Eine Traditionsbrauerei wird cool!
„Liebe Bierfreunde, in den letzten Monaten und Jahren haben wir immer einmal wieder auf unserer 50 l Kreativbrauerei gebraut: Im Rahmen von Braukursen, Schulungen, Veranstaltungen, oder wenn wir einfach Lust drauf hatten. Dabei haben wir das eine oder andere Rezept ausproBIERt, es nochmals so oder so ähnlich proBIERt oder auch nicht. In jedem Fall entstanden daraus sechs neue Rezepte, die aus unserer Sicht so perfekt sind wie sie jetzt sind. Nun wollen wir einem kleinen Kreis unserer Freunde die Gelegenheit bieten die sechs Biere zu proBIERen und mit zu entscheiden, welches das beste ist und auf den Markt kommen sollte. So entstand die Brewmasters Selection 2023 – die erste überhaupt.“
sechs Biere in winziger Auflage
Das war der Text, durch den ich auf die Biere der Lahnsteiner Brauerei aufmerksam wurde. Nur rund hundert 0,33-l-Flaschen pro Sud sind es – bedingt durch die winzige Ausschlagsmenge des kleinen Sudwerks.
Tja, da kann ich natürlich nicht lange widerstehen und muss die Biere so schnell wie möglich verkosten.
Verkostungsnotizen
Ullis Tripel; Rohminator Tripel; Caramba Caracho Mega IPA; Porter RC; Honigbier BC; Ullis Dubbel
Lahnsteiner Craftbiere – Ullis Tripel (9,8%)
Selbst für ein Tripel, das ja durchaus alkoholstark sein darf, sind 9,8% Alkohol schon eine Ansage! Wow!
Das Bier ist leuchtend orange, schön gleichmäßig trüb und trägt einen leicht gelblich schimmernden, üppigen Schaum, der ewig lang hält.
Der Duft ist estrig-fruchtig mit Noten, die an Aprikosen, Mirabellen und überreife Pfirsiche erinnern.
Der Antrunk ist angenehm weich, und auf der Zunge macht sich eine weiche Süße breit. Retronasal werden die Früchte etwas herber, weniger süß, und es mischt sich neben einer feinen alkoholischen Note auch ein phenolischer Hauch in das olfaktorische Erlebnis.
Ganz sachte entwickelt sich nun auch eine leichte Bittere, die eher hefig als hopfig wirkt und sich nach dem Schluck noch ein wenig fester etabliert. Gleichzeitig entwickelt sich tief im Rachen und in der Speiseröhre eine feine alkoholische Wärme, die aber nicht spritig wirkt.
Lahnsteiner Craftbiere – Rohminator Tripel (13,5%)
Uff! Sprach ich im Bier oben von „alkoholstark“? Im direkten Vergleich wirkt das Tripel nun fast schon wie ein Leichtbier! Wenden wir uns also dem Rohminator Tripel mit 13,5% Alkohol zu!
Das Etikett erzählt uns eine nette Geschichte: „Naturtrübes obergäriges Starkbier nach dem Vorbild eines Strong Blonde. Kann man den hellen Doppelbock Martinator noch stärker brauen? Aus dieser Bieridee des Lahnsteiner Braumeisters Henrik Rohmann und seines Chefs Dr. Markus Fohr entstand 2016 der erste Megabock Rohminator. Kann man einen Rohminator oder ein Tripel noch stärker brauen? Aus dieser Bieridee braute 2022 der Dritte im Bunde, Brauer Ulli Hastenplug, den ersten Rohminator Tripel: Gefährlich hell, mit fruchtig-wuchtiger Aromatik und knackiger Bittere. Noch Fragen? Nach diesem Genuss ganz sicher nicht mehr …“
Das Bier ist dunkelgelb, leicht trüb und entwickelt übermäßig viel Schaum – zum Glück erst beim Einschenken und nicht schon direkt nach dem Öffnen der Flasche! So gelingt es mir, den überquellenden Schaum abzutrinken und die Arbeitsplatte in der Küche nicht zu verkleben.
Der Duft ist süßlich, wirkt ein bisschen kremig und zeigt im Hintergrund ein paar grüne Hopfenaromen, die in eine grasige, heuartige Richtung gehen.
