Wir bummeln durch Freiburg und lernen etwas Neues: Es gibt Menschen, die schreiben im Internet Rezensionen sogar über einen Brunnen! Zum Beispiel über den Oberlindenbrunnen, der genau dort steht, wo die Herrenstraße in die Straße Oberlinden mündet. Eher unabsichtlich habe ich diese Ortsmarke bei Google Maps angeklickt, und das Fenster mit den Rezensionen poppt auf. „Netter Ort in Freiburgs oberer Altstadt“, heißt es, und es gibt fünf Sterne … für einen, nun ja, Allerweltsbrunnen.
Eigentlich sollte mein Finger auf dem Telefondisplay aber die Craftbeer Lodge treffen, den winzigen, aber wunderbaren kleinen Bierladen, kaum zehn Schritte vom Oberlindenbrunnen entfernt. Aber den sehen wir jetzt auch so, ohne Google Maps, und zielstrebig laufen wir über die Straßenbahngleise direkt auf das schwarze Kreideschild zu.
die Reklametafel ist schon vom Oberlindenbrunnen aus zu sehen
„Über 500 Biere“, verspricht dieses, und kaum sind wir durch die scheppernde Glastür gegangen, sehen wir sie auch schon, all die wunderbaren Biere, wie sie dicht an dicht aufgereiht in den Regalen stehen.
Hinter der winzigen Kassentheke inmitten des Raums begrüßt uns Andrea Seeger, die die Craftbeer Lodge vor ein paar Jahren gegründet hat: „Hej, schön, dass Ihr da seid! Seht Euch schon mal um, bald habe ich Zeit für Euch.“
Schön, dass wir da sind!
Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und beginnen, durch die Regale zu stöbern. Edle und klassische Flaschen mit schwarzen und goldenen Etiketten stehen neben qietschbunten und grell bedruckten Bierdosen, altehrwürdige Traditionsbrauereien gesellen sich einträchtig zu wilden Newcomern und bestimmt auch der einen oder anderen Eintagsfliege, von der nach ein, zwei Suden nichts mehr zu hören sein wird.
Viel Wert legt Andrea allerdings auf regionale Biere, was in und um Freiburg gar nicht so einfach ist. Dafür, dass Freiburg eine junge Studentenstadt ist, finden sich hier überraschend wenig Kreativbrauereien, und sogar die beiden Gasthausbrauereien Feierling und Martin’s Bräu geben sich relativ wenig innovativ. Aber es gibt das Braukollektiv Freiburg, einen Zusammenschluss von begeisterten Brauern, teilweise ehemaligen Hausbrauern, die als Wanderbrauer sehr spannende Biere produzieren, und es gibt Emma – Biere ohne Bart, sehr saubere und solide Biere, gebraut nebenberuflich und ebenfalls als Wanderbrauerin von der Lehrerin Almut Zinn.
edle und traditionelle Biere stehen neben grellen jungen Wilden
Mit diesen lokalen Bieren sind auch die beiden Kühlschränke, die sich zwischen den Regalen verstecken, gut bestückt, und wir sehen, dass viele junge Leute, aber auch Spaziergänger, die hier zufällig vorbeikommen und neugierig in das kleine Lädchen schauen, sich hier am Kühlschrank bedienen, sich von Andrea ein Verkostungsglas geben lassen und dann draußen, in der Sonne, ihr Bier genießen. Entweder stellen sie sich direkt vor das kleine Schaufenster an einen der beiden Stehtische, oder sie gehen die zehn Schritte zum Oberlindenbrunnen und nehmen dort auf dem Mäuerchen Platz.
„Dafür hätte der Brunnen die fünf Sterne in der Rezension verdient“, denke ich, dafür nämlich, dass er als Open-Air-Verkostungszentrum dient, als Anlaufstelle und Wegmarke für Kreativbierliebhaber und als Kommunikationszentrum für alle, die mehr über die Bierszene in Südwestdeutschland erfahren wollen. Aber davon stand bei Google Maps ja leider nichts. „Netter Ort in der Altstadt“, wie oberflächlich …
Wir stehen vor dem Kühlschrank und können uns nicht entscheiden. Andrea kümmert sich um andere Kunden, tippt Preise in die Kasse, die Zeit verrinnt. Immer noch sind wir unentschlossen – die Auswahl ist offensichtlich zu groß und zu vielfältig.
der Bierseppel in der Kuckucksuhr mahnt zum Trinken
Da lässt sich die Kuckucksuhr über Andreas Kopf deutlich vernehmen, und der kleine Bierseppel, der vor der Uhr sitzt, schwenkt seinen mechanischen Arm mit dem hölzernen Bierkrug und prostet uns zu. Für uns das Zeichen, jetzt doch zuzugreifen, und bewaffnet mit einer Flasche Craftmayer, dem 4,7%igen Hochzeits-Lagerbier vom Rittmayer aus Hallerndorf stellen auch wir uns nun vor das Schaufenster.
