BÝRA Cerveza Artesana
Nanclares de la Oca
ESP

„Seid Ihr etwa gerade im Baskenland?“ Unser alter Freund Txomin, den wir in den letzten Jahren leider ein bisschen aus den Augen verloren haben, meldet sich per Messenger. „Ihr postet lauter Bierbilder aus der Region!“

„Ja, sind wir. Derzeit in Bilbao. Oder Bilbo, wie es auf Baskisch heißt.“

„Dann treffen wir uns in Vitoria-Gasteiz, und ich zeige Euch meine Stadt und unsere Brauerei, okay?“

Die Details waren schnell ausgemacht, und so treffen wir uns auf einem Parkplatz am Stadtrand. „Schön, Dich wiederzusehen. Seit Du aus Berlin wieder in die Heimat gezogen bist, haben wir wenig voneinander gehört – aber ich habe immerhin alle Deine Brauaktivitäten verfolgt!“ Die Begrüßung ist herzlich, und Augenblicke später sitzen wir in Txomins Auto und fahren nach Nanclares de la Oca, einem kleinen Ort nur wenige Kilometer von Vitoria-Gasteiz entfernt.

vor der großen Halle der BÝRA Cerveza Artesana

„Es ist ja nicht wirklich ‚unsere‘ Brauerei, sondern eine etwas größere Handwerksbrauerei, in die wir uns eingemietet haben und in der wir ein paar Lagertanks stehen haben“, erklärt Txomin, als wir in das Gewerbegebiet einbiegen und vor der großen Halle der BÝRA Cerveza Artesana stehen.

Er führt uns in die Produktionshalle und zeigt stolz auf ‚sein‘ Sudwerk. „Hier entstehen unsere GaragArt-Biere, die Du in den Social Media immer so schön likest.“

Ein schönes Edelstahlsudwerk mit immerhin 20 hl Ausschlagmenge. „Das ist viel, wenn Ihr mal ein neues Rezept ausprobieren wollt“, stelle ich fest.

„Naja, man kann auch 10 hl auf der Anlage brauen, das geht schon, und das machen wir bei exotischeren Bieren auch. Die Lagertanks fassen entweder 10 hl für die Spezialsude oder 40 hl für die Standardbiere, da werden dann Doppelsude gefahren.“

das 20-hl-Sudwerk

Er ist in seinem Element und führt uns durch die große Halle. Die großen Tanks sind Standard-ZKGs aus Edelstahl, während die kleinen Tanks mit Holz verkleidet sind und eine Kupferhaube haben. Sieht gut aus.

Der Name der Brauerei BÝRA habe seinen Ursprung im Griechischen, „μπύρα“ hieße nichts Anderes als „Bier“ und würde als „Býra“ in die lateinische Schrift übertragen. Die Brauerei produziere recht viele Standardbiere, die in der Region sehr beliebt seien. In Vitoria-Gasteiz gebe es die uralte Gaststätte La Unión, die gewissermaßen als Brauereiausschank diene. Aber die Kapazitäten seien damit natürlich nicht ausgelastet, und einen großen Teil ihres Umsatzes mache die Brauerei daher mit Lohnbrauen und eingemieteten Wanderbrauern, erfahren wir. Txomin sprudelt über vor Wissen und Begeisterung.

„Wir müssen unbedingt mein Bier hier probieren“, erzählt er und macht sich auf die Suche nach ein paar Gläsern, in die er uns ein paar Schlucke zwickeln kann.

Zaindu, frisch gezwickelt

„Das Zaindu ist am 3. Juni in die Tanks gekommen, eigentlich ist es natürlich noch etwas zu früh, es zu verkosten“, stellt Txomin fest, aber wir finden, das Bier ist schon recht gut trinkbar. Ein paar unrunde Noten, ein paar Kanten hat es noch, aber es zeichnet sich sehr gut ab, wie das Bier am Ende schmecken soll.

