogato. Letzterer ist in den vergangenen Jahren sehr in Mode gekommen: Ein starker Espresso, besser noch ein doppelter, und eine Kugel Vanilleeis drin. Oder umgekehrt: Eine Kugel Vanilleeis mit dem Espresso übergossen. Hier, in der Schönbuch Braumanufaktur, bleibt dem Gast die Entscheidung überlassen: Ein Kännchen mit dem doppelten Espresso, ein Schüsselchen mit der Kugel Vanilleeis und eine leere Kaffeetasse mit dem kreativen Freiraum …

Kellerbier, alkoholfreies Weizen & Pils

Ein zweites – kleines! – Bier gönne ich mich noch, und zwar das Pils. Klassisch herb, mit einer feinen Restsüße. Im süddeutschen Stil gebraut, blitzsauber und erfrischend. Und dass auf dem Bild nur noch zusammengefallener Schaum zu sehen ist, daran bin ich selbst schuld. Wenn man das servierte Bier eine Weile missachtet, weil das Essen doch gar so gut mundet …

Alles ganz vorzüglich, und hochzufrieden schließen wir unser Mahl und unsere Pause ab, nehmen aus dem nebenan gelegenen Braumarkt noch ein paar Flaschen Bier mit und machen uns wieder auf den Weg.

Große Empfehlung!

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Und zumindest zu einem der mitgenommenen Biere gibt es auch ein paar …

Verkostungsnotizen

Schönbuch Braumanufaktur – Schönbuch Premium Selection (4,8%)

Ein naturtrübes Helles in Perfektion – ein Fünf-Sterne-Bier. Und dennoch … Es fehlt ihm an Individualität und Charakter. Zu glattgeschliffen? Zu perfekt? Und damit zu austauschbar? Wie irgend so ein retuschiertes Businessanzugmodell auf dem Titelblatt eines Modekatalogs …

Es hat eine hellgelbe Farbe, eine dezente und sehr gleichmäßige Trübung und einen schönen, lange haltbaren, schneeweißen Schaum.

Der Duft ist ganz dezent hopfig (heuartige Noten) und ebenso dezent malzig (ein Hauch biskuitartiges Getreide).

Der Antrunk ist mild, weich, perfekt ausbalanciert, aber auch aalglatt. Ebenso auf der Zunge. Malz und Hopfen in perfekter Balance, eine auf den Punkt gebrachte Rezens, eine extrem saubere Hopfenbittere, die gerade stark genug ist, das Bier nicht süßlich erscheinen zu lassen und dabei keine eigene Rolle spielen zu wollen.

Retronasal feine Malzaromen und eine heuartige Hopfennote – ganz zurückhaltend, versteht sich.

Im Abgang entscheidet sich das freundschaftliche Ringen zwischen Hopfen und Malz zugunsten des Letzteren. Feine Biskuit-Klänge hallen nach, während die Bittere sehr rasch abtritt.

Ein in seiner Ausgewogenheit streberhaftes Bier, bei dem ich mir gewünscht hätte, irgendwann während des Genusses auf eine klitzekleine Ecke oder Kante zu stoßen, die ihm einen individuellen Charakter verleiht. So, wie wenn man einem perfekten Model früher einen winzigen Leberfleck neben den Mund geschminkt hat, damit das Gesicht nicht zu künstlich wirkt.

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Schönbuch-Bräu

Die Schönbuch Brauerei liegt im Zentrum Böblingens zwischen der Einkaufsstraße und einem Wohngebiet, und ich war am 11. April 2010 überrascht, dass es sich mitnichten um eine winzige Gasthausbrauerei handelt, sondern um eine Brauerei von durchaus respektabler Größe. Warum nur hatte ich nie vorher vom Schönbuch-Bräu gehört?

der Brauereiauschank „Brauhaus“

Hinter den schmucklosen Brauereigebäuden liegt ein sehr moderner Holz- und Betonbau mit großen Glasflächen – der Brauereiauschank „Brauhaus“. Als ich auf den großen Parkplatz fuhr, sah ich die Stroboskoplichter und hörte die wummernden Bässe. Sonntag spätnachmittags findet hier unter dem Motto „Hefe, Pils und Discofox“ eine Tanzveranstaltung statt. Die Halle des „Brauhauses“ ist aber groß genug, dass man trotzdem am anderen Ende ruhig sitzen und sein Bier genießen kann.

Die Bierauswahl ist überdurchschnittlich groß – auch ohne Biermischgetränke zählte ich locker zehn verschiedene Spezialitäten, davon vier vom Fass. Das „Naturtrüb“, das ich heute verkosten konnte, schmeckte würzig und süffig, hätte aber vielleicht noch eine Portion mehr Reife und mehr Hopfen vertragen. Trotzdem lecker. Dazu gibt es eine gute Auswahl klassischer Brauerei-Gerichte in großen Portionen.

das „Naturtrüb“

Schade nur, dass es im „Brauhaus“ selbst keinen Außer-Haus-Verkauf der angebotenen Biere gibt, man kann lediglich die ungeöffneten Flaschen zum vollen Speisekartenpreis mitnehmen. Schade. Während der Woche sollte das aber kein Problem sein – direkt neben dem „Brauhaus“ ist ein Getränkeabholmarkt. Nur: Heute war Sonntag …

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W. Dinkelaker Schönbuch-Bräu GmbH & Co. KG
Lange Straße 20
71 032 Böblingen
Baden-Württemberg
Deutschland

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