Wildwuchs Brauwerk
Hamburg
DEU

Die Fahrt mit der S-Bahn hat ein Weilchen gedauert, und nun liegen noch einige Minuten zu Fuß vor uns. Geduldig laufen wir durch die Spätsommersonne und schwitzen vor uns hin. Hamburg zeigt sich von seiner weniger attraktiven Seite: Industriebetriebe, überbreite Straßen, schmale Bürgersteige und Ampeln, die es dem Fußgänger schwer machen, die großen Kreuzungen zu überwinden.

Irgendwann aber, die Beine sind müde, die Kehle ist schon trocken, erreichen wir mitten im Gewerbegebiet in einer alten Halle das Wildwuchs Brauwerk.

endlich da

Einige Jahre hat es gedauert, bis Friedrich Carl Richard Matthies, der Brauer mit den vielen Vornamen und deswegen immer nur kurz Fiete genannt, hier seinen Traum von einer eigenen Brauerei verwirklichen konnte. 2014 hat er Wildwuchs bereits gegründet und an anderer Stelle gebraute Biere unter diesem Namen auf den Markt gebracht, aber erst Ende 2018 war es soweit: Fiete konnte sein eigenes Brauhaus in Wilhelmsburg in Betrieb nehmen.

Und vor dem stehen wir jetzt.

ein kleines Brauereifest anlässlich der Hamburg Beer Week

Anlässlich der Hamburg Beer Week ist nicht nur der kleine Taproom geöffnet, in dem man die vor Ort gebrauten Biere verkosten oder sich im Rahmen von Bier- oder Brauseminaren weiterbilden kann, sondern es findet ein kleines Brauereifest statt. Biergarnituren stehen vor der Halle in der Sonne, im Sudhaus macht ein Discjockey Musik, ein Streetfood-Stand verkauft wunderbare, handgeschnittene Pommes, und wer mag, kann zwischen den Braukesseln und Lagertanks umherstromern und sich die Brauerei aus allen Blickrichtungen genau anschauen.

Wir lassen uns erstmal auf eine der Bierbänke fallen und bestellen einen „Wilden Ritt“, also eine Bierprobe mit sechs verschiedenen Bieren. Und gleich noch ein größeres Glas vom Sutsche Witbier dazu, gegen den ersten Durst.

Sutsche Witbier

Das 5,1% Wit rutscht prima, spritzig und frisch läuft es über die staubige Zunge, und auch wenn wir es nicht für ganz stilecht halten (die Aromatik passt nicht so richtig zu dem, was wir unter einem Wit verstehen, denn das Bier ist nicht fruchtig und spielerisch genug dafür, sondern eher fest-bodenständig), ist es jetzt erstmal genau das Richtige.

Augenblicke später kommt auch das Brettchen mit den sechs kleinen Bieren, begleitet von einem großen Glas frischem Leitungswasser. „Bei einer anständigen Verkostung müsst Ihr zwischendurch die Zunge freispülen, und überhaupt: Bei dem Wetter heute tut ein großes Glas frisches Wasser immer gut!“, sorgt sich die freundliche junge Dame um uns.

aus dem bunt illuminierten Sudhaus wummern die Bässe des Discjockeys

Aber nicht nur heute ist das Leitungswasser gratis, stellen wir nach einem Blick in die Speisekarte fest. „So gehört sich das“, denke ich. Überall, wo Wert auf gepflegte Bierkultur gelegt wird, sollte Leitungswasser als Begleitung gratis serviert werden. Das Unwesen, Mineralwässer in winzige Plastikflaschen zu füllen und teuer zu verkaufen, gehört angesichts der hervorragenden Qualität des deutschen Leitungswassers schon lange abgeschafft. Bei genauerer Betrachtung sind Firmen wir Nestlé oder Coca-Cola nämlich mit ihrem Wasserprogramm keine Wasser- sondern Plastikflaschenproduzenten. Nachhaltig und umweltschonend ist das alles nicht.

Beim Stichwort Nachhaltigkeit und Umweltschonung fällt mir ein: Fiete legt Wert darauf, dass seine Biere in Bio-Qualität angeboten werden. Der Hopfen stammt aus kontrolliert ökologischem Anbau vom Biohof, eine kleine Menge auch von einer eigenen Hopfenplantage in Finkenwerder. Das Malz kommt ebenfalls als Bio-Malz daher, und die Energie, die in der Brauerei benötigt wird, stammt aus regenerativen Quellen.

Da passt das mit dem Leitungswasser umso besser ins Konzept.

der „Wilde Ritt“

Aber genug über Ökologie sinniert – jetzt locken die sechs kleinen Biergläser.

Zwar habe ich heute keine Lust auf lange Verkostungsnotizen, aber eine kurze Sternebewertung gönne ich mir doch zu jedem der einzelnen Biere:

– Kein Weizen Ale (***) 4,9%
– Schlankes Lager (**) 4,7%
– Bock Orange (****) 7,9%
– Alt Kanzler Rauchbier (**) 5,1%
– Mucki Hop IPA (***) 6,5%
– Broid New England IPA (***) 6,3%

Zwischendurch immer wieder ein paar von den feinen Pommes, einen großen Schluck Wasser, und dann wieder eine Bierprobe. So simpel und doch so schön.

Ein paar Meter von uns entfernt üben sich ein paar junge Männer und Frauen im Wall-Painting. Eine große Kunststofffolie, die über ein Baugerüst gespannt wurde, dient als Leinwand, und im Laufe des Nachmittags entstehen hier einige farbenfrohe Kunstwerke.

Wall-Painting

Drinnen in der Halle, also im Sudhaus und Lagerkeller, wummern die Bässe. Die Lagertanks sind passend dazu in Bonbonfarben illuminiert. Das Sudwerk ist schmucklos und aus pflegeleichtem Edelstahl. Eine Produktionsstätte, keine Schaubrauerei.

Kupfer gibt es dafür aber im gemütlichen Taproom zu sehen. Zwischen aus alten Holzkisten zusammengesetzten Regalen steht nämlich eine Mini-Brauerei des Typs Brau-Eule. Blitzblank poliert funkelt das Kupfer, dass es nur so eine Freude ist. Hier finden also die Brauseminare statt.

Würden wir in Hamburg wohnen, wäre das bestimmt auch mal eine schöne Option, hier für ein Brau- oder Bierseminar einzukehren. Im Winter, wenn es im Taproom kuschelig gemütlich ist, während draußen der Sturm den Regen um die Halle treibt.

Holz und Kupfer machen den Taproom gemütlich

Heute ist aber schönes Sommerwetter, und so bleiben wir tiefenentspannt draußen auf unserer Bierbank hocken. Feine Biere, knusprige Pommes, gedämpfte Musik aus der Halle und warme Sonnenstrahlen im Nacken. So lässt es sich aushalten.

Das Wildwuchs Brauwerk hat dienstags, mittwochs und freitags von 10:00 bis 16:00 Uhr den Werksverkauf geöffnet; alle weiteren Veranstaltungen (Bierverkostungen, Brauseminare, Beer-Food-Pairings, Brauereiführungen) werden auf der Website angekündigt. Um hierher zu kommen, fährt man mit der S3 bis Wilhelmsburg und läuft dann gute zehn bis fünfzehn Minuten zu Fuß, an Eisen- und Autobahn entlang und durch das Gewerbegebiet. Aber der Weg lohnt sich!

Bilder

Wildwuchs Brauwerk
Jaffestraße 8
21 109 Hamburg
Hamburg
Deutschland

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