Eine „Vorserienverkostung“.
Ein leises „Pling!“ informiert mich über einen Nachrichteneingang. Ich ziehe mein Telefon aus der Hosentasche und lese:
„Hallo Volker, ich habe eine Frage an Dich als Bierexeperten: Ich arbeite seit letztem Herbst an einem neuen Bier, diesmal keine Gose, aber ein Sauerbier natürlich – ein Lichtenhainer! Das ist z.Z. alles noch nicht offiziell, aber ich vertraue natürlich auf Deine Diskretion. Wir haben nun das Ergebnis eines ersten Probesuds vorliegen – und ich wollte Dich bitten, es zu verkosten und mir Dein kritisches Urteil mitzuteilen. Also, wenn Du magst, schicke ich Dir ein paar Flaschen zu diesem Zweck? LG & schönes Wochenende, Tilo“
Da gibt es überhaupt kein Zögern. Diskretion? Das fällt mir zwar schwer, aber nach zwei, drei Mal hin- und herschreiben steht fest: Ich verkoste, ich dokumentiere, ich schreibe meine Eindrücke auf und stelle sie zur Verfügung, und drüber schreiben … das tue ich erst dann, wenn das Bier offiziell auf dem Markt ist. Das heißt, wenn Du diesen Text hier liest, dann wird das Bier auch bald im Handel erhältlich sein.
der „Vorgucker“
Also: Das, was Du liest, das ist schon vorher entstanden, und alles, was die Öffentlichkeit zu dem Zeitpunkt wusste, war dieses Bild von der Website der Ritterguts Gose, dieser „Vorgucker“, wie Tilo es genannt hat.
Vorserienverkostung
Ritterguts Lichtenhainer Weisse (4,2%)
Ich beachte den Hinweis auf dem weißen Halsetikett der Flasche – „test samples, not for sale! (don’t shake up yeast)“ – und schenke das Bier gaaanz vorsichtig ein, den Hefebodensatz sorgfältig in der Flasche zurücklassend. Das Bier ist trotzdem leicht trüb. Hellgelb ist es, die Trübung lässt es dunkler wirken, als es wirklich ist, und es entwickelt sich relativ viel Schaum, dessen Haltbarkeit aber zeitlich begrenzt ist; es bleibt nach ein paar Minuten nur eine etwa fünf Millimeter dicke Schaumschicht, die aber immerhin schöne Trinkränder hinterlässt.
Ich schnuppere am Glas. Feine rauchige Aromen spüre ich, recht weich und zurückhaltend. Nicht so schweres Geschütz wie bei den Bamberger Rauchbieren, sondern eher ein samtig-phenolischer Eindruck, so, als hätte ich vorhin eine Räucherwurst auf die Hand gegessen und würde nun, mit zeitlichem Abstand, an meinen Fingern schnuppern. Säure? Im Geruch kaum. Wüsste ich nicht um den Charakter des Biers, würde ich keine Säure feststellen. So aber rede ich sie mir irgendwie ein. Der Antrunk bringt dann aber sofort Klarheit: Säure? Na klar! Aber eine von der guten Sorte. Nicht essigscharf, sondern milchig weich, samtig geradezu. Dazu die phenolischen Raucharomen – das passt durchaus, obwohl ich sonst um die Kombination „Rauch und Säure“ einen großen Bogen mache und immer vom „Kabelbrand in der Essigfabrik“ lästere. Ich spüre retronasal aber noch mehr als nur phenolischen Rauch, irgendwo dahinter verbergen sich auch ein paar feine Fruchtester. Weit entfernt vom Gummibärchengeschmack, aber doch identifizierbar. Dann kommen der Schluck und der Abgang. Ein leichter Belag bleibt auf der Zunge haften, nicht unangenehm, aber spürbar. Bittere empfinde ich nahezu keine, und auch nach dem Schlucken entwickeln sich keine neuen Aromen mehr. Das Bier klingt sanft in seiner Säure und harmonischen Rauchigkeit ab.
Zurückhaltende und in eine weiche Matrix eingebettete Milchsäure und nur dezenter Rauchcharakter – die Stärke dieses Biers liegt in der fehlenden Übertreibung. Gar nicht schlecht!
Ritterguts Gose GmbH
Am Schützenhaus 4
04 654 Frohburg
Sachsen
Deutschland
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