Der Antrunk ist spritzig und süßlich. Auf der Zunge wirkt das Bier im ersten Moment zuckrig. Die Restsüße ist gewaltig, geradezu schon klebrig. Dann macht sich an den Zungenrändern beginnend eine deutliche Bittere bemerkbar, die aber immer in zweiter Reihe hinter der Malzsüße bleibt. Retronasal spüre ich eine spannende Mischung aus zuckrig-süßen, überreifen Morellen und feinen phenolischen Aromen, wie ich sie sonst gerne in belgischen Saisons entdecke.
Nach dem Schluck gewinnt der Zucker aber wieder die Oberhand. Mund und Rachen werden süß und klebrig, und gleichzeitig entwickelt sich eine angenehme, kräftige alkoholische Wärme im Hals.
Lahnsteiner Craftbiere – Caramba Caracho Mega IPA (9,4%)
Auch hier wieder viel Text auf dem Etikett: „Naturtrübes obergäriges Starkbier nach dem Vorbild eines American Double IPA. ‚Wir brauen jetzt ein Bier, so wie ich das mag!‘ Mit dieser klaren Zielsetzung begaben sich unser Chef Dr. Markus Fohr und unser Brauer Ulli Hastenplug daran ein Mega IPA mit paradiesischem Malzkörper, exorbitantem Hopfenaroma und wuchtiger Bittere zu brauen. Ein Bier für bekennende Hopheads!“
Das Bier entwickelt unendlich viel Schaum, aber erst beim Einschenken – zum Glück nicht direkt nach dem Öffnen der Flasche. Es hat eine mittelbraune Farbe und ist kräftig gleichmäßig hefetrüb.
Der Duft weist ein paar intensive Honignoten und dahinter ein paar leichte phenolische, medizinische wirkende Akzente auf. Ein wenig später, als das Bier sich ein wenig erwärmt hat, kommen noch estrige Fruchtnoten und ein Hauch Mandelaroma hinzu.
Der Antrunk ist sämig und weich – die Malzsüße ist vom ersten Moment an deutlich zu spüren. Auf der Zunge wirkt das Bier dadurch ein wenig klebrig. Gleichzeitig macht sich eine deutliche Hopfenbittere breit, und retronasal präsentieren sich leicht stechende Bittermandelaromen.
Der Schluck wird dominiert von einer spritigen Schärfe, die sich die ganze Speiseröhre hinunterzieht und auf unausgewogene Art und Weise wärmt.
Insgesamt ein von Disharmonie geprägtes Bier. Leider.
Lahnsteiner Craftbiere – Porter RC (5,1%)
Der obligatorische erläuternde Text vom Etikett: „Dunkles obergäriges Vollbier. Mit seiner dunklen Mahagonifarbe und seinem Aroma von Karamell-, Röst- und Kaffeenoten kombiniert mit muskulöser Hopfenbittere ist Lahnsteiner Porter ein Muss für Liebhaber dunkler Biere. Porter RC ist die auf Holzchips aus Rumfässern gereifte Variante dieses Bieres. Es setzt aromatisch noch mal ‚einen drauf‘ und zeigt: Man braucht nicht viel Alkohol um ein Konzert für alle Sinne mit großem Orchester auf die Bühne zu bringen.“
Das Bier ist ganz dunkelbraun und hat, wenn man es gegen das Licht hält, einen rubinroten Schimmer, der insbesondere nach vorsichtigem Einschenken deutlich wird, weil da das Bier noch fast blank ist. Der Schaum ist beigefarben und ansonsten nicht der Rede wert.
Die Nase identifiziert sofort ein paar holzige Aromen, dahinter ein Hauch Vanille und ein paar sehr dezente Rumnoten.
Der Antrunk lässt schon eine feine, holzige Bittere spüren, die sich auf der Zunge auch rasch ausbreitet. Ein fein adstringierendes Gefühl erzeugt eine angenehme Trockenheit auf den Schleimhäuten, und auf diesem Fundament entwickeln sich die insgesamt alle recht zurückhaltenden Röst-, Kaffee-, Holz- und Vanillenoten ungestört.
Während der Duft mit dem Warmwerden des Biers immer kräftiger wird, ist dies mit den sonstigen sensorischen Komponenten im Mund (auch den retronasalen Aromen) nicht der Fall. Sie bleiben durch die Bank bescheiden im Hintergrund, so dass die holzige Trockenheit auf den Schleimhäuten der dominierende Eindruck bleibt. Aber das ist nicht schlecht – mir gefällt’s gut.
