Die alte Nokia-Kabelfabrik, ein riesiger Bau aus hellen Backsteinen, der zu seiner Bauzeit (1939 – 1954, also eigentlich noch gar nicht sooo alt) das größte Fabrikgebäude Finnlands war, wurde bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts saniert und in eine Art Kulturzentrum umgewidmet. Museen, Ateliers, Hotels, Restaurants und eine große Veranstaltungshalle haben hier nun ihren Platz gefunden. Und damit auch das Helsinki Beer Festival.
Helsinki Beer Festival 2011
Warum allerdings sollte man ausgerechnet nach Finnland auf ein Bierfestival fahren? In ein Land, das bekannt ist für seine exorbitant hohen Alkoholpreise, ein Land, in dessen Supermärkten endlose Reihen von Flaschen und Dosen hellen, geschmacksarmen Biers mit niedrigem Alkoholgehalt, aber dafür umso höheren Preisen stehen?
Ganz einfach: Weil die Finnen verdammt gutes Bier brauen. Wenn sie denn wollen und dürfen.
Wollen tun dies vor allem die kleinen Gasthaus- und Mikrobrauereien, und dürfen tun es alle, wenn sie bereit sind, auf Straßenverkauf zu verzichten und ihr Bier nur innerhalb lizensierter Areale anzubieten, also innerhalb ihres Gasthauses und Biergartens sowie in den staatlich lizensierten Alko-Läden.
Einmal im Jahr wird die alte Kabelfabrik zu solch einem lizensierten Areal, und wir nutzten die Gelegenheit und tauchten ein in eine Welt herrlichster Köstlichkeiten. Wo haben wir in Deutschland schon einmal eine Mikrobrauerei gesehen, die eine ganze Serie von Single Hop Ales produziert: Sechsmal die gleiche Grundrezeptur, nur mit unterschiedlichen Hopfensorten: Cascade, Citra, Centennial, Simcoe, Amarillo und Mount Hood. Jedes Bier für sich geschmacklich der Hammer, und jedes für sich individuell. Ein großes Lob an die Panimo „Beer Hunter’s“ aus Pori an der Westküste des Landes.
Oder an die Malmgårdin Panimo aus Malmgård, die sage und schreibe vierzehn verschiedene Biere anbot …
Die Keuda Keravan Panimo, die ihre Picobrauanlage der Firma Salm samt Lager- und Ausschanktanks hier aufgebaut hatte und mit vier herrlich ausdruckstarken Bieren zu überzeugen wusste …
Prykmestar
Die Vakka Suomen Panimo, die gleich vier Preise für ihre Biere abräumte und ebenfalls fast ein Dutzend Sorten ihrer Marke Prykmestar im Ausschank hatte …
Die Nokian Panimo, die – obwohl aufgrund ihrer Größe schon keine Mikrobrauerei mehr – mit ihrem dunklen Weizen trotzdem ein Bier extra für das Helsinki Beer Festival eingebraut hatte …
Und schließlich die kleinen Produzenten „vom Lande“ (als ob hier nicht fast alle Brauereien „vom Lande“ kämen …) mit ihrem Sahti, einem Bier, bereitet mit Bäckerhefe, aromatisiert durch Kochen und Läutern mit Wacholderzweigen und offen vergoren. Zähflüssig und ohne Kohlensäure rinnt es stark und süßlich die Kehle hinunter und vernebelt dem Genießer erst aufgrund des kräftigen und herben Wacholdergeschmacks und danach aufgrund des hohen Alkoholgehalts von bis zu neun Prozent die Sinne.
Aber auch die eher klassischen Biertrinker kamen auf ihre Kosten: Ein großer Stand hatte sich auf Weiß-, Weizen- und Witbiere aller Art aus ganz Europa spezialisiert, ein anderer auf belgische Spezialitäten und ein dritter hatte ein gutes Dutzend englischer Real Ales im Angebot.
Gab es denn nichts zu meckern? Oh doch, leider eine ganze Menge. Die Eintrittspreise waren exorbitant hoch. 12 Euro nur für das Recht, die Halle betreten zu dürfen. Sonst war nichts im Preis inbegriffen. Die Garderobenpreise waren mit 2,50 Euro pro Jacke ebenfalls hoch. Die Bierpreise waren noch höher – zwischen drei und viereinhalb Euro für ein Probierglas mit 0,2 Litern. Und damit hatte die Abzocke noch kein Ende: Für die Gläser zahlte man vier Euro Pfand, bekam aber nach Rückgabe nur drei Euro zurück – Benutzungsgebühr …
Gruselmusik
Wenn angesichts dieser Preise wenigstens die Organisation perfekt gewesen wäre … Die Gläser mussten wir selber spülen, die Halle war zum Teil so schlecht beleuchtet, dass man ein Stout nicht von einem Pils unterscheiden konnte, die Liste der angebotenen Biere war in schlechter Kopierqualität und in zu geringer Auflage, so dass wir fast die letzten waren, die noch eine Liste bekommen hatten, und zu allem Überfluss war die Lifemusik sowohl spielerisch als auch von der Soundtechnik so grottenschlecht, dass uns das Bier fast im Glase sauer wurde …
Fazit: Wenn man zum gegebenen Termin sowieso in Helsinki ist, dann ist das Bierfestival ein Muss. Wenn nicht, dann lohnt sich eine Anreise nur für den Hardcore-Bierfan, der hier Biersorten findet, die er sonst unendlich lange suchen muss, wenn es sie denn überhaupt findet. Aber eine Anreise nur für ein bisschen Festival-Erlebnis? Dazu sind – obwohl die Stimmung insgesamt prima war – die Preise zu hoch, die Organisation zu durchschnittlich und die Musik zu schlecht.
Helsinki Beerfestival 2011
Kaapelitehdas
Tallberginkatu 1 C 15
00 180 Helsinki
Finnland
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