Der Tauschhandel blüht (15)
Sonthofen
DEU

Es geht nichts über gute Kollegen am Arbeitsplatz!

„Sie haben doch auch mal im Saarland gewohnt, oder?“, fragt Herr P. mit spitzbübischem Grinsen.

„Naja, stimmt, aber das ist über dreißig Jahre her“, erwidere ich.

„Und?“

„Was und?“

„Und gab es damals im Globus schon solche Biere?“ Mit Schwung stellt Herr P. vier Flaschen vom B(r)auhof Saar auf meinen Schreibtisch. „Na?“

„Witzbold!“, entfährt es mir. „Die Brauerei gibt es doch erst seit sechs Jahren!“

Herrn P.‘s Grinsen wird immer breiter. „Na, dann wird es doch höchste Zeit, dass Sie das jetzt mal probieren!“

Tja, genau so mache ich das jetzt auch. Ich probiere und schreibe dazu meine

Verkostungsnotizen

B(r)auhof Saar – Single Hop IPA Simcoe (5,8%)

Ich öffne die gut gekühlte und noch ein paar Wochen vom MHD entfernte Flasche, und der Inhalt schießt mir entgegen. Über das Glas, über die Bierteppiche, über das Balkongeländer. Viel Bier bleibt nicht übrig, das ich verkosten könnte. Für den kleinen, übrig gebliebenen Schluck, der nicht zur Kuhweide runtergetropft ist, gilt: Eine schöne, orangegelbe Farbe mit deutlicher und gleichmäßiger Trübung. Übermäßige Schaumentwicklung; der Schaum wird beim Zusammenfallen flockig und hinterlässt dicke Ränder am Glas. Der Geruch ist leicht säuerlich. Der Antrunk ist herb, leicht sauer, und auf der Zunge macht sich sofort eine breite Bittere breit, die retronasal von unangenehmen Lederaromen begleitet wird (alte, verschwitzte Medizinbälle im schlecht gelüfteten Geräteraum der Turnhalle). Nach dem Schluck merkwürdig dumpfe Aromen im Rachen. Leider untrinkbar.


B(r)auhof Saar – Infernal Pleasure West Coast IPA (6,9%)

Die Farbe ist kräftig orangegelb, die Trübung deutlich und gleichmäßig. Der Schaum ist, nun ja, mehr als übermäßig. Da er nicht nur großblasig und unästhetisch, sondern auch unendlich lange haltbar ist, dauert es ewig, bis ich den ersten Schluck trinken kann. Ein leicht säuerlicher Geruch signalisiert schon ähnliches, wie beim vorherigen Bier. Der Antrunk bestätigt es. Auch hier: Viel Bittere, aber auch Säure und ledrige, unangenehme, fast schon in Richtung faulig gehende Aromen. Ebenfalls untrinkbar.


B(r)auhof Saar – Your Dark – Dunkles Kellerbier (4,9%)

So richtig „dark“ ist das Bier nicht – zu mehr als einem Hell- bis Mittelbraun will sich die Farbe nicht durchringen. Gleichmäßig trüb ist das Bier, und es trägt eine zurückhaltende Schaumkrone, die sich angesichts sehr niedriger Spundung auch nur nach schwungvollem Eingießen bildet. Der Geruch ist intensiv karamellig, wirkt irgendwie kremig in der Nase und hat ein paar eher dumpfe Hintergrundnoten. Der Antrunk ist weich, sehr rund, und auf der Zunge wirkt das Bier sehr vollmundig, viskos, regelrecht mastig – als sei es ausschließlich mit Caramalz gebraut. Hinzu kommen ein paar an feuchte Erde erinnernde Noten, die sich retronasal zeigen. Der Abgang ist zunächst unspektakulär, es ist kaum Hopfenbittere zu spüren. Allerdings werden nach dem Schluck die feucht-muffigen Aromen noch mal sehr prägnant. Kein großer Genuss.


B(r)auhof Saar – Black Bitch – (4,8%)

Ob mir der Name Black Bitch gefällt? Ich weiß nicht … Das Bier ist jedenfalls schwarz. Fast. Im hellen Sonnenlicht kann man einen tiefen Rubinton identifizieren, und es scheint, als ob das Bier klar ist. Beim Einschenken formt sich eine sehr schöne Schaumkrone; leicht beigefarben und kremig. Der Geruch ist süßlich malzig, etwas karamellig und hat eine ganz schwach säuerliche Note im Hintergrund. Der Geschmack ist mehrschichtig. Im ersten Moment ist das Bier sehr malzsüß, fast wie ein Malzbier. Dann kommt eine kräftige Röstbittere hinzu. Zwei Gegensätze, die auf der Zunge miteinander um die Vorherrschaft kämpfen. Lange behält die Süße die Oberhand, dann setzt sich irgendwann die Bittere durch. Aber damit nicht genug: Irgendwann kommen ein paar ledrige, erdige Aromen hinzu, die sich in den Zweikampf einmischen. Während sich nach dem Schluck die beiden Erst-Kontrahenten ermattet zurückziehen, erobern die ledrigen Komponenten den Ring und präsentieren sich. Leider etwas aufdringlich, mit einer leicht faulig wirkenden Note sogar, so dass dieses Bier nach einem ersten (sehr kurzen) angenehmen Eindruck doch eher in die Richtung Infektion und „Ich trinke es nur aus, weil gerade nichts anderes auf dem Tisch steht“ abgleitet.


Weitere Berichte über den Tauschhandel am Arbeitsplatz sind von hier aus erreichbar.

2 Kommentare

  1. …“retronasal von unangenehmen Lederaromen begleitet wird (alte, verschwitzte Medizinbälle im schlecht gelüfteten Geräteraum der Turnhalle). “
    Wir Cowboys nennen das horse blanket…..

    • Nee, Ralf,

      wir haben lange genug ein Pferd besessen – alte Medizinbälle und Pferdedecke riechen unterschiedlich. Ich weiß aber, dass in manchen Kreisen bei Brettanomyces-Infektionen immer schnell von Pferdedeckenaroma gesprochen wird. Ich empfinde das genauso wenig zutreffend wie das Schinkenaroma, das in Bamberger Rauchbier hineininterpretiert wird.

      Offensichtlich eine Kompromissbezeichnung für Aromen, für die der unerfahrene Genießer keine passenden Worte findet.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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