„Auf Baskisch heißt ‚Brauerei‘ übrigens ‚Garagardotegia‘“, erklärt Txomin. „Das Wortspiel GaragArt hat also nichts mit Garage zu tun, sondern geht eher in Richtung ‚BrauKunst‘.“ Er grinst, denn er sieht an unseren Mienen, dass wir bis gerade eben wohl eher an Garagenbrauerei-Kunst gedacht hatten …

„So, wir wollen hier nicht weiter stören.“ Txomin verabschiedet sich von den anderen Brauereimitarbeitern und geht mit uns in die Nachbarhalle. Hier hat die Brauerei BÝRA einen kleinen Präsentationsraum, in dem auch Verkostungen stattfinden. Es ist kein regulär geöffneter Taproom, sondern ein Raum nur für geplante Veranstaltungen, Seminare oder eine Verkostung nach einer organsierten Brauereibesichtigung. Wir müssen grinsen, als wir im Flaschensortiment auch Biere mit den deutschen Namen „Engel“ und „Teufel“ entdecken.

im Tastingroom

„Nicht alle Biere, die Ihr hier seht, waren frei verkäuflich. Manches waren auch Sondersude.“ Txomin betont noch einmal, dass die Auftragsbrauerei ein wichtiges Standbein von BÝRA ist. Klar, dass er das so betont – schließlich hängt GaragArt ja genau von diesem Geschäftsmodell ab.

Wir sehen uns noch einmal um und überlegen, wo wir diese Biere wohl einmal verkosten können. Vor einigen Jahren habe ich ein paar GaragArt-Biere in Madrid verkosten können, im Slow Mex, aber da kommen wir so schnell auch nicht wieder hin …

Txomin nimmt uns die Überlegungen ab – er gibt uns ein Sixpack mit seinen Bieren mit, die wir in den folgenden Tagen auch verkosten (siehe unsere Verkostungsnotizen unten).

Die Brauerei BÝRA Cerveza Artesana ist eine reine Produktionsbrauerei; der Rampenverkauf ist werktags von 08:00 bis 15:00 Uhr. Besichtigungen sind nur nach Absprache oder im Rahmen von Veranstaltungen möglich. Zu erreichen ist die Brauerei sinnvoll nur mit dem Auto; theoretisch könnte man zwar den Regionalexpress bis zum Bahnhof Nanclares/Langraiz nehmen, aber er fährt nur sehr selten und der Fußweg wäre dann immer noch lang und beschwerlich.

Bildergalerie

BÝRA Cerveza Artesana
Tratado de Paris Kalea, 1
Pab 23
01 230 Nanclares de la Oca
Spanien

Verkostungsnotizen

Wildberry Akelarre – Berry Sour Pastry; Gorritxo – Amber Ale; Abenaki – New England IPA; Otsate – Imperial Stout Aged on Bourbon Oak Chips; Florida Park – West Coast IPA; Hopster Party – IPA

Garagart – Hopster Party – IPA (7,0%)

Das kräftige Dunkelgelb, das fast schon ins Orangene tendiert, steht dem Bier ebenso gut wie die leichte und gleichmäßige Trübung und der feste, leicht eierschalenfarbene Schaum. Fesch! Der Duft gefällt auch: Feine und spielerische Maracujanoten vor einem etwas festeren, herberen Hintergrund, der eher an Zitrusschalen erinnert. Ein guter Auftakt.

Dem schließt sich der Antrunk an. Dezent pfeffrig leitet er eine ausgeprägte, aber recht herbe Tropenfruchtigkeit auf die Zunge. Maracuja-Aromen steigen auf und wandern retronasal durch die Nase, gefolgt erneut von den herben Zitrusschalenaromen. Das Bier ist auf eine sehr angenehme Weise fruchtig – nicht so übertrieben wie viele Obstkörbchen-IPAs, die fast schon wie ein Radler schmecken, sondern immer noch mit einer herben, leicht harzig-kräuterigen Grundnote als Fundament. Im Abgang mischt sich ein Hauch von Diesel in das Aroma – ein Effekt, den ich sonst nur von sehr überreifen Maracujas kenne, aber noch nicht im Bier hatte. Interessant, dass der Hopfen auch diese Komponente ins Bier kriegen kann. Wäre ich Chemiker, dann wüsste ich vielleicht, welche Chemikalie, die sowohl in Maracujas als auch im Hopfen vorkommt, für diesen Effekt verantwortlich ist.

