Pivovar Bubeneč
Praha
CZE

Prag: Touristenmassen, die sich durch die Gassen der Altstadt schieben, sich von Taschendieben und fliegenden Händlern ausnehmen lassen und in zu eng bestuhlte, überladen dekorierte und überteuerte Restaurants und Bars einkehren.

Normalerweise jedenfalls.

Touristenmassen gibt es derzeit unter Pandemie-Bedingungen in der Altstadt nicht. Überfüllte und zu eng bestuhlte Lokale auch nicht. Aber die Preise, die Atmosphäre, der oft unhöfliche Service sind geblieben.

Um wie viel schöner ist es dann, mit der Metro oder der Straßenbahn der Altstadt zu entfliehen. Denn nur wenige hundert Meter außerhalb gehört Prag den Pragern. Hier gibt es ganz normale Stadtviertel mit ganz normalen Kneipen und Brauereien.

Das gepflegte Viertel Bubeneč beispielsweise. An jeder Straßenkreuzung ein Lokal, eine Wirtschaft oder ein Restaurant für die Einheimischen, für die, die hier wohnen. Nachbarschaftskneipen. Eine davon braut selbst – die Pivovar Bubeneč.

der schlichte und doch ansprechend gestaltete Schankraum

Ich betrete den schlichten Schankraum am späten Nachmittag. Noch ist außer mir erst ein weiterer Gast da. Nach einem Blick auf mein Impfzertifikat deutet mir die freundliche Dame hinter der Theke an, ich könne mich setzen, wo ich wolle. Nur der eine Tisch dahinten, eine Handbewegung ins Ungefähre folgt, sei reserviert.

Nun, dann bleiben im sparsam möblierten, aber in seiner zurückhaltenden Eleganz dennoch nicht ungemütlichen Schankraum noch vier Tische zur Auswahl übrig. Ich positioniere mich so, dass ich den ganzen Raum sehen kann und über die Theke hinweg durch das Glasfenster hinter der Theke auch einen Blick auf das Sudwerk habe.

Erstaunlich groß ist es. Schlicht aus Edelstahl gearbeitet, ohne Kupferverzierungen, ein einfaches Arbeitspferd für die Bierproduktion. Genauso einfach und funktional wie alles hier. Die kleine Theke, die Zapfanlage, die Einrichtung. Aber alles passt in dieser Schlichtheit zusammen und erzeugt die typische Atmosphäre einer Prager Trinkhalle.

vier Biere stehen zur Auswahl

Vier Biere bietet mir die Speisekarte zur Auswahl, und dazu gibt es einfache, deftige und – wie sich rasch herausstellen wird – schmackhafte Gerichte.

Ich fange mit einem einfachen hellen Lager an, dem Bubenečský Ležák 11°. Goldgelb steht es im Glas, mit viel nassem Schaum drüber, der sich langsam setzt und das Glas dann bis zum Eichstrich füllt. Tschechische Zapfkultur. Es riecht hopfig herb, und dann, nach dem frischen, aber nicht spritzigen Antrunk, zündet die Hopfenbombe. Klassische Hopfenaromen in Hülle und Fülle, dazu eine kernige Bittere, die vom ersten Moment an überwältigt und trotzdem in jedem Augenblick weich und samtig bleibt. Außerordentlich gelungen. Ein Bier für den ganz großen Schluck, perfekt für den Durst eines langen Arbeitstages.

Die nette Dame war noch gar nicht richtig an die Theke zurückgekehrt, als ich schon das zweite Bier bestellen musste. Zu rasch war es weggezischt. Es folgt also das Bubenečský Ale. Serviert in einem klassischen Pint-Glas mit Nonic, also der Ausbeulung, die das Stapeln dieser simplen Gläser so einfach macht. Genauso hopfig und samtig weich wie das Ležák ist es, weist daneben aber feine estrige Fruchtaromen auf, wirkt also etwas lieblicher. Ganz vorzüglich ausbalanciert.

Ich bekomme Hunger und bestelle mir das, was es in jedem guten tschechischen Gasthaus gibt, was ich aber immer nur essen kann, wenn ich allein unterwegs bin: Tatarák. Gehacktes rohes Rindfleisch, mit rohem Ei, Salz, Pfeffer und Kapern angemacht. Und dazu, und deswegen muss ich allein unterwegs sein, geröstete Graubrotscheiben, auf die man jeweils etwas Knoblauch reibt. Das geröstete Brot wirkt wie eine Raspel, und problemlos kann man eine ganze Knoblauchzehe pro Brotscheibe in die scharfkantigen Poren hineinraspeln. Dann das Tatar dazu … Köstlich!

Dass man dann die Nacht über stinkt wie ein Wiedehopf und am nächsten Morgen mit einem trockenen Hals aufwacht … geschenkt! Wichtig ist jetzt erstmal der Genuss.

Und dieser wird wunderbar ergänzt durch das dritte Bier, das Bubenečský Ležák 13° Blues. Etwas runder, etwas vollmundiger als das Ležák 11° vorhin. Vermutlich genauso kräftig gehopft, aber der Hopfen wird durch den volleren Malzkörper ein wenig maskiert und ausbalanciert. Groß ist der Unterschied zwischen dem Elfer und dem Dreizehner nicht, aber spürbar ist er schon.

auf diesem simplen Sudwerk entstehen die wunderbaren Biere

Zufrieden lehne ich mich auf der bequemen, mit Rauleder bezogenen Bank zurück. Das war jetzt alles vorzüglich. Zum krönenden Abschluss gibt es jetzt noch das Bubenečská West Coast IPA 2. Goldgelb, blank gefiltert, nicht übermäßig viel Schaum, und wie das Ale in einem Nonic-Glas serviert. Schöne harzige Hopfenaromen prägen dieses Bier, und überraschenderweise empfinde ich seine Bittere als gar nicht so mächtig, wie das sonst bei diesem Bierstil zu beobachten ist. Aber ich glaube zu wissen, warum: Die beiden Lagerbiere waren schon so großzügig gehopft, dass der Unterschied jetzt gar nicht mehr groß ins Gewicht fällt. Das, was nach einem milden Münchner Hell als Hopfenbombe erschiene, reiht sich hier ein in eine Galerie durchweg verschwenderisch gehopfter Biere.

Ich kann der Versuchung nicht widerstehen: Obwohl daheim die Bierkühlschränke bis zum Bersten gefüllt sind, nehme ich mir noch drei Biere mit. Im Rucksack ist ja Platz …

Die freundliche Dame hinter der Theke gewährt mir noch einen kurzen Blick ins Allerheiligste und öffnet mir die Tür zum Sudhaus. Auch wenn es kein sonderlich attraktives Sudwerk ist, sondern nur auf Zweckmäßigkeit getrimmt ist, aber ein Bild zur Dokumentation muss natürlich sein. Zur Dokumentation eines außerordentlich schönen Brauereibesuchs. Eine tiefenentspannte Atmosphäre, hervorragende Biere und feines Tatar. Hier hat heute Abend alles gestimmt.

Die Pivovar Bubeneč ist täglich ab elf Uhr geöffnet. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie mit der Metrolinie A (der grünen Linie), Haltestelle Hradčanská, und dann fünf Minuten zu Fuß in nördlicher Richtung.

Bilder

Pivovar Bubeneč
Bubenečská 321/33
160 00 Praha OT Bubeneč
Tschechien

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