Elmar Tannert, Fredder Wanoth
Biergartenlandschaften
In Erwartung der Unendlichkeit

Jetzt hatte ich neulich erst den Biergartenführer für München und das künstlerisch-literarisch gestaltete Buch Wir sind Bier rezensiert. Und jetzt liegt quasi die Kombination aus beidem vor mir: Ein Biergartenführer mit künstlerisch-literarischem Anspruch.

Elmar Tannert, Fredder Wanoth
Biergartenlandschaften
In Erwartung der Unendlichkeit

Was für ein wunderschönes Buch für einen ruhigen Abend auf der Couch oder im bequemen Sessel. Eine mentale Vorbereitung auf den Frühling, wenn die Biergartensaison wieder beginnt.

Fredder Wanoth bereist unsere Heimat mit dem Zug und ist bewaffnet mit Bleistift und Papier. Er spaziert vom Bahnhof aus in einen Biergarten und porträtiert mit zartem, aber präzisem Strich und einem wunderbaren Blick für atmosphärische Details deren jeweils ganz eigenen Charakter. Diese Bleistiftzeichnungen werden später koloriert, aber nicht vollständig, so dass farbige Elemente gegen transparente Umrisse stehen und der Zeichnung dann ein ganz besonderes Flair verleihen.

Es sind Biergärten in der Stadt, auf dem Land oder tief im Wald. Klassische Biergärten, fränkische Bierkeller, städtische Freisitze oder Schanigärten. Allen gemeinsam ist die Idee des Biergenusses im Freien – ob in der Natur oder am Rand einer vielbefahrenen Straße.

Was aber auf den Zeichnungen nicht zu sehen ist, das sind Menschen, Autos, Tiere. Jeder Biergarten wirkt, als seien die Menschen auf wundersame Weise verschwunden, für einen Moment nur, denn auf den Tischen stehen manchmal noch ihre Biergläser. Fast wirkt es, als seien sie alle gemeinsam nur einmal kurz austreten gegangen.

Biergartenbild, dessen Verortung und Kurzbeschreibung sowie der Fließtext sind ineinander verschränkt

Die zarten, manchmal geradezu zärtlichen Zeichnungen werden ergänzt durch eine Sammlung von Kurzgeschichten. Mal ein Dutzend Seiten lang, mal nur eine. Humorige, philosophische, tiefgründige, manchmal auch melancholische oder gar traurige Geschichten. Geschichten, die im Biergarten spielen oder auf die Biergartenkultur reflektieren. Geschichten voller Lebenslust und Freude, aber auch Geschichten, die uns die Zeitlichkeit unseres Seins vor Augen führen und uns deutlich machen, dass es gilt, Momente des Glücks auszukosten. Wer weiß, vielleicht kehren sie nie wieder …

Elmar Tannert hat eine Vielzahl von Autoren für diese Kurzgeschichten gefunden. Moderne Klassiker wie Franz Kafka oder Robert Walser genauso wie zeitgenössische Künstler wie Matthias Egersdöfer, Christiane Neudecker oder Elmar Tannert selbst.

Die rund 120 Seiten Kunst- und Literaturgenuss kommen hochwertig daher. Das Buch ist gebunden, hat einen liebevoll gestalteten Schutzumschlag aus festem Papier mit sehr angenehmer, griffiger Haptik, Text und Bilder sind ansprechen auf feinstem Papier arrangiert, und die ineinander verschränkte Darstellung von Biergartenbild, dessen Verortung und Kurzbeschreibung und des Fließtextes der jeweiligen Kurzgeschichte zwingt Leser und Leserinnen dazu, die Kurzgeschichte nicht unterbrechen wollend, aber auch nicht bereit seiend, auch nur eine der berührenden Zeichnungen zu verpassen, immer wieder vor und zurück zu blättern.

Nichts also, um es mal eben auf dem Klo oder in der U-Bahn nebenbei zu lesen, sondern ein Büchlein für den bewussten, kontemplativen Genuss.

Elmar Tannert, Fredder Wanoth
Biergartenlandschaften
In Erwartung der Unendlichkeit
ars vivendi verlag
Cadolzburg, 2016
ISBN 978-3-86913-625-7

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