Benefiz-Verkostung
„Help Ukraine“

„Wie können wir angesichts des schrecklichen Angriffskriegs auf die Ukraine helfen?“

Diese Frage haben sich unter anderen die Biersommeliers Frank Di Marco und Britta Lupo gestellt, und sie hatten auch recht schnell die Antwort darauf gefunden, nämlich „mit dem, was wir am besten können – mit euch Bier trinken“. Sie planten also ein Online-Bierseminar, dessen Erlöse an den Verein Ukrainisches Atelier für Kultur & Sport e. V. in Stuttgart gehen werden.

Der Teilnehmerkreis des Seminars war trotz guter Werbung und begeisterter Reaktionen in den Social Media leider verhältnismäßig klein (es waren nur sechzehn Kanäle per Zoom zugeschaltet) – vielleicht lag es am ausnehmend guten Wetter, das viele eher in den Garten oder an den Grill gelockt hat. Obwohl: Auch dort hätte man sich problemlos aufschalten und die feinen Biere nebst Erläuterungen auch auf der Terrasse genießen können … Zum Ausgleich ist die Atmosphäre diesmal aber eine besonders schöne.

Peace Please Pils; Try the Faith; Holla die Bierfee Dinkel Ale

Den Auftakt macht das Peace Please Pils (5,1%), ein Bier der Independent Beer Alliance – einem lockeren Zusammenschluss von unabhängigen Bottle-Shops. Gebraut hat es Andrea Seeger von der Craftbeer Lodge in Freiburg, und sie darf es auch selbst vorstellen. Es ist etwas untypisch für ein Pils, denn es ist ungefiltert und kräftig trüb, und Andrea hat mit der Hopfensorte Callista ein paar Fruchtnoten in das Bier gebracht, die normalerweise in einem Pils nicht zu finden sind. Das Ergebnis? Ganz vorzüglich! Ein wunderbar erfrischendes und anregendes Bier, und wir sind uns einig: Das wäre ein hervorragender Aperitif zu einem guten und vielseitigen Essen.

Das nächste Bier stammt aus dem Saarland, und zwar aus Saarlouis. Die 2020 gegründete Craftbier-Marke Grei.Beer hat mit dem Try the Faith (5,6%) ein Solidarity Pale Ale eingebraut. Hinter der Marke stehen Peter und Sebastian Greiber, und es ist unschwer zu erkennen, dass ihr Nachname Pate für den Namen der Brauerei (und die dazugehörige URL www.grei.beer) steht. Britta stellt uns das Bier und die Brauerei kurz vor und vergisst nicht, zu erwähnen, dass Sam Shaw, ein britischer Bierliebhaber und Illustrator, für die Bieretiketten verantwortlich zeichnet.

Das Try the Faith ist deutlich dunkler als das Peace Please Pils, und seine Fruchtigkeit geht deutlich stärker in die dunklere, schwerere Richtung. Dörrobst, Trockenpflaumen, Feigen und ein paar harzige Noten prägen dieses ebenfalls vorzügliche Bier.

Nicht nur Frank und Britta spielen sich bei der sensorischen Beschreibung der Biere die Bälle zu – Andrea hat nach der Vorstellung ihres Biers Gefallen daran gefunden, die Diskussion aktiv mitzugestalten, und so kommen wir in den Genuss, von gleich drei Biersommelieren betreut zu werden. Sehr schön – das ist wirklich intensive „Schulung“, wenn auf je vier Seminarteilnehmer ein Biersommelier kommt.

Es folgt das derzeit aktuelle Bier des Labels Holla die Bierfee – das Dinkel Ale (6,0%). Hinter diesem Label stehen Isabella Mereien von der Brauerei Drei Kronen in Memmelsdorf, das ist eine der wenigen Brauereien in Deutschland, die noch mit einem Kühlschiff arbeitet, und die Schwestern Monika und Gisela Meinel-Hansen von der Meinel-Brauerei in Hof. Die drei spielen bewusst mit dem Vorurteil „Mädchenbier“, gestalten ihre Flaschen mit viel Pink, verspielten Grafikelementen und Herzchen auf dem rosa Fähnchen, das die Flasche noch zusätzlich zum Label schmückt.

