Browar PG4
Gdańsk
POL

„Oh, Mann, das sieht mir aber nach touristischer Massenabfertigung aus“, schießt es mir durch den Kopf, als wir die Glastür der Browar PG4 öffnen und an den blitzblank polierten Kupferkesseln vorbei in den großen Schankraum hinuntergehen. Riesige, schier unendlich lange Tische stehen dicht an dicht und warten auf große Reisegruppen, alles ist eng bestuhlt, und der Kellner, der uns ganz hinten am anderen Ende noch einen Tisch für zwei Personen zuweist, gibt sich mundfaul und rustikal, fast schon unhöflich.

lange Tische warten auf große Reisegruppen

„Jetzt sind wir schon mal hier, dann trinken wir hier auch etwas und essen eine Kleinigkeit. Wenn’s nix taugt, dann haben wir halt Pech gehabt“, entscheidet meine holde Ehefrau, und so nehmen wir vor den stählernen Lagertanks Platz und äugen in den großen Raum.

Das papierne Platzdeckchen vor uns informiert uns, dass es vier ständig angebotene Biere und eine Handvoll Saisonbiere gibt, und es bietet uns zum Glück auch an, einen Tester mit vier kleinen Biergläsern zu bestellen. Und das Beste an diesem Tester ist: Zu jedem Bier gibt es ein kleines Schüsselchen mit einem Snack dazu – Beer-Food-Pairing also. Das habe ich in dieser Form bisher nur ganz, ganz selten gesehen. Vielleicht ist der Laden also doch nicht so schlecht wie befürchtet?

Der junge Kellner, der für unseren Tisch zuständig ist, ist deutlich freundlicher als der Muffel am Empfang. Geduldig hört er sich unsere Bestellung an, und in Windeseile kommt das Probierbrettchen mit vier Biergläsern und vier kleinen Glasschüsselchen an den Tisch. Das sieht doch schon mal prima aus. Zufrieden mache ich mich an die Verkostung.

ein Probier-Brettchen mit Beer-Food-Pairing

Bier Nummer 1 ist das Starogdańskie, ein klassisches Lagerbier mit 5,2% Alkohol. Ohne Ecken und Kanten, ein grundsolides Alltagsbier. Dazu gibt es Schweinskopfsülze mit Zwiebeln und Senf.

Gefolgt wird es vom Tafel, einem 4,8%igen Old Style Gdańsk. Etwas dunkler als das Lager, deutlich stärker gehopft, und etwas fruchtiger. Sehr schön trinkbar. Begleitet wird es von einem Stück Hühnchenbrust in Honigsoße mit ganzen Senfkörnern und einem Stückchen Gurke. Auch fein.

Na, der Auftakt ist ja gar nicht mal so schlecht, denke ich mir und beschäftige mich nun aber mit meinem Veggie-Burger mit Halloumi-Käse, der mir inzwischen serviert worden ist. Mit dem bin ich genauso zufrieden wie meine holde Ehefrau mit ihren Kartoffelpuffern mit Sahnehering – sehr nämlich. Beides schmeckt vorzüglich und ist auch ansprechend dekoriert serviert worden. Unsere Vorurteile gegen eine mögliche Massenabfertigung beginnen, zu bröckeln.

sehr ansprechendes Essen

Während ich nun Bier Nummer 3 verkoste, das Pszeniczne Klasyczne, ein hellbraunes Weißbier, das nicht nur so aussieht wie die klassische Schneiderweiße, sondern auch ähnlich schmeckt (dazu gibt es ein Stückchen Hering mit roten Zwiebeln), rückt am Nachbartisch eine große Gruppe norwegischer Touristen ein. Sie haben eine Stadtführung mit anschließender Bierverkostung gebucht, und nachdem der Stadtführer sich wortreich von ihnen verabschiedet hat, wird jedem ein solches Testbrett serviert, wie ich es gerade vor mir stehen habe.

Was sofort auffällt: Deren Testbrettchen sehen anders aus als meine. Zwar sind die kleinen Schüsselchen mit den gleichen Snacks gefüllt, wie bei mir, aber die Biere sind zum Teil andere!