P.S.: Jetzt habe ich mal gegoogelt und finde 3-Mercaptohexan-1-ol (3MH) und 3-Mercaptohexylacetat (3MHA). Ob’s das ist? Ich weiß nicht … Erzeugen diese Thiole bei übermäßiger Konzentration statt Maracuja- einen Diesel-Effekt? So wie 4-Mercapto-4-methylpentan-2-on (4MMP) von Schwarzer Johannisbeere zu Katzenurin umschlägt?

Garagart – Abenaki – New England IPA (6,8%)

Das Bier ist dunkelgelb und kräftig, gleichmäßig trübe. Der Schaum hat einen feinen, gelblichen Stich, entwickelt sich robust und lange haltbar und erfreut beim Konsum des Biers durch Trinkränder. Ein kräftiger Pampelmusenduft mit einem ganz leichten Suppengrün-Akzent im Hintergrund gefällt gut. Der Antrunk ist durchaus ein bisschen spritzig, und auf der Zunge explodiert eine kräftige Hopfenbittere, die auch ein paar pfeffrig-scharfe Effekte aufweist. Retronasal wird der Pampelmusenduft ein bisschen zurückhaltender (steht aber immer noch im Vordergrund), die Suppengrün-Aromen werden ein bisschen selbstbewusster. Nicht unangenehm, sondern sehr interessant. Der Abgang ist davon geprägt, dass die Hopfenbittere im Rachen bei weitem nicht so intensiv ist, wie es die Herbe auf der Zunge angekündigt hat. Zwar bleiben trockene Schleimhäute (und machen Durst auf den nächsten Schluck), aber es ist nichts kratzig oder (wie es die US-Amerikaner gerne machen) ins Groteske gesteigert. Fein!

Garagart – Gorritxo – Amber Ale (5,2%)

Amber heißt ja eigentlich Bernstein – aber man muss schon lange suchen, bis man einen Bernstein findet, der so schön dunkelrot in der Sonne strahlt, wie dieses Bier. Nur ein ganz leichtes Opalisieren trübt den Glanz. Der Schaum ist leicht beigefarben, hält sich schön lange, und wenn man unbedingt meckern möchte, dann höchstens, weil die Schaumblasen etwas zu groß sind. Der Duft ist malzaromatisch, ein bisschen an frisch gebackenes Brot erinnernd, und ganz im Hintergrund hat er eine kräuterige Hopfennote. Der Antrunk ist fein spritzig, täuscht für einen Moment eine schöne Malzsüße an und überrascht dann mit einer kräftigen Hopfenherbe. Retronasal zeigt sich der Hopfen ebenfalls mit Führungsanspruch: Kräuterige Aromen dominieren die zarten Malznoten, aber auf eine angenehme, nicht aggressive Art. Der ebenfalls durch Hopfenherbe geprägte Schluck gefällt – er hinterlässt eine feine Trockenheit auf den Schleimhäuten im Rachen und macht Lust auf den nächsten Schluck.

Garagart – Florida Park – West Coast IPA (7,0%)

Das leuchtende Rotgold erinnert an einen Sonnenuntergang am Baggersee, und die ganz leichte Trübung beeinträchtigt diesen Eindruck überhaupt nicht. Die altweiße Schaumkrone entwickelt sich üppig, hält auch sehr lange, und ist vielleicht ein ganz kleines bisschen zu grobporig. Der Duft ist harzig, ein bisschen kräuterig und hat ganz im Hintergrund eine herzhafte Note, die ein bisschen fleischig, umamiartig wirkt, aber nicht unangenehm ist, sondern dem Geruch eher einen vollmundigen, deftigeren Charakter verleiht. Der Antrunk ist ganz leicht scharf, aber noch nicht pfeffrig wirkend. Auf der Zunge präsentiert das Bier eine runde, vollmundige Textur, begleitet von einer schönen Bittere und würzigen, harzigen Aromen, die retronasal spürbar sind. Im Abgang werden die Kräuteraromen etwas intensiver. Die kräftige, aber ausgewogene und weiche Bittere haftet ein ganzes Weilchen, und all diese Zeit lang kräutert das Bier noch schön vor sich hin. Fein.

