Zwei Monate lang herrschte Gluthitze und Dürre in ganz Deutschland – vielen von uns wurde vielleicht zum ersten Mal bewusst, was Klimawandel für unsere Region tatsächlich bedeuten kann. Andere wurden in ihrem schon lang gehegten Verdacht bestätigt. Und ein paar wollen es immer noch nicht begreifen.
Aber dass diese Dürre ausgerechnet am Tag vor Beginn des Tittinger Kellerfests 2022 ihr Ende finden sollte, und das dann auch nicht mit einem gleichmäßigen Landregen, sondern mit phasenweise wahren Wolkenbrüchen, die vom Himmel kamen, das war dann doch ein unglückliches Zusammentreffen.
die Musik trotzt dem Regen
So sitzen wir heute, am 19. August 2022, dicht an dicht gedrängt unter den Zeltdächern auf dem Gelände der Brauerei Gutmann. Uns gegenüber spielt die Musik, und dazwischen steht eine Wand aus Regen. Sturzbäche fließen von den Zeltdächern und machen die Sitzgarnituren am Rand unbenutzbar. Die bienenfleißigen Bedienungen schleppen schwere Masskrüge von der Schank zu den Gästen und sind nach wenigen Minuten bis auf die Haut durchnässt. Manch eine hilft sich mit einem dünnen Plastikcape, andere wiederum versuchen, blitzschnell die ungeschützte Strecke zu überwinden.
Steht das Bier aber erstmal auf dem Tisch, dann ist die Stimmung hervorragend. Bei den Gästen, weil es endlich wieder etwas zu trinken gibt – der eine oder andere trinkgewaltige Bierliebhaber befürchtet ja schon erste Nahtoderfahrungen, wenn er durstig auf den leeren Krug blicken muss. Und bei den Bedienungen auch, denn angesichts deren Selbstaufopferung zeigen sich die meisten Gäste heute beim Trinkgeld besonders großzügig.
Weißbier im Masskrug
Das in Deutschland wohl zu den allerbesten Weißbieren gehörende Gutmann Hefeweizen kommt wahlweise im Masskrug (nicht ganz stilecht, aber praktisch) oder im robusten, in der Form halbwegs an ein Weizenglas erinnernden Halbliter-Glaskrug auf den Tisch. Vielleicht ist es heute einen Hauch zu warm, vielleicht wirkt es auch etwas schwächer gespundet, als ich es in Erinnerung habe, aber es ist trotzdem vorzüglich und schier beliebig durchtrinkbar. Dabei könnte ich jetzt sitzenbleiben und den ganzen Abend eine Halbe nach der anderen genießen.
Aber da ist ja auch noch das extra zum Fest eingebraute Kellerfestbier. Dass es das nur im Ein-Liter-Steinkrug gibt, macht mir unsere Bedienung freundlich, aber sehr bestimmt klar. „Na gut, dann eben eine Mass!“ Wird schon passen, denke ich mir, und ich behalte Recht. Auch das Festbier läuft hervorragend. Eine feine Malzsüße, nur eine recht geringe Hopfung, eine ebenso geringe Spundung, und schon werden die Schlucke, die ich aus dem steinernen Krug nehme, viel größer als eigentlich beabsichtigt. Herrlich!
Die Stimmung steigt, und die ersten Gäste steigen auf die Sitzbänke, tanzen, schunkeln, springen und stampfen. Immer wieder erstaunlich, wie textsicher sich die Dorfjugend bei Liedern zeigt, die locker drei Mal so alt wie die Hobbysänger sind …
Fritz Gutmann lässt sich an unserem Tisch blicken
Was ein bisschen zu kurz kommt, das ist der Bummel über das Festgelände. So viel verschiedene leckere Spezialitäten gäbe es zu probieren – die örtlichen Metzgereien und Bäckereien wollen sich mit ihren Ständen von ihrer besten Seite zeigen. Aber wer mag schon durch das knöcheltiefe Wasser waten, nur um mal Ausschau zu halten, was es alles geben könnte?
Ab und an opfert sich einer aus unserer Gruppe, schnappt sich einen Schirm und kommt nach einigen Minuten mit einem großen Tablett wieder. Semmeln mit Ochsenfleisch, beispielsweise.
„Wer mag, darf zulangen. Wer nicht mag, der muss halt selbst durch den Regen laufen“, heißt es.
Es mögen alle …
Ähnlich handhaben wir es dann mit dem Bier. „Mensch, bring uns doch einfach einen ganzen Kasten von Eurem Weissbier, wir schenken uns das dann schon selbst ein. Dann wirst Du nicht bei jedem Glas erneut nass!“
„Bring uns doch einfach einen ganzen Kasten!“
Die junge Dame lässt sich das nicht zwei Mal sagen, und Augenblicke später ist die Versorgung für die nächste Stunde oder länger gesichert.
Die Organisatoren kämpfen gegen die Sintflut. Ein Bagger manövriert vorsichtig zwischen den Zelten entlang und verteilt kubikmeterweise Splitt auf den Wegen, füllt die tiefsten Pfützen auf und passt diese selbstgemachte Drainage immer wieder an, wenn die Sturzfluten sich neue Kanäle gegraben haben. Fleißige Arbeitsbienen, die dem Wetter trotzen. Erste Paare drehen sich auf der frischen Splittfläche unter ihren Regenschirmen zur Musik. Na bitte, es geht doch!
Und für mich noch eine weitere Mass Festbier, bitteschön!
während des laufenden Fests werden die Pfützen verfüllt
Auch ohne Bummel zwischen den Buden und verschiedenen Freisitzflächen ist die Stimmung enorm. Morgen früh werden sich viele Besucher über ihre heiseren Stimmen, die schlammbespritzen Dirndl und die quietschnassen Lederhosen wundern. Aber jetzt gerade ist das völlig egal. Jetzt wird gefeiert auf Teufel komm raus!
Viel zu spät ist es geworden, als wir langsam zurück zum Parkplatz laufen und unser Auto von der verschlammten Wiese fahren … Aber es hat sich gelohnt!
Und ein kleines post scriptum: Zwei Tage später, am Sonntag, ist strahlender Sonnenschein zum Frühschoppen. Insofern ist der am Freitag ausgefallene Bummel über das Festgelände schnell nachgeholt und die Bildstrecke vervollständigt. Wer sagt’s denn!
Tittinger Kellerfest
Am Kreuzberg 1
85 135 Titting
Bayern
Deutschland
Also um das Erlebnis ohne Regen beneide ich dich jetzt schon ein wenig. Aber das hole ich dann 2023 nach. Toller Abend mit Euch! Danke für den Beitrag!
Hallo, Martin,
es war in der Tat ein ganz toller Abend – super, dass der Schorsch das organisiert hat. Karin und ich freuen uns schon auf das nächste Mal.
Der Sonntag ohne Regen war aber nur ein kurzer Bummel über das Festgelände. Angesichts der vor uns liegenden Fahrerei haben wir auf die Mass Kellerfestbier dann doch verzichtet. Auch wenn es schwer gefallen ist.
Mit bestem Gruß,
VQ