Verkostungspaket aus Münchingen
Korntal-Münchingen
DEU

Frank, der Sommelier, bittet um Verkostung.

Manche Paketboten sind echt pfiffig – ihnen gelingt es immer wieder, Pakete im Hausflur zu deponieren, ohne bei irgendjemandem geklingelt zu haben. Und ich bin dann immer überrascht, wenn ich zufällig darauf stoße. Zum Beispiel, wenn ein Paketbote der einen Firma bei mir klingelt, mir ein Paket überreicht und ich beim Entgegennehmen quasi über ein anderes Paket des anderen Lieferdienstes stolpere. Wie lange das wohl schon da gestanden hat?

Aber egal. Wichtig ist, dass es heil angekommen ist!

Ein Verkostungspaket von Frank Di Marco, dem Biersommelier. Frank hat einen eigenen Getränkemarkt und ist mit Verkostungen, Seminaren, Schulungen, Lesungen und allem Möglichen immer sehr beschäftigt. Trotzdem hat er sich die Zeit genommen, ein spannendes Paket zusammenzustellen. Biere aus der Region, Biere von weiter weg. Ein Bier, das es noch gar nicht auf dem Markt gibt. Ein Bier, das er gleich zwei Mal eingepackt hat, weil es so toll lagerfähig ist und eine der beiden Flaschen also für mindestens ein Jahr im dunklen und kühlen Keller verschwinden sollte.

Ich freue mich riesig und habe großen Spaß an der Verkostung, die hier auch fotografisch dokumentiert ist.

Verkostungsnotizen

Radeberger Pilsner – Alkoholfrei (<0,5%)

Den Auftakt macht zur Abwechslung mal ein ganz anderes Bier. Zum ersten eins, das noch gar nicht auf dem Markt ist, sondern nur an Bierkenner verschickt wurde, um deren Meinung zu erfragen. Und zum zweiten ein Alkoholfreies!

Die Farbe ist strohgelb, das Bier ist blank gefiltert. Der schneeweiße Schaum entwickelt sich nur sehr zurückhaltend, bleibt dann aber aufgrund der recht hohen Spundung lange erhalten. Der Geruch ist mehrdimensional. Unmittelbar nach dem Öffnen der Flasche rieche ich intensives „Lichtaroma“ – ein Geruch, der sonst nur bei stärker gehopften Bieren aus grünen Flaschen zu spüren ist. Der berühmte Beck’s-Geruch. Er verfliegt aber blitzschnell und wird ersetzt durch einen dezenten, „pilsigen“ Geruch, also durch recht neutrale Hopfennoten ohne ausgeprägt fruchtigen oder kräuterigen Charakter. Eine ganz leicht brotige Note (Roggenbrotkruste) ist im Hintergrund zu spüren. Der Antrunk ist spritzig und schlank, auf der Zunge bleibt das Bier sehr schlank. Eine feine metallische Note ist retronasal zu spüren, während das Bier gleichzeitig auf der Zunge etwas adstringierend wirkt. Die Bittere ist deutlich, aber auch ein wenig rau – was vielleicht daran liegt, dass sie durch keinen wie auch immer gearteten Malzkörper ausgeglichen wird. Nach dem Schluck haftet die Bittere noch ein Weilchen. Die retronasalen metallischen Aromen werden noch etwas deutlicher, gleichzeitig macht sich ein Hauch von Getreidearoma (frisches Korn) bemerkbar, klingt aber rasch wieder ab. Insgesamt ein Bier, bei dem man genau hinschmecken muss, um es als alkoholfrei zu identifizieren.

Familienbrauerei Stolz – Allgäuer Stolz – Weihnachtsbier (5,2%)

Weihnachtlich ist es ja nicht gerade – draußen sind fast 10°C. Aber das Bier mundet trotzdem!