Garagart – Wildberry Akelarre – Berry Sour Pastry (4,0%)

Das Bier ist leuchtend dunkelrosa, leicht getrübt und trägt einen rosafarbenen Schaum, der – leider, leider – relativ rasch zusammenfällt. Dabei sah er doch so schön aus … Der Duft wird von Himbeeraromen dominiert, dahinter sind aber noch weitere rote Früchte, die aber alle nicht so in den Vordergrund drängen, sondern sich zurückhaltender und – wie die deutsche Regierungspolitik es immer beschwört – eng untergehakt in unauflösbarer Gemeinschaft präsentieren. Der Antrunk ist spritzig und leicht säuerlich und leitet elegant zu einer deutlich kräftigeren Säure auf der Zunge über. Es ist aber Fruchtsäure, weder essigartig noch milchsäuremäßig kremig, sondern einfach nur fruchtig frisch, und sie wird von feinen retronasalen Fruchtaromen begleitet, bei denen sich die Himbeere erneut in den Vordergrund spielt. All diese Fruchtaromen kontrastieren mit einer nur ganz geringen Süße – wer also ob des Aromas eine Art Zuckerlimonade erwartet hat, wird enttäuscht. Relativ trocken läuft das Ganze ab, und die Trockenheit bleibt auch weiter hinten am Gaumen und im Rachen erhalten. Obwohl ich auf der Zutatenliste Laktose lese, spüre ich davon kaum etwas.

Garagart – Otsate – Imperial Stout Aged on Bourbon Oak Chips (10,5%)

Ein typisches „Motoröl-Bier“ – zähflüssig viskos fließt es ins Glas, bildet keinen Schaum aus und ist absolut blickdicht. Da spielt es dann auch keine Rolle, ob es gefiltert ist (ist es nicht …) oder nicht. Eine Trübung ist eh nicht erkennbar. Der Duft ist geprägt von Vanille- und Rohrzucker-Noten – sehr intensiv, und fast schon an einen karibischen Rum erinnernd. Das macht Lust auf den ersten Schluck! Der Antrunk ist weich und rund, dickflüssig rinnt das Bier über die Lippen und auf die Zunge – wie dicker Zuckersirup. Eine klebrige Süße macht sich breit, ein leicht alkoholscharfes Brennen kann ich spüren, aber wenn ich auf die retronasalen Aromen achte, dann ist die Vanille plötzlich verschwunden. Rohrzuckeraromen (Muscovado) bleiben, aber statt Vanille stehen jetzt Whiskynoten im Vordergrund. Die Bourbon Oak Chips wirken sich jetzt aus. Ein kleines bisschen Röstbittere beginne ich zu spüren – und das wird nach dem Schluck noch intensiver. 30 IBU verspricht das Etikett auf der Dose, aber subjektiv fühle ich mehr. Röstig bitter ist dieses subjektive Gefühl, aber durch den extrem hohen Restzuckergehalt wirkt das nicht kratzig, sondern sehr angenehm und ausgleichend. Eine kräftige alkoholische Wärme in Hals und Magen erinnert noch lange an dieses Bier. Durchaus eindrucksvoll.

Ebenso eindrucksvoll: Die Zutatenliste.

Vienna Malt, Smoke Malt, Salty Caramel Malt, Chit Malt, Honey Biscuit, Coffee Malt, Black Extra, Chocolate W. Ekuanot Hops, Sorachi Ace Hops. Bourbon Oak Chips, Demerara Sugar, Molasses, Muscovado Sugar.

Nun ja, Hefe und Wasser werden wohl auch noch drin sein …

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