Ich trinke mein viertes und letztes Bier, 4,9%ige Premium Pils, das mir aufgrund seiner kräftigen Hopfenbittere, den Heuaromen und des schlanken Körpers hervorragend gefällt, und äuge auf die Brettchen nebenan. „Ihr habt ja ganz andere Biere als ich“, frage ich den Norweger, der mir am nächsten sitzt. „Ja, und vor allem haben wir zusätzlich alle ein Schnapsglas von dem Jopenbier bekommen, der ganz besonderen Spezialität“, lacht er und stichelt: „… und Du nicht!“

„Oh, das muss ich mir dann auch gleich bestellen“, gebe ich zurück.

„Lass mal“, sagt der Norweger und drückt mir ein Gläschen mit dem Jopenbier in die Hand. „Wir haben mehr Bier serviert bekommen, als wir brauchen – einige von uns trinken gar kein Bier, aber das war im Preis für die Stadtführung mit drin. Lass es Dir schmecken!“

Danziger Jopenbier

So komme ich in den Genuss eines Gläschens des 10,1% starken Danziger Jopenbiers – und es schmeckt hervorragend. Ganz klar ein Fünf-Sterne-Bier. Kräftige Röstaromen, eine prägnante Restsüße, der Alkohol hervorragend eingebunden, so dass man die zehn Prozent überhaupt nicht merkt. Das Gläschen hat zwar nur 50 ml Inhalt, aber ich kann mich trotzdem eine ganze Weile mit ihm beschäftigen. Es trinkt sich am besten tropfenweise, wie ein Likör.

Als der Kellner das nächste Mal an unseren Tisch kommt, frage ich ihn gleich zweierlei: Erstens, ob wir das Jopenbier auch in der Flasche zum Mitnehmen kaufen könnten, und zweitens, welche Biersorten er denn noch im Angebot habe, und ob ich davon auch ein Probierglas bekommen könne.

Der Preis für eine Flasche Jopenbier ist mit 134,- PLN, also rund 30,- EUR, ganz schön happig, aber wir nehmen uns trotzdem eine Flasche mit (die wir dann auch in einer schönen Papp-Tragetasche bekommen). Als kleine Wiedergutmachung für den hohen Preis (der Kellner hat wohl gesehen, wie ich tief eingeatmet habe) bekomme ich die beiden Probiergläschen der noch fehlenden Biere als Geschenk des Hauses. Ist ja auch eine nette Geste.

Und so genieße ich zunächst das Krollinger, eine 3,3%ige, durchaus gelungene Interpretation einer Berliner Weisse mit einer sehr weichen und runden, gar nicht aggressiven Säure, und dann das Gdański Rubin, ein 5,2%iges Dunkel, das mit seinen karamelligen Noten ein schönes Amber Ale abgibt.

Krollinger und Gdański Rubin

Die Norweger am Nachbartisch sind mittlerweile zu Hochform aufgelaufen. Das Bier mundet denen, die auch Bier trinken, offensichtlich hervorragend, und sie bestellen von den verschiedenen Sorten nun auch Halblitergläser. Bier trinken macht hungrig, und so werden dann auch recht bald beste polnische Spezialitäten aufgefahren – neben Żurek und Piroggen vorwiegend fleischlastige Gerichte. Schön, die Freude am Genuss mitanzusehen.

Ich schaue mir das schöne Kupfersudwerk noch etwas genauer an, und dann wird es Zeit, aufzubrechen. Ja, es ist in der Tat eine Gasthausbrauerei, die auf Massenabfertigung ausgerichtet ist. Ganze Busladungen von Touristen können hier in kürzester Zeit abgefertigt werden. Und wenn alle Plätze besetzt sind (es ist alles sehr eng bestuhlt), ist es mit der Gemütlichkeit bestimmt schnell dahin. Aber die Biere sind in Ordnung, teils sogar ganz vorzüglich, und die Speisen nicht nur schmackhaft, sondern auch schön arrangiert und dekoriert. Das alles bei noch fairen Preisen – das ist schon in Ordnung. Wir bereuen es nicht, heute hier eingekehrt zu sein.

Die, wie unschwer zu erkennen ist, nach ihrer Adresse benannte Browar PG4 ist täglich ab 14:00 Uhr, sonntags schon ab 13:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Sie befindet sich im Keller des Central-Hotels direkt neben dem Hauptbahnhof von Gdańsk, ist mithin aus allen Himmelsrichtungen und mit allen Verkehrsmitteln ganz einfach zu erreichen.

Bilder

Browar PG4
Podwale Grodzkie 4
80-895 Gdańsk
Polen

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