Eine lange Autotour. So lang, dass eine Zwischenübernachtung notwendig ist; ich schaffe es nicht mehr bis nachhause. Ist Nürnberg für den Zwischenstopp eine Option? Ach, klar. Die Frankenmetropole geht immer. Und wenn sich dann noch „zufällig“ hundert Meter vom Hotel entfernt eine Brauerei befindet, dann doch erst recht.
So stehe ich am Abend vor dem Freischankbereich der Bruderherz – Brauwerkstatt. Und wundere mich. Es ist noch nicht kalt, vielleicht 17°C. Ich trage T-Shirt, und vor mir stehen ein paar wenige Raucher in dicken, wattierten Jacken, und der Rest des Biergartens ist leer. Ist es ein psychischer Druck angesichts der Gasknappheit und ein daraus resultierendes Bedürfnis, es noch einmal drinnen kuschelig warm zu genießen, bevor vielleicht ein kalter Winter kommt?
der Außenbereich ist trotz angenehmer Temperatur verwaist
Ich weiß es nicht. Da ich aber auch nicht ganz allein draußen sitzen möchte, gehe ich ebenfalls in den im Industrial Chic eingerichteten Schankraum und lasse mir von der jungen Dame am Empfang einen Platz zuweisen. „Es ist fast alles reserviert, aber ich setze Dich mal an einen großen Tisch, und wenn noch mehr Gäste kommen, dann setze ich sie zu Dir dazu. Ist das okay?“ Klar ist das okay, wir sind ja schließlich in Franken, wo ein Tisch erst dann als vollbesetzt gilt, wenn noch mindestens zwei zusätzliche Stühle herangeschoben worden sind.
Klar, dass mein erster Blick der Bierkarte gilt. Oh! Nur ein einziges hier vor Ort gebrautes Bier? Das ist ungewöhnlich. Nicht, dass es keine Bierauswahl gäbe – ein halbes Dutzend guter Bierspezialitäten unterschiedlicher Stile, aber besten Rufs sind in der Karte aufgelistet. Aber eben nur eins aus den eigenen Braukesseln, das Mia Lager.
Na gut, dann fällt die Auswahl bei der Bestellung wenigstens nicht schwer. „Ein Seidla vom Mia Lager, bitteschön!“
Das Glas schaut appetitlich aus. Ein simpler Willibecher mit einem ebenso simplen Schriftzug „Bruderherz“. Das Bier selbst kupferfarben und nur leicht trüb mit einer üppigen Schaumkrone und einem intensiven malzigen Geruch. Der erste Schluck bleibt allerdings ein bisschen hinter den Erwartungen zurück. Rund und malzig ist das Bier, aber gleichzeitig auch ein wenig mastig, und es lässt einen Hauch Frische vermissen. Haben die typischen fränkischen Lagerbiere oft einen kräftigen Hopfenakzent und eine schöne Bittere, die der Malzigkeit den sättigenden Effekt nimmt, suche ich das hier vergebens. Trotzdem ein gutes Bier, das schon, aber ich persönlich hätte etwas mehr hopfigen Charakter und Kernigkeit erwartet.
Fränkisches Stillleben: Lagerbier und Krustenbraten
Der Krustenbraten mit Kloß dazu versöhnt mich aber sofort mit allem. Zwei dicke Fleischstücke, ein dicker Kloß und eine Badewanne voll dicker Bratensoße. So muss das! Der üppige Salatteller, der als Beilage dazu serviert wird, das Format einer Beilage aber deutlich überschreitet, fällt demgegenüber gar nicht ins Gewicht. Schmeckt zwar auch gut, aber wer konzentriert sich denn schon auf den Salat, wenn er Schweinsbraten hat?
Das deftige Essen muss aber mit einem weiteren großen Bier hinuntergespült werden. Das Helle der Landwehr-Brauerei kommt dazu gerade recht und symbolisiert gelebte Vielfalt: Ein Bier der Landwehr-Bräu, serviert in einem Gutmann-Krug im Schankraum der Bruderherz – Brauwerkstatt. Ein dreifacher Braugenuss, gewissermaßen. Das Bier selbst ist für ein Helles ungewöhnlich dunkel, passt aber vorzüglich zum Schweinsbraten. Ein Bier für den großen Schluck zum kräftigen Essen.
Landwehr Hell & Fürst Carl Franken Ale
Ich schaue auf die Uhr. Ein kleines Absackerbier kann ich mir noch gönnen, und jetzt darf es auch etwas für den langsamen Genuss sein. Das Fürst Carl Franken Ale aus der Schlossbrauerei Ellingen kommt da gerade recht. Eine 0,33er Flasche, ein Bier mit einer ausgeprägten und fruchtig aromatischen Hopfennote, einem von Hopfenbittere geprägten Charakter und nicht zu aufdringlichen, aber doch gut spürbaren fruchtigen und blumigen Gärnoten der Hefe. Ich muss an meinen Besuch in der Schlossbrauerei Ellingen denken. Fünfzehn Jahre liegt er schon zurück, und damals hat wohl noch niemand daran gedacht, dass auch hier, in dieser altehrwürdigen Brauerei, einmal moderne Bierstile gebraut werden.
Zufrieden mache ich mich wieder auf den Weg, nicht ohne aber noch einen kleinen Abstecher in den Keller zu machen, wo das Sudwerk steht. Eine kleine und zweckmäßige, nicht auf beeindruckende Optik getrimmte Edelstahlanlage, die am Rand eines großen Saals aufgebaut ist, der für Festlichkeiten genutzt werden kann oder, so wie heute, als Überlauf für die Gäste dient, die oben keinen Platz mehr gefunden haben.
Direkt daneben, hinter großen Glasscheiben, stehen auch die Gärbehälter. Offene Gärung – durch die „Schaufenster“ kann ich die dicken Kräusenschichten sehen und zuschauen, wie die dicken Kohlensäureblasen die Hefedecke immer wieder in leichte Wallung bringen.
Schön hier.
Blick in das Sudhaus und den Gärkeller
Die Bruderherz – Brauwerkstatt: Eine nette Einkehrmöglichkeit im Süden der Altstadt. Sehr gutes Essen, gute Biere und ein absolut freundlicher und aufmerksamer Service. Ein großes Lob an die jungen Damen und Herren, die wirklich zu überzeugen wissen.
Die Bruderherz – Brauwerkstatt befindet sich am südlichen Rand der Nürnberger Altstadt im Fußgängerbereich, nicht weit vom Frauentor. Vom Hauptbahnhof aus sind es nur fünf Minuten zu Fuß, die Erreichbarkeit mit den Öffis ist also überhaupt kein Problem. Und wer gar nicht mehr fahren möchte, findet im gleichen Gebäude wie die Brauerei sowohl Hotel- als auch Hostelzimmer.
Bruderherz – Brauwerkstatt
Luitpoldstraße 15
90 402 Nürnberg
Bayern
Deutschland
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