Verkostungspaket
Doctah Cerveza

„Hey. Gibst‘ mir mal Deine Adresse, würd‘ Dir gerne nächste Woche mal was von meinen Selbstgebrauten zukommen lassen!“

Wenn eine Konversation im Messenger so anfängt, dann ist das doch vielversprechend, oder?

Ich habe mich jedenfalls sehr darüber gefreut, und natürlich habe ich meine Adresse auch gerne hergegeben. Biere zu verkosten ist doch immer wieder spannend, und wenn es Selbstgebraute sind, dann ist die Spannung noch einmal um ein Vieles größer, da die Experimentierlust bei den Hobbybrauern oft sehr ausgeprägt ist.

Doctah Cerveza Brewing nennt Jens W. seine Hobbybrauerei, und unter dem gleichnamigen Channel bei Youtube stellt er seine selbstgebrauten Biere auch vor.

Aber vor das Verkosten haben die Götter noch das große Hindernis Paketversand gesetzt. Das Paket geht auf die Reise, aber es kommt und kommt nicht an. Nach vielen Tagen klingelt der freundliche Paketbote – endlich! Ich packe aus und schicke ein schnelles Dokumentationsfoto über den Messenger: „Paket ist angekommen. Alle drei Flaschen sind heil, lediglich die Etiketten haben wegen Kondenswasser arg gelitten.“

„Ich habe aber vier losgeschickt!“

Oh, das ist jetzt merkwürdig. Nach einigem Hin und Her und Austausch von Bildern stellt sich raus: Eine Flasche ist weg. Entweder geklaut, was ich nicht glaube, oder auf dem Transport kaputtgegangen. Eine gute Fee muss das Paket dann auseinandergenommen und die verbliebenen drei Flaschen neu verpackt haben, denn weder der Karton noch das Verpackungsmaterial zum Auspolstern ist original – nur die verbliebenen drei Flaschen …

Eine zertöpperte Flasche? Das würde auch die nassen und zerknitterten Etiketten erklären – alle drei Flaschen scheinen abgespült und noch feucht in Noppenfolie verpackt worden zu sein.

Wir werden es wohl nie klären, was unterwegs passiert ist. Was sich aber mit Sicherheit klären lässt, das ist, wie der Inhalt der drei überlebenden Flaschen schmeckt.

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Verkostungsnotizen

Mandalonia Woiza – Helles Hefeweizen; Pow Peng – DDH Milkshake IPA; Doctah and the 3 Kings – Pistachio Pastry Stout

Mandalonia Woiza – Helles Hefeweizen (4,9%)

Mit einem lauten Plopp öffne ich den Bügelverschluss und spritze mich ein bisschen mit Hefe voll, die unter dem Deckel klebt. Die Flasche war im Paket auf dem Kopf gestanden; die Hefe hatte sich abgesetzt und in den Tagen im Kühlschrank noch nicht komplett wieder den Weg in Richtung Flaschenboden gefunden.

Leuchtend orange strahlt mich das gleichmäßig trübe und von dickem Schaum bedeckte Bier an. Der Duft ist kräftig herb, mit Noten von Bitterorangen und Mandarinenschalen. Angenehm! Es folgt ein spritziger Antrunk und ein kräftiger Körper auf der Zunge. Sehr voll wirkt das Bier, und retronasal kommen erneut die Bitterorangen- und Mandarinenschalenaromen hervor. An den Zungenrändern bahnt sich mit einer deutlichen Herbe an, was gleich passieren wird: Ich schlucke, und die Hopfenbittere schlägt zu. Zwar kommen auch aus dem Rachen noch schöne Zitrusnoten hoch, aber alles wird dominiert von einer gewaltigen Bittere, die ich so nicht vermutet hätte. Sie ist nicht kratzig oder rau, aber sie haftet sehr lang und beeindruckt mit ihrer Urgewalt. Ich muss nach diesem Glas einen Schluck Wasser nehmen … Noch besser ist allerdings, stelle ich fest, die Kombination dieses Biers mit einem kremigen Speiseeis. Vanille mit Schokosplittern passt hervorragend – die herben Zitrusaromen des Biers passen zu der Schokolade, die Vanille wiederum lindert die Brachialbittere.

Pow Peng – DDH Milkshake IPA (6,2%)

„Plopp!“ und „Spritz!“ – diesmal ist es nicht die Hefe, sondern der Hopfen, der sich unter dem Bügelverschluss abgesetzt hat, weil die Flasche im Paket auf dem Kopf gestanden hatte. Oh, je – schon wieder ein T-Shirt vorzeitig in die Wäsche. Die holde Ehefrau runzelt die Stirn …

Nach dem Einschenken steht das Bier dunkelgelb und extrem trüb im Glas, als hätte ich den Bodensatz aus dem Whirlpool eingeschenkt. Darüber eine üppige und stabile Schaumschicht, die eigentlich weiß ist, aber von Hopfenstippen durchsetzt ist. Der Duft ist intensiv und präsentiert sich als gleichberechtigte Mischung aus grünem Pflanzenschnitt und Pampelmusenschalen. Eine deftige Bittere versteckt sich im Hintergrund, die direkt nach dem Antrunk auch zuschlägt. Dieser ist im ersten Moment noch kremig weich, aber wenn das Bier die Zunge erreicht, ist Schluss mit lustig. Die Hopfenbittere ist enorm. Zwar ist sie gleichzeitig auch aromatisch und fruchtig, aber eben auch bitter, bitter, bitter … Und das bleibt sie auch bis lange nach dem Schluck. Retronasal kommen zwar ganz am Ende noch ein paar herb-fruchtige Aromen und bitten um Verzeihung, aber sie retten den Gesamteindruck nicht mehr. Sprach ich bei obigem Bier von Brachialbittere, so lerne ich, dass durchaus noch eine Schippe draufgelegt werden kann.

Doctah and the 3 Kings – Pistachio Pastry Stout (5,9%)

Ich bin einen Tag zu spät dran – St. Patricks Day war gestern und nicht heute. Aber ich bin noch nah genug dran, um überzeugt ein Stout zu trinken.

Das Bier ist ganz dunkelbraun, nur gegen eine helle Lampe erkenne ich einen kastanien-rotbraunen Schimmer und eine Trübung. Der Schaum ist ein Gedicht: Üppig, reichhaltig, kremig, sahnig, beigefarben, ewig lange haltbar und schöne, gleichmäßig Trinkränder im Glas hinterlassend. Der Duft ist leicht röstig, aber nicht brenzlig, enthält viel, viel Mokka und Bitterschokolade und feine, nussige Aromen. Tonkabohnen? Ach, nein, der Name des Biers verrät es: Es müssen wohl Pistazienaromen sein. Die ich als solche aber nicht eindeutig identifizieren kann … Der Antrunk ist schön weich, und sehr rund und sämig fließt das Bier über die Zunge. Zu den nussigen Mokka- und Bitterschokoladearomen gesellen sich ein paar Hopfennoten – ein paar grüne Akzente ebenso wie bitteraromatische Zitrusfrüchte. Retronasal werden eben diese besonders deutlich. Dann der Schluck: Unverändert weich und ausgewogen, mit einer deutlichen, aber mit Samthandschuhen daherkommenden Bittere und einem langen, retronasalen Nachhall voller Mokka- und Kakaoaromen. Sehr intensiv, also nichts für mehrere große Gläser hintereinander, aber dennoch ein vorzügliches Bier.

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