Das Bier dahinter ist aber ganz etwas anderes, als sich Otto Normalbiertrinker und Franz Bierdimpfl unter einem „Mädchenbier“ vorstellen. Statt süßer, klebriger und parfümierter Fruchtigkeit finden wir hier ein Dinkel Ale, das zunächst mit einer klassischen Weißbierhefe, anschließend mit einer Prosecco-Hefe vergoren wurde. Das Resultat? Sehr spannend. Der intensive Duft nach überreifen Bananen (Isoamylacetat) stammt von der Weißbierhefe, der kernige Geschmack, die knochentrockene Textur und die weinigen, fast schon etwas harzigen Aromen, die uns retronasal erfreuen, vom Dinkel und der Prosecco-Hefe. Hinzu kommt eine erstaunlich deftige Bittere.

Ein anspruchsvolles Bier, das mich aber begeistert und für mich persönlich, das nehme ich jetzt schon mal vorweg, das beste Bier des Abends ist. Chapeau!

МРІЯ; Maibock; Schwarzer Ritter

Bier Nummer 4 stammt aus Berlin aus der Brauerei BRŁO. Zusammen mit einem Brauer der ukrainischen Brauerei Underwood wurde es eingebraut und benannt nach dem größten Frachtflugzeug der Welt, der An-225 МРІЯ. Laut Etikett ist das МРІЯ (6,0%) ein India Pale Ale, und selbst wenn es für diesen Stil überraschend zugänglich und nicht übertrieben stark eingebraut erscheint – formal erfüllt es wohl die Anforderungen an diesen Stil. Auch wenn die meisten Biertrinker bemängeln würden: Zu wenig Wumms, sechs Prozent Alkohol seien zu wenig, und zu wenig Frucht-Hopfenbombe.

Ein gutes Bier, und meiner Meinung nach ein Bier, das hervorragend geeignet ist, Craftbier-Anfänger an den Stil India Pale Ale heranzuführen, ohne sie durch zu extreme Interpretation gleich beim ersten Schluck zu verschrecken. Aber: Nach dem Dinkel Ale der drei Damen aus Franken kann es im direkten Vergleich leider nur ein wenig blass wirken. Hätten wir diese beiden Biere in der umgekehrten Reihenfolge getrunken, wäre mein Urteil vielleicht anders ausgefallen.

Wir sind mittlerweile schon bei Bier Nummer 5, dem Maibock (7,3%) der Familienbrauerei Bauhöfer. Ein Bier mit Schraubverschluss – das fällt natürlich sofort auf. Aber dieser Maibock fällt noch aus anderem Grund auf, denn es ist das erste Bier in der heutigen Verkostung, dass nicht von intensiven Hopfenaromen geprägt ist, sondern einen kräftigen Malzcharakter aufweist. Weiche Honigaromen, eine goldgelbe Farbe und eine samtige, runde Textur heben den Bock aus dem Reigen der anderen Biere hervor. Ein sehr schönes Bier, aber es wirkt ein bisschen fehl am Platz. Als hätte es sich als Gast einer großen Veranstaltung in den falschen Festsaal und auf die falsche Hochzeit verirrt.

Den Abschluss für heute markiert der Schwarze Ritter (7,7%), ein Baltic Porter der Zötler Brauerei in Rettenberg. Eines von vier Craftbieren, die Niklas Zötler unter der Marke Zötler Braukunst herausgebracht hat. Vier Biere, die sich deutlich vom Portfolio der sonst am regionalen Biergeschmack orientierten Brauerei absetzen. Tiefschwarz ist es, röstig, herb, aber auch ein wenig fruchtig. Sehr komplex. Ein Bier, das man nur in kleinen Schlucken genießen kann und das man sich gewissermaßen erarbeiten muss. Sehr schön, sehr anspruchsvoll.

Niklas Zötler weilt derzeit auf Kreta im Urlaub, hat von dort aber eine Videobotschaft geschickt, in der er das Bier vorstellt und die Geschichte vom Schwarzen Ritter von Rettenberg erzählt. Ein schöner und – nach kleineren technischen Schwierigkeiten mit der Tonwiedergabe – sehr kurzweiliger Abschluss der heutigen Verkostung.

Frank organisiert noch schnell eine kleine Umfrage, bei der das Peace Please Pils auf dem ersten und Holla die Bierfee auf dem zweiten Platz landen.

sechs spannende Biere waren es

Stockdunkel ist es mittlerweile auf dem Balkon, wo ich meinen Laptop und die vielen Flaschen und Gläser aufgebaut habe – Zeit, einen sehr schönen Verkostungsabend zu beenden. Ein herzlicher Dank geht an Frank, Britta und Andrea (plus Niklas), die diese kurzweilige und abwechslungsreiche Verkostung zu einer der schönsten der letzten Monate gemacht haben!

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