Biere aus dem
ganz hohen Norden

Von Spitzbergen bis Mitteleuropa

Wenn man eine Reise bis zum Polarkreis macht, kann man stolz sein. Das ist ganz schön weit oben.

Obwohl … es sind dann immer noch rund 700 Kilometer und fast zehn Stunden Autofahrt bis zum Nordkap, also so richtig weit im Norden ist man am Polarkreis noch gar nicht.

Aber dann! Dann steht man am Nordkap und sagt sich: „Wow! Zwischen uns und dem Nordpol kommt nicht mehr viel!“

„Nicht mehr viel? Sind wir etwa ‚nicht mehr viel‘?“, fragen sich die Bewohner von Spitzbergen und schauen spöttisch grinsend auf das Nordkap, das sich rund 750 Kilometer südlich der Inselgruppe befindet.

Spitzbergen – das erst ist also der wirkliche hohe Norden! Angesichts der Bevölkerungszahl ist das zwar in der Tat „nicht mehr viel“, aber es gibt dort, im Hauptort Longyearbyen, sogar eine Brauerei, die Svalbard Bryggeri. Sie darf sich mit Fug und Recht nördlichste Brauerei der Welt nennen. Wer möchte ihr diesen Titel streitig machen? Höchstens vielleicht ein Hobbybrauer in einer Forschungsstation am Pol …

Für mich als Bierreisenden bleibt diese Brauerei allerdings bis auf Weiteres unerreichbar. Vielleicht werde ich im Ruhestand die Zeit finden, bis nach Spitzbergen zu reisen, aber bis dahin bleibt es ein Reisetraum.

ein kleines Päckchen mit spannendem Inhalt

Umso schöner, dass mich heute ein kleines Päckchen erreicht. Nicht aus Longyearbyen, sondern aus Limburg an der Lahn, aber: Enthalten sind zwei Dosen Bier der Svalbard Bryggeri. Ein guter Bekannter hat im Spätsommer eine Reise nach Spitzbergen gemacht und dort tatsächlich an mich gedacht. Was für eine schöne Geste!

Bier aus dem ganz hohen Norden also. Biere, an die man in Deutschland nicht so ohne weiteres rankommt, denn die Brauerei hat zwar einen Online-Shop, liefert aber nur auf das norwegische Festland. Ein ganz besonderes Trinkerlebnis!

Bildergalerie

Verkostungsnotizen

Gruve 3 – Autopilot – Barley Wine – Bourbon Barrel Aged in a Coal Mine (9,0%)

Eine lange Geschichte findet sich auf der Dose: „We created a series of beer called Gruve 3 to honor the mining community in Longyearbyen. The beers are named after work titles and known persons. — This beer ist dedicated to the owner of the brewery, Robert Johansen, a miner in Mine 3 from 1982 – 1994. At the age of 20 he took his pilot license, and in 1983 he bought his first plane. Seasoned miners were given nicknames. If you were assigned a nickname you were a person to remember. People quickly understood that Robert was a hardworking man and was therefore nicknamed ‘Autopilot’. “

Das Bier hat eine wunderschöne, zwischen Kastanienbraun und Dunkelrot changierende Farbe und ist nur ganz leicht getrübt. Der dezent beigefarbene Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend und fällt dann auch recht rasch zusammen.

Was der Schaum nicht kann, das übernimmt dann aber der Duft. Intensive Bourbon-Noten, gepaart mit holzigen Vanillearomen dominieren in der Nase und machen unbändige Lust auf den ersten Schluck. Ich spanne mich selbst auf die Folter und schnuppere zunächst noch ein bisschen herum …

Der Antrunk weist eine feine Kohlensäureschärfe auf. Auf der Zunge spüre ich diese Schärfe ebenfalls noch, sie klingt aber rasch ab und macht einer deutlichen, adstringierenden Bittere Platz, die vom Holz zu stammen scheint. Sie ist kombiniert mit einer deutlichen, aber lange nicht so dominanten Malzsüße und einigen retronasalen Bourbon-Aromen. Primär sind es jedoch die Holzaromen, die den Charakter dieses Biers ausmachen. Intensiv, fast schon so als würde ich an einem Stückchen Eichenholz herumkauen oder -lutschen. Ihr kennt das doch auch noch aus Eurer Kindheit, oder? Der Braune Bär von Langnese, das Eis mit dem Karamellkern. So lecker das zähe Karamell im Inneren auch war – es verführte dazu, viel zu lange zu versuchen, noch die letzten Karamellaromen aus dem Holzstil herauszulutschen. Mit dem Resultat, dass am Ende eigentlich nur noch Holzaromen zu schmecken waren …

Auch im Abgang bleiben die krassen und kratzigen Tannine aus dem Holz erhalten und begleiten die Bourbon-Aromatik. Ein bisschen zu viel des Guten.

Spitsbergen – White IPA (6,0%)

Auch hier wieder eine lange Geschichte auf der Dose, allerdings schwerpunktmäßig nicht über das Bier, sondern über die Brauerei: „In 2009, Robert and Anne Grete Johansen came up with the wild idea of starting a brewery in Longyearbyen. It took 6 years to change Svalbard’s alcohol law, and on the 7th of August 2015 the world’s Northernmost brewery finally opened. Today the beer is enjoyed by explorers from all over the world. – Combining the freshness of a Belgian wit and the fruity hoppiness of an American IPA. Our White IPA is carefully balanced with coriander seeds, orange peel and a decent amount of hops.“

Das Bier ist goldfarben, klar und entwickelt einen schönen, weißen Schaum, der auch eine recht lange Weile haltbar ist.

Der Duft ist ein bisschen harzig, kombiniert mit leicht blumigen Aromen. Der Antrunk ist eher weich, die Spundung gering, und auf der Zunge wirkt das Bier recht viskos. Nicht wirklich zähflüssig, aber doch nicht so spielerisch spritzig, wie Bier sonst daherkommt.

Retronasal spüre ich ähnliche harzige und florale Noten wie orthonasal, und die Aromen werden von einer kräftigen, aber nicht zu dominanten Bittere untermalt. Im Abgang wird die Bittere deutlicher, aber sie bleibt weich und rund und bekommt weder Ecken und Kanten noch kratzige, borstige Effekte. Nach dem Schluck werden die blumigen Aromen intensiver, gehen in Richtung Rose und lassen mich an mein letztes Verkostungsseminar denken, als wir beim Geraniol gedacht haben: „So was kommt doch in einem kommerziellen Bier nie vor!“ – Doch, kommt es!

Bildergalerie

Svalbard Bryggeri
Sjøområdet
9170 Longyearbyen
Norwegen

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