Spannende Biere
zum 120. Geburtstag

Man wird nur einmal 120 …

Nein, natürlich ist es kein 120. Geburtstag, aber es ist ein doppelter 60. Corona hat es erzwungen, dass wir unsere beiden 60. Geburtstage, die eigentlich ein Stück auseinanderliegen, gemeinsam feiern. Eine tolle Party mit wunderbaren Gästen ist, und immer noch mehr liebe Freunde, Arbeitskollegen und Verwandte kommen durch die Tür.

Langsam füllt sich der große Saal, und ebenso füllt sich auch der große Gabentisch in der Ecke des Raums.

Ist jetzt irgendjemand überrascht, dass eigentlich keiner der Gäste nicht auf die Idee gekommen ist, mindestens eine symbolische Flasche Bier mit dazu zu packen? Natürlich nicht.

So sind die Verkostungsnotizen denn auch besonders vielseitig. Wow!

Ein ganz, ganz liebes Dankeschön an alle Gäste!

Bildergalerie

Verkostungsnotizen

Ostfriesische Küstenbrauerei – „Watt’n Bier“ Pilsener; Familienbrauerei Hilsenbeck – Hilsenbecks SchottenBock; Brauerei Adler – Vrenelisgärtli – Witbier

Ostfriesische Küstenbrauerei – „Watt’n Bier“ Pilsener (4,8%)

Das Einfüllen gestaltet sich etwas schwierig. Nach einem kräftigen „Plopp!“ der Bügelverschlussflasche kommt das Bier langsam aus der Flasche gekrochen, ich muss mich also sputen. Im Glas schäumt es dann aber so stark auf, dass ich erstmal nur weißen Schaum habe, sonst nichts. Rund zehn Minuten später erst ist das Glas so gefüllt, dass es anfängt, wie Bier auszusehen …

Die Farbe ist ein extrem helles Gelb; wäre nicht eine leichte, gleichmäßige Trübe vorhanden, würde ich sie glatt als wässrig bezeichnen. Der Schaum ist, wie schon beschrieben, mehr als üppig und bleibt ewig lang stehen. Der Duft ist dezent pilsig, soll heißen, ich rieche ein recht unspezifische Hopfenherbe mit einem Hauch von Heu. Dazu gesellt sich ein ganz leicht säuerlicher Tupfer.

Der Antrunk ist spritzig, sehr sogar, was aber angesichts der Schaumbildung jetzt nicht wirklich überraschen sollte. Auf der Zunge ist das Bier extrem schlank, wirkt fast ein wenig dünn (das passt jetzt zur blassen Farbe) und hat einen leichten Säurestich. Die Bittere ist für ein norddeutsches Pilsener jetzt nicht gerade stark ausgeprägt. Nach dem Schluck wird die Bittere ein kleines bisschen stärker, aber immer noch nicht so richtig kernig. Begleitet wird sie im Abgang durch ein dezent seifiges Gefühl auf den Schleimhäuten.

Familienbrauerei Hilsenbeck – Hilsenbecks SchottenBock (9,1%)

„Bierspezialität – in Ruhe im Whiskyfass gereift“, so verspricht es das Flaschenetikett, das sich ansonsten aber mit genaueren Angaben zurückhält.

Das Bier ist dunkelgelb, leicht trüb und entwickelt den Schaum nur recht zurückhaltend. Der Duft ist malzig, holzig, kremig, duftig, hat ein paar feine Vanillenoten, einen Hauch Süße, ein bisschen Whisky – ein sehr komplexes Aromenspiel. Insbesondere die Kremigkeit des Duftes, die die Nasenschleimhäute wie mit Vaseline umkleidet und einschmiegt, begeistert.

Auch im Antrunk spüre ich diese Kremigkeit, auf der aber ein kleiner bizzeliger Tupfer Spritzigkeit herumtänzelt. Auf der Zunge schmiegt sich das Bier an die Schleimhäute, es füllt den Mundraum bis zur letzten Pore, zeigt eine feine Malzsüße, fast keine Herbe, und dann beginnt ein retronasales Aromenspiel, das es mit den unmittelbaren orthonasalen Dufteindrücken problemlos aufnehmen kann. Lange wälze ich den winzigen Schluck im Mund hin und her und versuche, alle Nuancen aufzunehmen. Erst nach einer ganzen Weile, so richtig erst nach dem ersten Schluck, beginnt auch eine leicht adstringierende Herbe, sich zu Wort zu melden. Sie haftet ein bisschen länger und kratzt leicht durch die kremige Textur hindurch – aber eben erst ganz zum Schluss. Zu einem Zeitpunkt, zu dem sich auch schon eine leichte alkoholische Wärme im Hals bemerkbar macht.