Der Fenstersims ist gerade breit genug für die Flasche und die Gläser, und mitten im bunten Treiben der Fußgängerzone genießen wir nun unser Bier. Fein malzaromatisch, mit einer deutlich spürbaren, aber nicht dominierenden Bittere und nicht zu hoch gespundet. Bestes fränkisches Lagerbier. Wir sind zufrieden.
Bierverkostung auf dem Fenstersims
Ich gehe, um ein weiteres Bier zu holen, und meine holde Ehefrau tippt auf ihre Armbanduhr. „Es ist noch früh, hol etwas Leichtes!“
Gesagt, getan. Das Hoppy-Driver aus der Brauerei Camba Bavaria hat nur 3,5%. Es ist ein Bier aus der Braumeister-Edition und trägt die Nummer #25. Die Mitarbeiter der Camba Bavaria haben im Rahmen dieser Edition die Möglichkeit, sich mit eigenen Rezeptideen zu verwirklichen und stehen dafür auch mit ihrem Namen ein – in diesem Falle ist es der Wiedenbauer Dominik, wie uns das Etikett verrät. Das Bier schmeckt überraschend kräftig und voll für seine 3,5% – gar nicht so wässrig, wie man das noch vor wenigen Jahren von einem sogenannten Leichtbier erwarten musste. Sehr schön!
Die Zeit verrinnt, wir gönnen uns eine kleine Brotzeit in der Nachbarschaft, und als wir wieder zurückkommen, ist es Zeit für Andrea, den Laden zu schließen. „Jetzt können wir gemeinsam verkosten, jetzt habe ich auch Zeit für Euch“, sagt sie und schlägt die scheppernde Glastür zu.
ein Cheers auf unseren Besuch
Mit einem Double Dry Hopped IPA der estnischen Brauerei Põhjala beginnen wir. „Moonraker: Citra & BRU-1“ steht auf dem Etikett. Der mittlerweile sehr gut etablierte Citra-Hopfen steht aber gar nicht so im Vordergrund, sondern viel interessanter sind die fruchtigen und blumigen, an Ananas und fast schon etwas an Lavendel erinnernden Noten des BRU-1. Die 6,7% Alkohol spüren wir kaum, das Bier ist schön rund und fest.
„Das Midnight Sun von Williams müsst Ihr unbedingt probieren“, meint Andrea, und ohne unsere Antwort abzuwarten, greift sie in den Kühlschrank und holt das 5,5%ige Porter heraus. Sehr spannend! Die röstigen und an Bitterschokolade erinnernden Aromen kontrastieren auf interessante Weise mit fruchtig-scharfen Noten von Ingwer, der diesem Bier zugesetzt ist. Aber nur leicht und dezent, ein feiner, die Zunge kitzelnder Hauch von Schärfe nur. Ein wirklich guter Vorschlag.
Blick durch die Craftbeer Lodge
Noch einen Moment klönen wir über diese interessante schottische Brauerei, die unlängst erst ihren doch recht altbacken wirkenden Markenauftritt überarbeitet hat und mit völlig neu gestylten Etiketten aufwartet.
„Ich habe einen Mordshunger, tut mir leid“, beschließt Andrea unsere kleine Verkostungsrunde. „Wir gehen jetzt was essen, ich hatte den ganzen Tag noch nichts.“
So machen wir das auch, aber wie es immer so ist: Nach einem schönen und nahrhaften Abend kommt dann doch noch die Idee auf, einen Absacker zu nehmen, und so kehren wir zu später Stunde doch noch in die Craftbeer Lodge zurück. Neugierig durch das Schaufenster von einigen Nachteulen beäugt, verkosten wir das Grandmaster, ein Brett Saison mit 6,2% Alkohol, das in einer Kollaboration vom Braukollektiv Freiburg und der Hamburger Brauerei Buddelship entstanden ist.
der Absacker: ein Grandmaster Brett Saison
Die ledrigen Brettanomyces-Aromen und die phenolisch-wilden, aber nicht zu dominierenden Komponenten der Saison-Hefe ergänzen sich hervorragend, so dass dieses Bier, obwohl fordernd und anspruchsvoll, doch eine sehr schöne Trinkbarkeit aufweist. Ein feiner Abschluss für einen spannenden Besuch in der Craftbeer Lodge.
Die Craftbeer Lodge bietet über 500 verschiedene Biere, gerne auch zum im oder vor dem Laden verkosten, und organisiert darüber hinaus Cyber Tastings im Internet und Bierseminare vor Ort. Sie ist montags bis sonnabends von 11:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist sie entweder zu Fuß (eine Minute vom Schwabentor entfernt) oder mit der Straßenbahnlinie 1, die einem vor der Eingangstür buchstäblich über die Füße fährt.
Craftbeer Lodge
Oberlinden 10
79 098 Freiburg im Breisgau
Baden-Württemberg
Deutschland
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