Sie war schon totgesagt worden, die Birrificio San Martino. 2013 hatten wir sie in Stabio im Industriegebiet entdeckt und einen lustigen Nachmittag dort verbracht – einschließlich eines reichlichen Biereinkaufs für zuhause. Sie firmierte damals noch unter der Bezeichnung Birrificio Ticinese, also Tessiner Brauerei, auf den Bieretiketten und am Eingang der Halle stand aber auch Birra San Martino.
Anfang 2016 mussten wir dann erfahren, dass der extrem ungünstige Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und Euro die Brauerei in die Insolvenz geführt hat. Zu stark war sie vom Export vor allem nach Italien abhängig gewesen. Wie schade!
Aber die gute Nachricht kam schon wenig später. „Die Brauerei Schützengarten (…) hat die Brauerei gekauft und mit viel Herzblut (und Geld) auf Vordermann gebracht“, konnte ich lesen, und heute, am 27. Mai 2022 stehe ich erneut vor der Halle der Birrificio San Martino.
Allerdings nicht mehr in Stabio, sondern wenige Kilometer weiter in Bioggio. Die Brauerei ist umgezogen, hat ein neues Zuhause, und wenn ich das emsige Treiben rund um die Flaschenfüllung richtig interpretiere, dann läuft der Laden!
Blick in die Produktionshalle
Nicht alle Teile der alten Brauerei sind übernommen worden – das Sudwerk ist neu, der Flaschenfüller auch, und bei den Gär- und Lagertanks sind einige Neuinvestitionen getätigt worden. Aber das Wichtigste ist: Es gibt die Brauerei noch!
Was geblieben ist? Die Philosophie, ein paar recht durchtrinkbare Biere unter der Marke „San Martino“ im Standardportfolio zu vermarkten und daneben das Label „Bad Attitude“ für exotischere, fordernde Biere zu nutzen.
Wir sind mit einer ganzen Gruppe von Bierkennern hier, und rasch verteilen wir uns in der großen Produktionshalle, erkunden die letzten Winkel des Sudhauses, schauen bei der Flaschenabfüllung zu, wundern uns, dass es zur Zeit eine Etikettenknappheit gibt und die frisch abgefüllten Flaschen zunächst ohne Etiketten palettiert werden müssen, und fragen den anwesenden Mitarbeitern Löcher in den Bauch. So erfahren wir, dass nicht nur die Etiketten knapp sind, sondern die Flaschen auch. Statt großer Paletten billiger Flaschen aus der Ukraine gibt es nur noch kleine Paletten teurerer Flaschen aus Slowenien, das Handling wird schwieriger, die Lieferungen unregelmäßiger, und überhaupt: Es ist für kleine Brauereien gerade eine ganz schön schwere Zeit.
Den Bieren merkt man dies zum Glück nicht an, und wir verkosten uns durch das ganze Angebot:
- La Helles – Pale Ale (Fass) 5,2%
- maroni – birra alle castagne (Fass) 5,8%
- La Bella – Witbier con erbe ticinese (Flasche) 5,5%
- La Nostra – naturale della casa (Flasche) 5,2%
- Bad Attitude – Kurt – American Pale Ale (Flasche) 4,5%
- Bad Attitude – Hobo – White India Pale Ale (Flasche) 6,3%
- La Rossa – Amber Ale (Fass) 6,7%
- Bad Attitude – Dude – India Pale Ale (Flasche) 7,1%
- La Bella – Witbier con erbe ticinese (frische Flasche direkt vom Abfüller) 5,5%
wir haben uns durch das ganze Portfolio getrunken
Es sind durchweg solide gebraute und teils sogar hervorstechende Biere, was wir als gutes Zeichen interpretieren. So sollte der Brauerei eine zweite Insolvenz erspart bleiben.
Die Birrificio San Martino ist eine reine Produktionsstätte und verfügt über keinen richtigen Taproom. Man kann die Brauerei aber nach Absprache besichtigen und die Biere dann vor Ort auch verkosten. Der Rampenverkauf ist während der Produktionszeiten möglich – werktags (einschließlich freitags) von 08:00 bis 17:00 Uhr. Wenn man nicht mit dem eigenen Auto kommen möchte, bieten sich die regionalen Buslinien an; die Haltestelle „Manno, Centro di Calcolo“ ist nur drei, vier Minuten zu Fuß von der Brauerei entfernt gelegen.
Birrificio San Martino
Via Industria 33
6934 Bioggio
Schweiz
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