Hellkupferfarben steht es im Glas, es ist blank gefiltert. Der leicht gelbliche Schaum ist weich und kremig und bleibt lange erhalten; beim Trinken hinterlässt er feine Ränder an den Innenseiten des Glases. Der Duft ist festbiertypisch. Intensive, weiche Malznoten, wie sie vom Münchner oder Wiener Malz bekannt sind, dominieren ihn. Der Antrunk ist angenehm weich, auf der Zunge macht sich das Bier leicht malzsüß mit ein paar Honig- und Biskuitaromen breit. Nur ganz dezent liegt dahinter noch eine feine Hopfenherbe. Retronasal werden die an Kekse und Biskuitteig erinnernden Aromanoten noch intensiver. Der Schluck ist rund, die Herbe im Rachen dezent, und alles klingt aromatisch-harmonisch und gleichmäßig ab. Dabei bleibt ein unspezifisches Gefühl, ein sehr „nahrhaftes“ Bier getrunken zu haben, eines, das eine kleine Mahlzeit ersetzen kann.

Brauerei Krieger – Onkel Pepps Märzen (5,6%)

Optisch ist dieses Bier ein Märzen wie aus dem Bilderbuch. Eine leuchtende Kupferfarbe, blitzblank filtriert und darüber eine schöne Haube aus feinem, kremigem und leicht gelblichem Schaum. Der Duft ist kräftig malzig, ein kleines bisschen brotig, aber ansonsten sehr märzentypisch. Das Bier fließt weich und rund über die Zunge und macht sich kräftig malzsüß breit. Sämig wirkt es, und retronasal setzt es kräftige Malznoten, ein paar Butterkeksaromen und Akzente von frischem Streuselteig frei. Der Schluck ist rund und voll, die Bittere durchaus spürbar (wenn sie auch hinter der vollmundigen Malzsüße zurücksteht), und selbst ein ganz leichter, wärmender Effekt ist zu spüren. Ein sehr volles Bier – ein Bier, wie eine Mahlzeit.

Hochdorfer Kronenbrauerei – BarbaraBock (8,5%)

Ein bisschen müde wirkt das Bier im ersten Moment. Der Schaum hält sich, um es diplomatisch auszudrücken, sehr zurück, zerfällt sogar nach wenigen Augenblicken spurlos. Die hellbraune Farbe und die Klarheit des Biers wirken dann ein bisschen so, als habe ich mir ein Spezi eingeschenkt. Neugierig schnuppere ich am Glas und bin erstaunt: Das Aroma ist ähnlich zurückhaltend wie der Schaum. Ein paar feine, malzige Noten, und das war’s. Ich frage meine holde Ehefrau: „Riechst Du mehr? Nicht, dass ich Corona habe und gar nix mehr rieche?“ Sie schüttelt den Kopf: „Da riecht fast nix.“ Um so schöner ist dann aber das Geschmackserlebnis. Weich und sämig fließt das Bier in den Mund; eine volle und kremige Malzsüße füllt Mund- und Rachenraum, leichte retronasale Aromen bringen Dunkelmalz und eine feine Röstnote. Sanft folgt der Schluck mit sehr zurückhaltender Bittere im Rachen. Nur eine leichte alkoholische Wärme, die sich nach ein paar Schlucken im Hals ausbreitet, deutet auf die mächtigen achteinhalb Volumenprozente Alkohol hin. Sehr gut maskiert!

Nachtrag 3. Dezember 2022: Vom BarbaraBock der Hochdorfer Kronenbrauerei waren zwei Flaschen in diesem Paket gewesen – die perfekte Gelegenheit, eine davon noch ein Jahr lang reifen zu lassen. Gespannt schenke ich mir ein Glas ein – wie sich das Bier wohl verändert haben mag?

Zu meiner großen Überraschung: Eigentlich überhaupt nicht. Die sensorische Beschreibung vom 13. Dezember 2021 stimmt unverändert, das Bier präsentiert sich weiterhin als ein duftarmes, dafür im Geschmack und den retronasalen Eindrücken ganz vorzüglicher, kräftiger und leicht wärmender Doppelbock.