Auch nach dem Schluck bleibt dies unverändert, so dass eine gewisse Gier nach dem nächsten Schluck entsteht, um der Schleimhauttrockenheit etwas entgegenzusetzen. Dafür ist dann aber die Flasche zu klein – 330 ml sind recht schnell weg. Und das, obwohl dieses Bier einen langsameren Genuss verdient hätte!
Lahnsteiner Craftbiere – Honigbier BC (10,7%)
Was sagt uns das Etiektt? Das hier: „Helles obergäriges Starkbier. Honig, Whisky und Bier. Auf den ersten Blick drei Welten – auf den ersten Schluck eine unglaublich gelungene Kombination aus en Aromen von Honig, Whisky, Malz und Hopfen mit hoher Trinkfreude. Honigbier BC ist die auf Holzchips aus Bourbon Whisky Fässern gereifte Variante des beliebten Lahnsteiner Honigbiers. Kann das Kind seine Eltern übertrumpfen? ProBIERt es aus!“
Das Bier hat eine schöne goldene Farbe und nur eine ganz leichte Trübung, und es trägt eine feine, nicht zu dicke, weiße Schaumschicht, die allerdings nicht lange hält.
Der Duft ist kräuterig-herb, etwas holzig und bringt im Hintergrund weiche, warme Honigaromen.
Der Antrunk ist aromatisch weich, und auf der Zunge machen sich gleichermaßen warme, nicht zu süße Honignoten und ein paar ganz dezent adstringierende Holznoten breit. Was sich wie eine Dissonanz liest, harmoniert im Mund aber ganz vorzüglich. Und spüre ich da im Hintergrund nicht auch noch einen Hauch Whisky?
Ja, aber so richtig eindeutig wird er erst nach dem Schluck. Dann wird er deutlicher und vermählt sich mit den Honigaromen, während der holzige Charakter etwas in den Hintergrund tritt.
Ein Bier also, dass sich auf der Zeitachse vom Antrunk bis nach dem Schluck überraschend intensiv wandelt – Grund genug, es behutsam und in kleinen Schlucken zu genießen.
Lahnsteiner Craftbiere – Ullis Dubbel (9,2%)
Ein Bier mit eigener Geschichte: „Naturtrübes obergäriges Starkbier nach dem Vorbild eines Belgischen Dubbel. Neuland im Nachbarland für Lahnsteins Bierbrauer. Ulli Hastenplug und Donka Fohr brauten erstmals ein Dubbel nach belgischer Art in Lahnstein – nach deutscher Diktion ein tiefdunkler, naturtrüber, obergäriger Doppelbock mit herrlichem Malzkörper, typisch belgischer Hefenote und muskulöser Bittere. Tipp am Rande: Das Dubbel hat noch einen hellen Bruder: Ullis Tripel. Trinkt sich teuflisch gut! Den Kollegen Teufel trefft Ihr übrigens spätestens nach dem Dritten Dubbel …“
Das Bier hat eine mittelbraune Farbe (auch wenn das auf dem Bild eher orange leuchtend aussieht, aber das liegt am Lichteinfall …), ist gleichmäßig trüb und bildet eine dünne, beigefarbene und kremige Schaumschicht.
Der Duft ist eher zurückhaltend. Feine phenolische Noten, ein Hauch Kakao und im Hintergrund noch eine feine Malznote erspüre ich.
Der Antrunk ist weich, allerdings nicht so viskos und rund, wie ich ihn – warum auch immer … – unterbewusst erwartet habe. Auf der Zunge präsentiert das Bier eine deftige, kernige Bittere und eine ausgeprägt phenolische Hefenote, wie sie beispielsweise in manchen belgischen Saisonbieren zu finden ist. Kenner lieben letztere, andere mögen sie überhaupt nicht, insbesondere, weil sie auch ein leicht pelziges Gefühl auf der Zunge hinterlassen kann. Und das im Falle des vorliegenden Biers auch tut. Ich gehöre leider zur zweiten Fraktion und bin daher nicht glücklich, obwohl es sich nicht um einen sensorischen Fehler handelt.
Nach dem Schluck manifestiert sich diese Hefenote noch, und auch die Kakao-Aromen werden jetzt noch einmal deutlich. Gleichzeitig spüre ich eine dezente alkoholische Wärme im Hals – so ganz spurlos rauschen die 9,2% Alkohol dann doch nicht durch die Kehle …
Lahnsteiner Brauerei
Sandgasse 1
56 112 Lahnstein
Rheinland-Pfalz
Deutschland
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