Brauerei Adler – Vrenelisgärtli – Witbier (4,7%)

„Saagehafts usem Glarnerland“, so heißt es auf dem Etikett, denn viele der Adler-Biere aus Schwand sind nach Sagengestalten aus dem Glarus benannt. So auch dieses Wit, das Vrenelisgärtli, benannt nach einem Firnfeld an einem Gipfel der Glarner Alpen, das entstanden sein soll, als Vreneli, die Tochter eines Berggeistes, hier verflucht und mit diesem Eis übergossen worden sein soll.

Das Bier hat eine sehr hellgelbe Farbe und ist nur ganz leicht trüb – selbst für ein Wit ist das sehr, sehr hell. Schaum bildet sich nur wenig aus, und dieses wenige fällt dann auch noch recht rasch zusammen. Der Duft ist fruchtig mit ein paar schönen, zitronigen Noten der verwendeten Koriandersamen und der Bitterorangenschale.

Der Antrunk ist nicht ganz so spritzig wie erwartet – die Spundung ist untypisch niedrig. Trotzdem ist das Bier angenehm frisch. Auf der Zunge zeigt sich eine dezente Restsüße, die gut zu den zitrusfruchtigen Aromen passt, das wirkt harmonisch. Retronasal macht sich noch eine leicht erdige Note bemerkbar, die verhindert, dass das Bier zu parfümig wirkt. Nach dem Schluck wird diese erdige Note ein bisschen stärker, so dass die süßlichen Aromen nicht zu ermüdend werden. Gelungen!

Einbecker Brauhaus – Rewe – Nordlicht Landbier mild; Sierra Nevada – Torpedo IPA – Extra IPA; BernardiBräu – Petras No 1 – Dunkles Vollbier

Einbecker Brauhaus – Rewe – Nordlicht Landbier mild (5,0%)

Das Bier haben wir als Gag geschenkt bekommen – leider war der Gag aber schon mehr als ein Jahr über dem MHD. Nicht mehr genießbar.

Sierra Nevada – Torpedo IPA – Extra IPA (7,2%)

Eigenhändig über den Atlantik gebracht – ein besonderes Mitbringsel, direkt aus den USA.

Das Bier ist dunkelkupferfarben, fast schon braun. Es ist blank filtriert und entwickelt einen sehr schönen, leicht beigefarbenen Schaum, der auch recht lange hält. Der Duft ist kernig und harzig mit ein paar dunklen, an ganz dunklen Waldhonig erinnernden Noten.

Der Antrunk ist vom ersten Moment an sehr besitzergreifend. Kernig bitter, kräftig harzig-aromatisch übernimmt der Hopfen ohne lange Diskussion das Kommando. Dabei zeigt er sich aber nicht kratzbürstig, sondern einfach nur in sich ruhend robust. Auf der Zunge erlaubt er es dem Malzkörper, sich ebenfalls mal zu präsentieren, und verhindert so, dass das Bier einfach nur unendlich bitter wird.

Die kernige, deftige Bittere ist trotz allem durchaus samtig verpackt und gefällt mit ihren an frisch gefällte Nadelbäume im Sommer erinnernden Harzaromen. Im Antrunk zeigt sich die wahre Fülle an Bitterstoffen – jetzt werden die Schleimhäute trocken, der Hals wird ein wenig rau, und noch lange hallen die Harzaromen und die Noten von dunklem Waldhonig nach.

BernardiBräu – Petras No 1 – Dunkles Vollbier (5,2%)

Das Bier ist schön dunkelbraun, bei vorsichtigem Einschenken fast klar und trägt einen leicht beigefarbener Schaum, der in dünner Schicht sehr lange hält. Der Duft ist intensiv malzig mit ganz leichten Röstaromen und feinen, brotigen Akzenten.