Ich bin beeindruckt!

Schwaben Bräu – WeihnachtsBier (5,5%)

Kräftig golden und glanzfein leuchtet das Bier in der Sonne, gekrönt von einem festen, weißen Schaum. Der Duft ist kräftig malzig, mit leichten Kuchenteignoten. Einem weichen Antrunk folgt ein ebenso weiches Mundgefühl. Sanft und malzig, nur niedrig gespundet fließt das Bier über die Zunge, wirkt allerdings im Verhältnis zu dem, was der Duft versprochen hat, nicht vollmundig genug. Es ist schon schön rund, aber das Mundgefühl fällt hinter dem aromatisch-malzigen Geruch etwas ab. Im Abgang erst wird die malzige Süße von einer, wenn auch recht schwachen, Hopfenherbe ergänzt. Sehr durchtrinkbar, wunderbar harmonisch, aber für ein Weihnachtsbier ist es mir persönlich nicht stark genug – am Feiertag im Winter darf es gerne etwas mehr Wumms haben.

Maisel & Friends – Jeff’s Bavarian Ale (7,1%)

Hmmm, beim Einschenken steigt schon ein wunderbar fruchtiger Duft in die Nase. Reife Zwetschgen, etwas schwarze Johannisbeere und weitere dunkle Früchte. Das macht Lust auf den ersten Schluck. Doch zuvor die Optik: Ein dunkles, schon ins Bräunliche changierendes Gelb, eine leichte Trübe, ein feiner, kremiger, leicht beigefarbener Schaum. Jetzt endlich darf ich aber antrinken: Weich und kremig rinnt das Bier über die Lippen. Vollmundig und kräftig süß ist es auf der Zunge, gleichzeitig machen sich die fruchtigen Aromen breit und werden beim Ausatmen, also retronasal, sehr intensiv. Fast schon erinnert dieser obstige Potpourri an einen Rumtopf. Der Schluck ist ebenso weich wie der Antrunk; fast keine Herbe ist zu spüren, ganz samtig fließt das Bier den Rachen hinab. Das Aroma von violetten Stachelbeeren schließt die bunte Sinfonie ab und bleibt noch einen Moment präsent, und fast schon melancholisch sinniere ich den Aromen hinterher, verfolge, wie sie langsam abklingen. Hier und heute ein ganz großes Sinneskino.

Flötzinger – Weihnachts-Bock (7,0%)

Weihnachten ist längst vorbei! – Na und? – Tja, na und! Und so schenke ich mir den Weihnachtsbock halt erst Mitte Januar ein. Eine schöne honiggelbe Farbe hat er, ist blank filtriert, und der schöne, weiße und feinporig-kremige Schaum, der sich bildet, gefällt mir auch sehr gut. Allerdings nicht lang, denn er fällt rasch zu einer dünnen und nicht mehr wirklich eindrucksvollen Schicht zusammen. Leichte Honignoten schweben über dem Schaum – ein Duft, der Vorfreude weckt. Der Antrunk ist dann auch schön weiß, malzig-süßlich und rund. Schön vollmundig rinnt das Bier über die Zunge und setzt retronasal fleißig Aromen frei: Honig! Schöner, warm und weich wirkender Blütenhonig. Der Abgang nach dem Schluck bleibt unverändert weich. Die Bittere ist kaum zu spüren, einzig eine ganz leichte alkoholische Wärme ergänzt die unverändert präsenten Honigaromen.

Honig, Honig, Honig … Es ist aber kein Honigbier – da sei in Bayern die königlich-bayerische Reinheitsgebotspolizei davor! Man weiß ja: Bei den 1516ern, dieser präsidialen Schutztruppe, dienen die ganzen harten Hunde, die sich im Spezialeinsatzkommando nicht ausgelastet fühlen …

Bilder

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