TurbinenBräu
Zürich
CHE

Mittags um zwölf an einem Sonnabend ist vielleicht nicht die beste Uhrzeit, um in einer Brauerei mit kleinem, nur nebenbei betriebenem Taproom auf ein Bier einzukehren. Die Menschen stehen am Rampenverkauf und wollen Einzelflaschen, ganze Kästen oder gar Fässer mitnehmen, und der Bierliebhaber und seine Bierliebhaberin stehen dazwischen und verlangen nach einem Bier, um es hier vor Ort zu trinken …

TurbinenBräu – Gold Sprint Spezial-Bier

Natürlich bekommen wir es, ernten aber verwunderte Blicke. Und habe ich nicht für einen Sekundenbruchteil auch ein genervtes Zucken im Mundwinkel des jungen Manns gesehen? Ach, wahrscheinlich nicht, dazu ist er dann doch zu höflich …

Wir stehen in der TurbinenBräu. Das ist eine Brauerei, die von ehemaligen Mitarbeitern der Brauerei Hürlimann gegründet worden war, als letztere 1996 an Feldschlösschen verkauft wurde und der Braustandort in Zürich geschlossen wurde. „Drei Zürcher stemmten sich gegen den Niedergang der Bierkultur und begannen im Industriequartier, gleich neben der alten Turbinenproduktion der Sulzer-Escher-Wyss, selbst Bier zu brauen. Die TurbinenBräu AG war geboren“, liest man auf der Website.

TurbinenBräu

Offensichtlich war diese Aktion von Erfolg gekrönt, denn bereits 2002 musste die Brauerei in eine größere Industriehalle in der Badener Straße umziehen, weil die alte Infrastruktur zu klein war.

Vor dieser Halle stehen ein paar grob gezimmerte Bänke und Tische, und gegenüber auf dem Parkplatz befindet sich ein kleiner Freisitz. Ein paar große Blumentöpfe mit etwas Grün drin, dazwischen Klapptische und -stühle, und drumherum ein Zaun aus Europaletten. Simpler Genuss.

der Biergarten

Unser Bier, das Gold Sprint Spezial-Bier mit 5,2% Alkohol erweist sich als gut durchtrinkbar. Als Spezial entspricht es dem, was überall sonst auf der Welt als Pils verkauft wird, aber aufgrund eines bilateralen Abkommens zwischen Tschechien und der Schweiz seit vielen Jahrzehnten und noch bis Ende dieses Jahres nicht so genannt werden darf. Eine angenehme, nicht zu intensive Herbe, ein frischer, nicht zu schlanker Körper und eine angenehm niedrige Spundung – schmeckt!

Wir sitzen ein Weilchen und beobachten die Kunden, die sich hier für das Wochenende eindecken. Ist ja immer wieder kurzweilig, andere Menschen in ihrem Alltag zu beobachten und … innerlich ein bisschen zu lästern. Der mittelalte Mann, der offensichtlich für eine Party einkauft und ein Fass mit Zapfanlage im Auto verstaut. Ein etwas jüngerer Mann, der ebenso offensichtlich einen Vorrat für mindestens ein halbes Jahr in den Kofferraum packt – alles ein und dasselbe Bier. Die etwas ältere Dame, die zwei kleine 0,33-l-Flaschen sorgfältig in ihrer Handtasche verstaut … Das bunte Alltagsleben halt.

Blick ins Sudhaus

Direkt neben der kleinen Verkaufstheke beginnt der Produktionsbereich. Die schmucklosen, aber effizienten Edelstahlgeräte stehen auf türkisfarben versiegeltem Fußboden. Einen Raum weiter sehen wir die Gär- und Lagertanks, die Flaschenwaschmaschine und die Abfüllung. Eine reine Produktionsbrauerei.

Aber eine, die sicherstellt, dass Zürich unverändert sein eigenes Bier hat, auch wenn Hürlimann fortgezogen ist – weit weg, bis nach Rheinfelden, wo es nun bei Feldschlösschen gebraut wird. „Mit dem Ergebnis, dass man es mit der Lupe suchen muss, um es trinken zu können …“, wie mir ein befreundeter Bierliebhaber erzählt.

Aber hier geht es ja nicht um Hürlimann, hier geht es um TurbinenBräu.

Der Rampenverkauf der TurbinenBräu ist montags bis freitags von 08:30 bis 18:30 Uhr und sonnabends von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. Wenn man mag, kann man dann sein Bier direkt vor der Halle auf den Holzbänken trinken. Fährt man mit der Straßenbahn oder dem Bus zur Haltestelle Kappeli, so sind es von dort aus zwei Minuten zu Fuß in Richtung Osten, der Badenerstrasse folgend.

Bildergalerie

TurbinenBräu AG
Badenerstrasse 571
8048 Zürich
Schweiz

4 Kommentare

  1. Wieder ein sehr interessanter Einblick in die Bierwelt unserer Nachbarn. Kannte die Brauerei bisher nicht. Danke. Selten so schöne Bieretiketten gesehen. Wusste auch nicht, dass bilateralen Abkommens zwischen Tschechien und der Schweiz zum Pils gibt/gab. Mich wundert dann aber, dass auf der Homepage ein Pilsener und ein Imperial Pilsener als Saisonspezialitäten gelistet sind.

    • Hallo, Christian,

      danke für Deinen sehr netten Kommentar.

      Nun, mein Besuch datiert vom September 2022 (da ist ein kleiner Vermerk am Beginn des Artikels, aber den überliest man natürlich leicht), da stimmte das noch mit dem bilateralen Abkommen zwischen CHE und CZE. Das ist, wie im Text später ganz kurz erwähnt, Ende 2022 ausgelaufen, insofern gibt es seit fast einem Jahr nun auch in CHE Pilsner-Biere – und die findest Du natürlich aktuell auch auf der Homepage der TurbinenBräu. Da ist eine viele Jahrzehnte währende Sonderregelung ausgelaufen.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

  2. Hallo Volker,
    Das stimmt natürlich. Ich hatte mich nur gewundert, dass es im März 2020 „Select“ ein Imperial Pilsener als Saisonbier gab. Die Regelung galt übrigens auch für bestimmte slowakische Biere: Pressburger Bier, Hurbanovo Bier, Hurbanovo Bier und Topol’čany Bier. Über die Jahrzehnte hat sich das Spezial wohl auch vom Pils etwas entfernt und als eigener Bierstil etabliert. Nochmal danke für den interessanten Beitrag. Viel gelernt.

    • Oh, im März 2020 schon ein Bier mit „Pilsener“ im Namen? Das klingt ja spannend. Nun gut, als Imperial Pilsener hat es mit dem Original Bierstil ja überhaupt nichts zu tun – vielleicht ist das dann so eine Art Grauzone in dem bilateralen Abkommen gewesen und nicht wirklich illegal? Wer weiß …

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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