Der Antrunk ist durchaus spritzig. Auf der Zunge dominiert zunächst der Malzcharakter, anschließend kommen Röstaromen und eine feine Kakaonote hinzu. Eine nicht zu starke Hopfenherbe fängt den Malzcharakter auf und verhindert, dass er zu mastig wirkt. Nach dem Schuck wird die Herbe ein bisschen deutlicher, und auch die Kakaonoten kommen nun retronasal stärker zum Vorschein.

Ein schönes Dunkelbier mit im Vergleich zu den tschechischen Bieren ähnlichen Stils wenig Süße und eher trockenem Finish.

Kona Brewing Co. – Big Wave – Golden Ale; Brauerei Adler – Kellerbier; Ostfriesische Küstenbrauerei – „Watt’n Bier“ Dunkel

Kona Brewing Co. – Big Wave – Golden Ale (4,4%)

Ein Bier aus dem fernen Hawaii – denn in einem hatte Paul Kuhn unrecht: Selbstverständlich gibt es Bier auf Hawaii! Obwohl … dieses hier ist in Lizenz auf dem Festland gebraut worden.

Das Bier hat eine schöne strohgoldene Farbe, ist blank filtriert und trägt eine schneeweiße Schaumkrone. In der Nase spüre ich vor allem Ananas. Viele andere tropische Fruchtnoten tummeln sich im Hintergrund, aber die Ananasaromen sind dominant. Ein Hoch auf die verwendeten Hopfen!

Der Antrunk ist frisch und spritzig. Auf der Zunge zeigt sich das Bier recht schlank und ganz, ganz leicht adstringierend, gleichzeitig aber auch schön hopfig herb und retronasal unverändert mit vielen fruchtigen Noten, die ihm einen süßlichen Charakter geben. Trotz kaum vorhandener Restsüße – da sieht man mal, wie sich die Sensorik kreuz und quer beeinflussen lässt.

Der Schluck zeigt noch einmal deutlich, dass kaum Restsüße vorhanden ist, bringt die Hopfenherbe noch einmal etwas nach vorne und eröffnet ein letztes Mal den tropenfruchtigen Aromenreigen. Ein frisches und höchst durchtrinkbares Zischbier. Perfekt passend wohl für den Strand auf Hawaii.

Obwohl es dort ja gar nicht gebraut worden ist …

Brauerei Adler – Kellerbier (4,8%)

Das Bier ist auf dem Etikett als naturtrüb beschrieben, aber bei vorsichtigem Einschenken merkt man das fast nicht – die goldgelbe Farbe wirkt nur ein kleines bisschen opalisierend. Der weiße Schaum bildet eine nette Krone mit mittellanger Haltbarkeit.

Der Duft ist malzig und weist leichte Keksaromen auf, im Hintergrund spüre ich sehr dezent eine leichte Kräuternote.

Der Antrunk ist mild weich, und ebenso gibt sich das Bier auf der Zunge. Sanft gleitet es in den Rachen hinüber und bleibt auch nach dem Schluck schön ausgeglichen. Retronasal sind die feinen Malz- und Keksaromen ebenfalls zu spüren, aber das war es dann auch schon.

Ein Bier für den unauffälligen Schluck nebenher.

Ostfriesische Küstenbrauerei – „Watt’n Bier“ Dunkel (4,8%)

Das Bier hat eine schöne dunkelbraune Farbe, ist nach vorsichtigem Einschenken schön klar und trägt eine feine, beigefarbene Schaumkrone. Der Duft erinnert an Malzbier, er ist süßlich und malzig, aber zusätzlich hat er auch noch eine dezent dumpfe Note im Hintergrund.

Der Antrunk ist spritzig, lässt aber auch eine leicht säuerliche Note erahnen – ein Eindruck, der sich auf der Zunge bestätigt. Neben den süßlichen Malznoten, die einem tschechischen Dunklen gut zu Gesichte stünden, ist eine feine Säure spürbar. Zusammen mit den nach wie vor im Hintergrund leicht dumpfen Aromanoten kann das Bier dadurch nicht so wirklich überzeugen. Trinkbar, aber ein zweites würde ich mir davon nicht bestellen wollen.

Brauerei Adler – Fridolin Kundert Spezialbier Dunkel; Brauerei Adler – Panix Perle – Spezialbier Hell; SchwarzwaldGold Braumanufaktur – Coco d’Or Beer-Sec

Brauerei Adler – Fridolin Kundert Spezialbier Dunkel (5,2%)

Die Farbe ist genauso schön dunkelbraun wie bei vorherigen Bier, aber die Tatsache, dass es ebenso klar ist, liegt diesmal nicht am vorsichtigen Einschenken – das Bier ist filtriert. Der Schaum ist ebenfalls schön beigefarben und vielleicht im direkten Vergleich nicht ganz so haltbar.

Der Duft ist malzig mit ein paar feinen Karamellnoten, und der Antrunk ist deutlich fester und knackiger als beim vorherigen Bier. Eine leichte, röstige Herbe ist zu spüren, und wenn mich nicht alles täuscht, auch eine dezente Hopfenbittere. Zusammen mit den auch retronasal zu spürenden Karamellaromen ist das Resultat ganz ansprechend.

Und dass das Bier aufgrund des gerösteten Malz „seinen bekömmlichen Charakter“ bekommt, diese Aussage ist der Tatsache geschuldet, dass die Schweiz nicht in der Europäischen Union ist. Da ist die Feststellung, dass ein alkoholisches Getränk bekömmlich ist, noch legal.

Brauerei Adler – Panix Perle – Spezialbier Hell (5,2%)

Gut schaut’s aus: Ein kräftiges Strohgelb, blank gefiltert, darüber ein fester, fast schon flockig wirkender, schneeweißer und ewig haltbarer Schaum, der beim Trinken schöne Ränder im Glas hinterlässt.

Der Duft ist dezent hopfig mit feinen Kräuternoten und einer keksigen Malznote im Hintergrund.

Dem frischen Antrunk folgt ein runder, malziger Eindruck im Mund. Leichte Keksnoten, ein bisschen Kuchenteig, aber auch etwas kräuteriges Hopfenaroma – alles dezent eingesetzt und fein ausbalanciert. Der Schluck bringt die leichte Hopfenherbe ein wenig mehr nach vorne, ohne dass sie jedoch zu sehr auf sich aufmerksam macht.

Ein mit feinen Sinnen komponiertes, gut durchtrinkbares Bier.

SchwarzwaldGold Braumanufaktur – Coco d’Or Beer-Sec (8,5%)

Ein Bier mit viel Geschichte. Martin Walschebauer, der Brauer, der unter der Marke SchwarzwaldGold Braumanufaktur dieses Bier angeboten hat, war Wanderbrauer und hat dieses knochentrocken vergorene und fast schon an einen Sekt erinnernde Weizenbier in der Brauerei Rogg hergestellt. Irgendwann hat er Hals-über-Kopf mit dem Brauen aufgehört, ist ausgewandert, und nun gibt es dieses Bier nicht mehr …

Die Flasche trägt das Mindeshaltbarkeitsdatum 15. Mai 2021, ergänzt um den Vermerk „Immer noch gut danach!“.

Das Bier steht strohgelb bis gold im Glas, ist völlig klar und bildet keinen Schaum aus. Lediglich nach dem Einschenken schäumen ein paar Blasen hoch, fallen aber sofort wieder zusammen.

Der Duft ist leicht malzig, zeigt ein paar weinige (oder sektartige …) Noten, aber leider auch schon ein paar honigartige Alterungsaromen.

Der spritzig-säuerliche Antrunk ist sehr sektartig. Auf der Zunge ist das Bier nicht ganz so trocken, wie ich es bei frischeren Flaschen in Erinnerung habe, stattdessen zeigt sich eine honigartige Malzsüße. Auch hier werde ich den Eindruck nicht los, dass es sich um leichte Alterungsaromen handelt.

Ähnlich dann nach dem Schluck. Der Sektcharakter ist noch spürbar, aber es dominiert eine malzige, honigartige Süße, die retronasal recht intensiv wird.

Ob es nur diese eine Flasche (die #429 von 700) ist, die so deutlich gealtert ist, oder ob dies für alle Coco d’Or Flaschen gilt, ist wohl eine Frage, die ich nie werde beantworten können.

Trotzdem eine sehr schöne Trinkerfahrung.

Bildergalerie

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.